Die Gesellschaft Jesu – Die Gründung des Jesuitenordens (1521-1540)
Teil 1
Der Jesuiten-Orden (Gesellschaft Jesu, Societas Jesu) war der verbreitetste und am meisten bekämpfte aller in der neueren Zeit gegründeten Orden.
Der Stifter dieses Ordens war Ignatius von Loyola, geb. 1491, aus adeligem, wohlhabendem Geschlecht, zu Azpeitia, Provinz Guipuzcoa in Spanien. Er war erst Page am Hofe Ferdinands von Aragonien, dann Offizier im Dienst Karls V., nahm als solcher an der Verteidigung von Pamplona gegen die Franzosen mit Heldenmut teil und ward am 20.Ami 1521 durch einen Kanonenschuss am Bein verwundet, so dass er auf`s Krankenlager hingestreckt ward. Die Lesung des Lebens Christi und der Vida de los santos en romance (d. h. in spanischer Sprache) wandte seinen Blick von der Bahn weltlichen Ehrgeizes dem ausschließlichen Dienst Gottes zu. Er ward wieder hergestellt, blieb aber zeitlebens etwas hinkend.
Nunmehr gedachte er, erst nach Jerusalem zu wallfahrten und dann in Sevilla Kartäuser zu werden.
Am 25. März 1522 legte er in Montserrat seine Lebensbeichte ab, vertauschte nach frommer Ritterwache vor dem Bild Maria`s die Waffenrüstung mit einem Bettlerkleid und widmete sich im Spital zu Manresa den niedrigsten Diensten der christlichen Nächstenliebe. Dann zog er sich einige Zeit in eine Höhle im sogenannten Paradiesestal bei Manresa zurück. Durch schwere innere Kämpfe, Krankheiten, Leiden und Versuchungen geprüft, machte er hier eine ernste Schule des inneren Lebens durch, als dessen Frucht er schon damals das „Büchlein von den geistlichen Übungen“ niederschrieb (Genelli, Das Leben des hl. Ignatius von Loyola 1. Th. 7. Kap.; Gonsalv., Acta quaedam P. N. Ign. De Loyola n. 71).
Nachdem er vergeblich versucht, andere zu gemeinschaftlichem, religiösem Leben zu vereinigen, pilgerte er in der zweiten Hälfte des Jahres 1523 über Barcelona, Rom, Venedig nach Jerusalem und gewann dabei die Überzeugung, dass ohne wissenschaftliche Vorbildung ein apostolisches Wirken hoffnungslos sei.
Im Frühjahr 1524 setzte sich deshalb der ehemalige Offizier auf die Bänke einer Knabenschule und lernte Latein. In zwei Jahren kam er so weit, dass er, nach besonderer Prüfung, die eben von Kardinal Ximenes gegründete Hochschule zu Alcala besuchen konnte; von dort siedelte er im Herbst 1527 nach Salamanca über.
Auf beiden Hochschulen suchte er Genossen an sich zu ziehen und zu einem religiösen Leben zu vereinigen, ward aber durch das Misstrauen der geistlichen Behörden, welche in ihm einen Sektierer witterten, daran gehindert. Er setzte dann an der größten der damaligen Hochschulen, zu Paris, seine Studien noch volle sieben Jahre (Februar 1528 bis März 1535) fort und suchte hier Gleichgesinnte zu gewinnen; aber auch hier stieß er auf mannigfache Schwierigkeiten. Mitte März 1534 erwarb er indes mit Auszeichnung das Magisterium der Philosophie, widmete sich dann mit nicht geringerem Eifer der Theologie und ward auf Ferienreisen nach Flandern und England mit zahlreichen Landsleuten bekannt.
Weil er einige Scholaren veranlasst hatte, an einem Sonntag statt der festgesetzten Disputation die Kirche zu besuchen, sollte ihn eine entehrende Disziplinarstrafe vor der gesamten Universität treffen. Im letzten Augenblick ward indes der Vorsteher seines Kollegs St. Barbara, Govea, von seinen seeleneifrigen Worten so ergriffen, dass er ihm vor der ganzen Versammlung zu Füßen fiel und ihn um Verzeihung bat. Dadurch war nicht nur sein Ruf völlig wieder hergestellt, sondern auch sein Ansehen fest begründet.
Mehrere der ausgezeichnetsten jungen Leute wählten ihn zu ihrem Freund, Vertrauten und Seelenführer; so der fromme und gelehrte Savoyarde Peter Faber (Lefèvre) aus Villaret, der junge, ehrgeizige Philosophie-Professor Franz Xaver aus Navarra, die zwei noch jugendlichen, aber bereits durch ihr Wissen glänzenden Spanier Laynez und Salmeron (jener 21, dieser 19 Jahre alt), der Philosophieprofessor Nikolaus Alfons Bobadilla, so nach seinem Geburtsort in Spanien zubenannt, und der Portugiese Rodriguez de Azevedo.
