Kirchenlexikon: Die Tätigkeit des Jesuitenordens
Teil 3
Was endlich die dem Orden eigentümliche Tätigkeit betrifft, so entspricht dieselbe, bei noch so weit gezogenem Umkreis, wesentlich denselben Ideen. Im Gegensatz zu den sogen, Reformatoren seiner Zeit, welche die „Reformation“ der Kirche bei Papst und Kaiser beginnen wollten, dringt der Ordensstifter vor allem auf „Reformation“ seiner selbst, Bekehrung und Heiligung eines jeden.
Unter allen Mitteln, am Heil der Seelen zu wirken, stellt er das gute Beispiel in erste Linie (Const. p. 4, Prooem.; p. 7, c. 4, § 2). Alle sollen sich so betragen, dass schon ihr bloßer Anblick zum Dienst und Lobe Gottes antreibe, indem man in ihnen ein Abbild ihres Herrn wahrzunehmen glaube (Const. p. 3, c. 1, § 4). Einen zweiten Kreis von Mitteln bildet das Gebet und die Darbringung des hl. Messopfers für die Bekehrung und Heiligung der Seelen (Const. p. 7, c. 4, § 2-4; p. 6, c. 2, § 16).
Erst hierauf gestützt, sollen die Mitglieder der Gesellschaft durch Predigen, Beichthören, Abhalten von geistlichen Übungen und Volksmissionen, Missionstätigkeit unter Heiden und Ungläubigen das seelsorgliche Leben in dem Umfang ausüben, wie es in der ersten formula instituti, sowie in den Bullen Pauls III. und Julius` III. verzeichnet ist.
Die Sorgfalt der Jesuiten gegenüber den Armen und der Jugend
Vorzügliche Sorgfalt soll dabei den Armen und der Jugend zugewandt werden; die Professen und die geistlichen formierten Coadjutoren müssen das in ihren Gelübden ausdrücklich versprechen (Const. p. 5, c. 3, § 3; c. 4, § 2). Während die Professen sich ausdrücklich verpflichten, auf Befehl des Papstes das Missionswerk unter Heiden und Ungläubigen auch mit eigener Lebensgefahr zu übernehmen, kann der Ordensgeneral auch die übrigen Mitglieder, wenngleich nicht unter ebenso strenger Verpflichtung, zum Dienst der Mission heranziehen, doch wird ihm hierin von dem Ordensstifter selbst größte Umsicht eingeschärft. (Const. p. 9, c. 2, § 9; p. 7, c. 2, § 1).
Unter die vorzüglichsten Mittel zum Heil der Seelen aber rechnete die Gesellschaft von ihrem Beginn an die Jugenderziehung und den Jugendunterricht (Const. p. 4, c. 5, § 1; c. 7, § 1; c. 11, § 1 etc.) und zwar vorab den mittleren und höheren Unterricht an den von ihr geleiteten Gymnasien, Lyzeen und Universitäten; doch wurde der Elementarunterricht nicht ausgeschlossen, soweit Kräfte und Gelegenheit sich finden (Const. p. 4, c. 12 C).
Der Unterricht im Katechismus
Den Unterricht im Katechismus hat der Orden nach Vorschrift seines Stifters (Const. p. 3, c. 5 B) stets eifrig gepflegt; unter seinen zahlreichen Katecheten befinden sich die Verfasser der verbreitetsten Katechismen: Canisius, Bellarmin, Augier, Deharbe u.s.w. Der Vorwurf, dass die Gesellschaft die Wissenschaft nicht um ihrer selbst willen pflege, wird durch das naturgemäße Verhältnis hinfällig, in welchem die Wissenschaft zur Religion und zum letzten Ziel des Menschen steht. Dass die Wissenschaften darunter nicht zu leiden hatten, bezeugen die Namen von zahllosen Ordensmitgliedern, welche seit dem 16. Jahrhundert auf allen gebieten der Theologie und der profanen Wissenschaften, der Literatur und der schönen Künste gearbeitet haben.
Eine besondere Pflege wandte der Orden den marianischen Kongregationen seit deren Stiftung zu; über die segensreiche Wirksamkeit derselben hat sich bereits Benedikt XIV. in der Bulle Glorioasae Dominae (27. September 1748) ausgesprochen, und in der katholischen Welt herrscht darüber kein Zweifel mehr.
Die Heiligen der Gesellschaft Jesu
Am vollendetsten hat sich der Geist der Gesellschaft Jesu in den Heiligen ausgeprägt, welche sie von ihrem Beginn an der Kirche schenkte, und welche durch ihr Beispiel und Wirken sie in schweren Zeiten der Bedrängnis trösteten, stärkten und verteidigten. An ihrer Spitze steht der Gründer selbst, der hl. Ignatius von Loyola (gest. 31. Juli 1556), nicht bloß, wie er oft irrtümlicherweise aufgefasst worden ist, der aszetische Leiter der Gesellschaft, sondern auch der Urheber ihrer Verfassung und der Organisation ihrer gesamten äußeren Tätigkeit.