Faber machte unter seiner Leitung die geistlichen Übungen, bevor er, der erste unter ihnen, die heilige Priesterweihe empfing. Alle versammelte Ignatius im Juli 1534 zu ähnlichen Exerzitien und legte ihnen dann den Plan vor, gemeinsam nach Palästina zu ziehen oder, falls dieses innerhalb Jahresfrist unausführbar wäre, sich zum Dienst der Kirche dem Papst zur Verfügung zu stellen, inzwischen aber ihre theologischen Studien zu vollenden.
Am 15. August legten die sieben Männer in der Krypta der Montmartre-Kirche zu Paris die Gelübde der Armut und Keuschheit ab und verpflichteten sich zugleich auf den ihnen von Ignatius vorgelegten Plan. Nach Jahresfrist erneuerten sie diese Gelübde am selben Tag und am selben Ort, doch ohne Ignatius, der aus Gesundheits-Rücksichten und wegen Ordnung von Geschäften nach Spanien gereist war. Sie trafen sich in Venedig wieder, wo Ignatius bereits Ende 1535 angelangt war. Die Übrigen hätten eigentlich nach getroffener Verabredung Paris erst am 25. Januar 1537 verlassen sollen, die politischen Verwicklungen zwischen Frankreich und dem Kaiser jedoch nötigten sie schon im November 1536 zur Abreise.
Am 8. Januar 1537 kamen sie nach Venedig mit drei neuen Genossen, welche sich ihnen unterdessen angeschlossen hatten, dem Savoyarden M. Claudius le Jay und den zwei Franzosen Jean Codure und Paschasius Brouet. Ignatius führte ihnen ebenfalls drei neue Genossen zu, zwei Brüder Jakob und Stephan Eguia und Jakob de Hozez aus Cordoba.
Um für das gemeinsame Wirken in Palästina die nötigen Vollmachten einzuholen, sandte Ignatius jetzt Faber mit den übrigen Genossen nach Rom. Er selbst ging nicht mit, weil er die persönliche Ungunst des Kardinals Caraffa (später Pauls IV.) und des kaiserlichen Prokurators Petrus Ortiz fürchtete. Gerade Ortiz nahm aber Faber mit seinen Genossen sehr wohlwollend auf. Von ihm dem Papst Paul III. vorgestellt, fanden sie das freundlichste Entgegenkommen und erhielten alle gewünschten Vollmachten. Gemäß denselben konnten alle, die noch nicht Priester waren, am 24. Juni 1537 zu Venedig die Priesterweihe erhalten, nachdem sie zuvor in die Hände des päpstlichen Nuntius Veralli die Gelübde der Armut und Keuschheit abgelegt hatten.
Da der inzwischen ausgebrochene Türkenkrieg eine apostolische Tätigkeit im Gelobten Land vorläufig aussichtslos machte, verteilte Ignatius seine Schüler je zu zweien in die Städte des venetianischen Gebietes, wo sie mit Genehmigung des päpstlichen Nuntius predigten, die heilige Schrift erklärten, die Sakramente spendeten und andere Werke des Seeleneifers und der Liebe verrichteten. So ging das Jahr seinem Ende zu.
Als sich für den Orient noch immer keine Aussicht öffnete, begab sich Ignatius mit Faber und Laynez nach Rom, um sich und die übrigen Genossen dem Papst zur Verfügung zustellen. Den anderen wurden vorläufig die Universitätsstädte Italiens als Arbeitsfeld angewiesen. Sie sollten wie bisher je zu zweien arbeiten, predigen, Beichte hören, Exerzitien geben, in den Spitälern dienen, strenge Armut üben, von Almosen leben und je eine Woche eines des anderen Oberer sein. Auf die Frage, zu welcher Genossenschaft sie gehörten, sollten sie antworten: „Zur Gesellschaft Jesu“.
Auf der Reise nach Rom wurde Ignatius zu Storta, zwischen Siena und Rom, durch eine Vision getröstet, in welcher ihm der himmlische Vater und Christus mit dem Kreuz erschien und Christus ihm liebevoll sagte: „Zu Rom werde ich euch gnädig sein“ (Genelli 1. Th., 13. Kap.).
Im November 1537 kamen sie in Rom an. Paul III. empfing sie überaus huldvoll und ernannte Faber und Laynez zu Professoren an der Sapienza, jenen für Exegese, diesen für scholastische Theologie; Ignatius leitete Geistliche und Laien in den geistlichen Übungen. Ihr Seeleneifer entfaltete sich in fruchtreichster Weise, als ein piemontesischer Augustiner, den neuen Irrlehren zugetan, einen gewaltigen Sturm wider sie heraufbeschwor. Er verdächtigte sie selbst als Anhänger häretischer Bestrebungen und nahm das Volk gegen sie ein.
Ignatius sah sich genötigt, die Dazwischenkunft des Gouverneurs von Rom, Benedikt Conversini, und, als dieser die Untersuchungen verschleppte, die des Papstes selbst anzurufen. Durch eine günstige Fügung waren in Rom eben Richter anwesend, welche Ignatius bei früheren Verfolgungen in Alcala, Paris und Venedig näher kennengelernt hatten. Die Untersuchung endete mit einem Urteil vom 18. November 1538, das Ignatius und seine Genossen nicht bloß von jeder Schuld frei sprach, sondern die Heiligkeit ihrer Lehre und ihres Lebens in anerkennendster Weise (Wortlaut des Spruches bei Genelli S. 442) feststellte. Ihre aufopfernde Liebestätigkeit während des harten Winters 1538 auf 1539 versöhnte das durch Verleumdung wider sie aufgehetzte Volk und gewann ihnen die allgemeine Achtung und Verehrung.