Ihm gesellen sich dann der hl. Franz Xaver (gest. 2. Dezember 1552), der Apostel von Indien und Japan; der hl. Franz von Borgia (gest. 30. September 1572), der Freund Karls V., ein erhabenes Bild der Buße, Entsagung und Weltverachtung; der hl. Franz Regis (gest. 31. Dezember 1640), der Apostel der armen Landbevölkerung; der hl. Franz von Hieronymo (gest. 11. Mai 1716), der unermüdliche Volksmissionar; der hl. Petrus Claver (gest. 8. Sept. 1654), der Apostel der Negersklaven; die heiligen Blutzeugen Paul Miki, Johannes de Goto und Jakob Kisai (gekreuzigt 5. Februar 1597), die Erstlinge der japanischen Mission (siehe den Beitrag: Die 26 heiligen Märtyrer in Nagasaki);
die hll. Aloysius von Gonzaga (gest. 21. Juni 1591), Johannes Berchmans (gest. 13. August 1621) und Stanislaus Kostka (15. August 1568), und der heilige Laienbruder Alfons Rodriguez (gest. 31. Oktober 1617), ein leuchtendes Vorbild frommer Einfalt und kindlichen Gehorsams.
Die Märtyrer der Gesellschaft Jesu
Die zahlreiche Schar der Ordensmitglieder, denen die Ehre der Seligsprechung zuteil geworden, besteht vorzüglich aus Märtyrern, welche in den verschiedensten Missionsländern den Glauben mit ihrem Blut besiegelten. Zu ihnen zählen Johannes de Britto (gest. 1693), Andreas Bobola (gest. 1657), Ignatius de Azevedo mit 39 Genossen (1570), Joh. Bapt. Machado (1617), Didacus Carvalho (1624), Michael Carvalho (1624), Paul Navarro, Dionys Fugixima und Peter Onizuchius (1622), Leonhard chimura (1619), der Provinzial Franz Pacheco mit acht Genossen (1626), Anton Ixida (1632), Thomas Tzugius (1627) und Michael Nacaxima (1628), Karl Spinola mit acht Genossen (1622), Camillus Constanzo und Augustin Ota (1622), Hieronymus de Angelis und Simon Jempo (1623), Edmund Campion (1581), Alexander Briant (1581), Thomas Cottam (1582).
Als Bekenner aber schließen sich ihrem geistlichen Führer Ignatius der sel. Petrus Faber (gest. 1546) und der sel. Petrus Canisius (gest. 1597) an, der erste Jesuit, der in Deutschland wirkte, und der Begründer und erste Provinzial des Ordens in Deutschland. Über eine große Zahl von Ordens-Mitgliedern waren bei der Ritenkongregation Prozesse eingeleitet, als die Aufhebung der Gesellschaft und spätere Bedrängnisse der Kirche deren Fortführung hemmend entgegentrat.
In fast allen Missionsländern, Japan, China, Indien, Nordamerika, Mexiko, Mittelamerika, Brasilien, Paraguay u.s.w. Haben zahlreiche Missionare ihr Blut für den Glauben vergossen; ganze Scharen sind allüberall im Dienst der Pestkranken gestorben (der Katalog des P. Alegambe, fortgesetzt von P. Nadasi, zählt von 1556 bis 1557 die Summe von 1190 Patres und Brüdern); in allen Ländern haben sich fromme Geistesmänner, Prediger, Lehrer, Beichtväter den Ruf der Heiligkeit erworben.