Jetzt berief Ignatius auch seine übrigen Genossen aus den verschiedenen Städten nach Rom, um der Genossenschaft in gemeinsamen Beratungen ihre endgültige Form zu geben. Des Tags über waren sie seelsorglich in den verschiedenen Regionen der Stadt tätig, Abends hielten sie ihr Konsultationen, in welchen nach vielen und gründlichen Besprechungen jene Grundzüge des Instituts zum Abschluss kamen, welche Paul III. später seiner Bestätigungs-Bulle Regimini militantis ecclesiae einverleibte. Es wird berichtet, der Papst habe sofort nach Durchlesen der formula ausgerufen: „Hier ist Gottes Finger!“
Der Verfassungs-Entwurf der neuen Gesellschaft wurde indes an eine besondere Kommission von drei Kardinälen gewiesen; Vorstand derselben war Kardinal Bartolomeo Guidiccioni, der sich im Jahr zuvor in einer andern Kardinals-Kongregation sehr scharf gegen das Ordensleben überhaupt geäußert hatte. Er fand es anfänglich nicht der Mühe wert, den Verfassungs-Entwurf auch nur zu lesen; allein bald trat in seinen Anschauungen ein Umschwung ein. Obwohl er von seinen früheren Äußerungen in Betreff der älteren Orden nicht abgehen zu können erklärte, behauptete er doch, in Bezug auf diese Neugründung eine Ausnahme machen zu müssen, und gab der Verfassungs-Formel seine volle Zustimmung.
So approbierte denn Paul III. durch die erwähnte Bulle ‚Regimini militantis ecclesiae‘ (27. September 1540) den neuen Orden und bevollmächtige ihn zur Abfassung eigener Konstitutionen. Die Aufnahme der Mitglieder wurde zunächst auf 60 eingeschränkt, eine Bestimmung, welche von Paul III. selbst schon nach 2 ½ Jahren aufgehoben wurde.
So war das nächste Ziel erreicht, der Orden war begründet. Alle in Italien anwesenden Genossen des Heiligen wurden wieder nach Rom beschieden. Nachdem zuerst noch einige notwendige Regeln für die einstweilige Verwaltung des Ordens festgestellt worden, schritt man nach dreitägiger Vorbereitung am 4. April 1541 zur Wahl eines Generaloberen. Auf Ignatius fielen alle Stimmen der Anwesenden sowohl als auch der drei abwesenden Genossen. Letztere waren Faber, welcher damals auf dem Weg nach Worms befand, Franz Xaver und Rodriguez, welche Mitte März nach Portugal abgereist waren. Bobadilla war gehindert, sich an der Wahl zu beteiligen.
Wie sehr sich Ignatius auch sträuben mochte, es blieb ihm kein Ausweg, als anzunehmen, wollte er nicht das Ganze in Frage stellen. So nahm er denn, sich in Gottes Willen fügend, die Wahl und das Amt am Osterdienstag des Jahres 1541 den 19. April an. Am folgenden Freitag legten alle in Rom anwesenden Gefährten in der Basilika des hl. Paulus außerhalb der Stadt ihre feierlichen Ordensgelübde ab. Bevor man von einander schied, wurde Ignatius noch mit der Abfassung der Ordens-Konstitutionen beauftragt.
Mehr als zehn Jahre brauchte Ignatius, um diese zu vollenden. Sein Haupthilfsmittel war Gebet. Endlich im Jahre 1550 waren dieselben so weit fertig gestellt, dass er sie einer Versammlung von Professen des Ordens, unter ihnen Lainez und Franz Borgia, vorlegen konnte. Nachdem er ihre Bemerkungen erhalten, sandte er dieselben an andere hervorragende Mitglieder des Ordens in den verschiedenen Ländern, und erst 1553 wurden sie probeweise einigen Provinzen zur Nachachtung zugeschickt.
Als dann nach dem Tod des Heiligen (31. Juli 1556; siehe: Fest des hl. Ignatius von Loyola) im Jahre 1558 am 2. Juli die erste General-Kongregation zusammen trat, bildete die eingehendste Prüfung derselben den Gegenstand langer Verhandlungen. Sie fanden der Sache nach in allem und jedem absolute Zustimmung, nur ein die Armut der Professhäuser betreffender Punkt wurde verschärft (Congr. I, decr. 38; vgl. Instit. Soc. Jesu I. congr. Gen. Decr. 15-79). –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 6, 1889, Sp. 1374 – Sp. 1378
Teil 2: Geist und Wesen des Jesuitenordens Sp. 1382 – Sp. 1385
Teil 3: Die Tätigkeit des Jesuitenordens Sp. 1385 – Sp. 1392
siehe die Beiträge von Franz Xaver Weninger SJ über die Unfehlbarkeit des Papstes als Lehrer der Kirche