Jesuiten als Kardinäle
So sehr die Gesellschaft auch im Sinne ihres Institutes alle kirchlichen Würden floh, so wurden doch durch das schwer verpflichtende Gebot der Päpste einige ihrer Söhne dem heiligen Kollegium der Kardinäle beigezählt und leisteten der Kirche in dieser Stellung nicht geringe Dienste: Franz Tolet (1593), Robert Bellarmin (1599), Peter Pazmany (1629), Johann de Lugo (1643), Johann Casimir von Polen (1647, später 1648 bis 1668 König von Polen). Sforza Pallavicini (1659), Eberhard Nithard (1675), Johann B. Tolomei (1712), Johann B. Salerno (1719), Alvaro Cienfuegos (1720), Camillo Tarquini (1873), Johann B. Franzelin (1876), Camillo Mazzella (1886). –
Berühmte Prediger der Gesellschaft Jesu
Unter den Predigern des Ordens zählen mehrere zu den gefeiertsten Vertretern der geistlichen Beredsamkeit, so die PP. Louis Bourdaloue (gest. 1704), Paolo Segneri (gest. 1694), Anton Vieira (1697), Franz Hunolt (1740), Peter Skarga (1612); eine bedeutende Wirksamkeit entfalteten aber auch die deutschen PP. Schneller, Tschupik, Wurz, Tausch, Trabbels, Roh, Roder; die Franzosen de la Colombière, Taxier, de la Rue, Bretonneau, Lenfant, Mac Carthy, Ravignan; die Italiener Bordoni, Tornielli, Trento; die Spanier Tolet und Florencia. Von 1573 bis 1660 predigten 49 Jesuiten in der päpstlichen Kapelle; an vielen Fürstenhöfen und zahlreichen Domkirchen ward ihnen dieselbe Aufgabe zuteil. –
Tätigkeit im Beichtstuhl und Abhaltung von Exerzitien
Die Tätigkeit des Ordens im Beichtstuhl lässt sich nur sehr entfernt aus der großen Zahl der Ordens-Niederlassungen in allen Ländern und aus dem meist ungewöhnlichen Zudrang zu den Beichtstühlen ihrer Kirchen bemessen. In die Augen fallend war dieser mühsamste Teil der Seelsorge nur durch die Ausübung derselben an den Fürstenhöfen zu Versailles, Wien, Madrid, Lissabon, München, welche vielfach Gutes stiftete, aber dem Orden viele Anfeindungen zuzog. Überaus wirksam für die Wiederbelebung des religiösen Geistes in allen Ländern erwies sich das Abhalten der heiligen Exerzitien für Geistliche und Laien der verschiedensten Stände, von mehreren Heiligen, vielen Päpsten, Bischöfen und Synoden wiederholt empfohlen und gutgeheißen. –
Eine ebenso nachhaltige als ausgebreitete Hebung des religiösen Lebens erzielten die Jesuiten in der ganzen katholischen Welt durch ihre aszetischen Schriftsteller, von welchen Alfons Rodriguez (gest. 1616), Ludwig de Ponte (gest. 1624) und J. B. Scaramelli (gest. 1752) als Klassiker auf diesem Gebiet gelten. Aus den vielen übrigen mögen genannt werden:
Alvarez de Paz, Nic. Gaudier, Scribani, Drexelius, Saint-Jure, de la Palma, Nicol. Lancitius, Joh. Nieremberg, Kasp. Druzbicki, W. Stanihurst, J. Surin, J. Nouet, Nic. Avancinus, F. Nepveu, J. Dirckinck, Ben. Rogacci, C. Judde, J. Croiset, J. de Gallifet, J. Pergmayr, F. Neumayr, J. M. Kroust, J. Grou. – Das Exerzitienbuch erklärten J. J. Petit-Didier, J. Diertins, A. Bellecius, P. Chaignon, P. Roothaan. –
Missionare der Gesellschaft Jesu in Europa
Eifrige Missionare hat die Gesellschaft allen Ländern Europas gegeben. In Deutschland war neben dem sel. Canisius der wirksamste Philipp Jeningen aus Eichstätt (gest. 1704), dann Paul Hoffäus aus Bingen (gest. 1608), Georg Scherr aus Schwaz (gest. 1605), J. Zehender, E. Welser, J. Falk, Nicol. von Cusa, F. Hünecken, F. Hünecken, J. Schacht, B. Löper.
In Frankreich wirkten vor dem hl. Franz Regis E. Auger, P. Coton, nach ihm F. Beauveau, J. Maunoir, B. Colnago, dann vor allem Julius Mancinelli, A. la Nuza, R. Zucchi, Paull Segneri, J. Pinamonti; in Portugal J. Martinez, S. de Barradas; in Spanien B. Bustamente, Franz Strada, J. Gondino, E. Texeira, J. Calatayud, H. Lopez und der spätere General Thyrsus Gonzalez; in England folgten auf die PP. E. Campion, W. Good, R. Southwell, H. Garnet, E. Oldcorne, R. Person, R. Abercromy, J. Gerard ganze Scharen todesmutiger Missionare.
Ebenso erfreuten sich Böhmen, Ungarn, Polen und die Niederlande der seeleneifrigsten Apostel, die unermüdlich Stadt und Land durchzogen, um die Katholiken im Glauben zu festigen, die Irrenden zu gewinnen und die Sünder zu bekehren. Jesuiten kamen den Christensklaven in Stambul zu Hilfe und pastorierten die Gefangenen in den französischen Bagnos. (*) –
(*) Strafanstalten
Die äußeren Missionen
Das großartigste Arbeitsfeld blieben aber allzeit die äußeren Missionen. Wie durch die Tätigkeit der Gesellschaft hauptsächlich Indien, Annam, Tonkin, Japan, die Molukken, China dem Christentum sich eröffneten, so drangen die Jesuiten an die großen Seen von Kanada vor, und P. Marquette entdeckte den Mississippi; früh besuchten sie Äthiopien und die Ufer des Sambesi, christianisierten einen ansehnlichen Teil von Brasilien, Peru, Chile und des Landes am Marañon. Der Jesuitenstaat von Paraguay hat selbst die Bewunderung der erklärtesten Feinde des Ordens gefunden. Die Aufhebung des Ordens wurde deshalb auf dem ganzen Erdkreis schwer empfunden, und noch heute sind lange nicht all die Gebiete zurückerobert, welche er einst dem katholischen Missionsleben und der Zivilisation gewonnen hatte.
Die Pflege der Wissenschaften
Auf dem Gebiet der Wissenschaften hat die Gesellschaft vor allem die Theologie aufs eifrigste gepflegt, dem falschen Humanismus und der seichten modernen Philosophie gegenüber die bewährte alte scholastische Theologie und Philosophie, dann aber den protestantischen Sekten gegenüber die positive Theologie, Apologetik und Kontroverse, endlich auch die übrigen theologischen Disziplinen.
Scholastische Theologie und Philosophie
Wir müssen uns hier auf wenige Namen beschränken, von denen einzelne ihre besonderen Artikel finden werden oder schon gefunden haben. Die schon genannten Kardinäle Tolet, Bellarmin und Lugo, dann vorab Franz Suarez (gest. 1617), wohl der größte Theologe des Ordens, Peter Fonseca, Gregor von Valencia, Habriel Vasquez, Leonhard Lessius, J. Ruiz de Montoya, Adam Tanner, E. Coninck, J. Martinez de Ripalda, F. Amici, P. Hurtado de Mendoza, J. Dicastillo, J. Martinone, R. De Arriaga, M. Esparsa, J. Platel, Dom. Viva, A. Majr, H. Kilber – in neuerer Zeit Joseph Kleutgen und Kardinal J. B. Franzelin. –
Positive Theologie und Kontroverse
der sel. Petrus Canisius, Kardinal Bellarmin, von den Protestanten am meisten gefürchtet und bekämpft, A. Possevin, M. Becanus, J. Gretser, A. Contzen, Kardinal Pazmany, Dionys Petau (Petavius, gest. 1652), L. Forrer, F. Annat, V. Ebermann, Karl Sardagna. –
Exegese
Die Kardinäle Tolet und Bellarmin (beide an der Verbesserung des Vulgata-Textes beteiligt), Johann Maldonado (gest. 1583), A. Salmerin, F. Ribera, H. Prado, Emm. Sa, M. Delrio, J. B. Villalpando, N. Serarius (Serrier), B. Pererius, (Pereira), L. Alcasar, B. Giustiniani, C. Sancio, Cornlius a Lapide (van den Steen, gest. 1637), J. Pineda, J. Bonfrère, J. B. Menochius, F. Xav. Patrizzi. –
Kirchengeschichte
Als bedeutendstes Werk ragen die Acta Sanctorum hervor, die monumentale Grundlage der Hagiographie, begonnen von J. Bollandus (gest. 1665), fortgesetzt von D. Papebroech (gest. 1714) u. A. An die große Konziliensammlung von J. Hardouin (gest. 1729) reiht sich als Fortsetzung die Collctio Lacensis, unternommen von G. Schneemann (gest. 1885).
Anmerkung: Es folgen dann noch zahlreiche Namen. Außerdem werden die Namen von Jesuiten aufgeführt in den Bereichen ‚Moraltheologie‘, ‚Kanonisches Recht‘, ‚Kirchengeschichte‘, ‚Profangeschichte‘, ‚Mathematik‘, ‚Naturwissenschaften‘, ‚Klassische Studien‘, ‚Pädagogische Literatur‘, ‚Geograpie‘, ‚Ethnographie‘, ‚Linguistik‘. –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 6, 1889, Sp. 1385 – Sp. 1392
Teil 1: Gründung des Jesuitenordens Sp. 1374 – Sp. 1378
Teil 2: Geist und Wesen des Jesuitenordens Sp. 1382 – Sp. 1385
Beiträge des irischen Jesuiten P. E. Cahill und des deutschen Jesuiten P. Ludwig von Hammerstein zur Freimaurerei: Katholische Beiträge zur Freimaurerei und zur anti-christlichen Bewegung
Bildquellen
- Regimini_militantis_Ecclesiae: wikimedia