Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Palästina
Palästina heißt mit seinem späteren, allgemein üblichen Namen das den Israeliten von Gott verheißene und übergebene Land. Es wurde nämlich der Name des südwestlich von dem israelitischen Gebiet an der Meeresküste gelegenen Landes der Philister (Peleschet (assyr. Palaschtu, ägypt. Puluschta), von den Griechen und Römern auch auf das von den Israeliten besetzte bergige Binnenland bis zum Jordan unter dem Namen Palästina, und am Ende des 3. Jahrhunderts auf das transjordanische Gebiet übertragen. Seitdem ist diese Bezeichnung bei den Christen sowie bei den späteren Juden und den Arabern gebräuchlich geworden.
Der älteste semitische Name des cisjordanischen Gebietes von Palästina, der sich bei hebräischen Autoren findet (Gen. 13, 12; Ex. 16, 35; Num. 33, 51), ist „Kanaan“, während das transjordanische Gebiet als „Land Galaad“ bezeichnet wurde (Num. 32, 26).
Nach der Einwanderung der Familie Abrahams findet sich der nur von Ausländern gebrauchte Name „Land der Hebräer“ (Gen. 40, 15); von den Israeliten selbst wurde es „Land Israels“ genannt (Richt. 19, 21; 1. Sam. 13, 19; Matth. 2, 20); feierliche theokratische Bezeichnungen waren: „Land Jehovas (vgl. Lev. 25, 23; Is. 8, 8; Jer. 2, 7); „Land des Herrn“ (Os. 9, 3); „Heiliges Land“ (Zach. 2, 12; 2. Mach. 1, 7) und „das gelobte, d. h. verheißene Land“ Hebr. 11, 9). Auf den assyrischen Inschriften wird Kanaan einschließlich des Landes der Philister mit Mar-tu (Westland) und Mat-acharri (Hinterland) bezeichnet. (Kirchenlexikon, Bd. 9, Sp. 1275)
Die Völker in Palästina
Zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. beherrschten die Retenu von Lydda aus große Teile Palästinas. Vom 19. Jahrhundert an gestalteten die Hyksos die Verhältnisse durchgreifend um. Um 1580 errangen die Ägypter die Oberhoheit über Palästina, die bis zum 12. Jahrhundert dauerte. Die Bibel erwähnt als älteste Bewohner in verschiedenen Teilen des Landes die Rephaiter, Enakiter, Horiter, Emiter, Zuziter und Zamzummiter (Gn. 14, 5; Dt. 2, 10-12 u. 20), für die Zeit des Einzuges der Israeliten die Kanaaniter, Hethiter, Amoriter, Pheresiter, Heviter, Jebusiter, Keniter, Keneziter, Kadmoniter, Gergesäer (Gn. 5, 19; Ex. 3, 8 u. 17).
Der Zusammenbruch der ägyptischen und hethitischen Weltstellung bald nach 1200 hatte neuen Völkerschaften die Tore geöffnet. In der Küstenebene fassten die Philister dauernd Fuß. Die Binnengebiete fielen den stammverwandten Aramäern, Ammonitern, Maobitern und Edomitern (Idumäer) anheim. Während des Exils siedelten die assyrischen Könige namentlich im Nordreich Völkerschaften aus Syrien und Assyrien an (2. Kg. 17, 24-32). Aus der Vermischung dieser Kolonisten mit der im Land gebliebenen Israeliten entstammten die Samaritaner. In diese Zeit fällt die Einteilung Palästinas in die Provinzen Galiläa, Samaria, Judäa, Peräa. Nach den Zügen Alexanders d. Gr. nahm das hellenistische Element auch unter dem Volk immer mehr zu, besonders in den Küstenstädten und in der Dekapolis.
Auch unter der römischen Herrschaft blieb der griechische Einfluss maßgebend. 63 v. Chr. eroberte Pompejus Jerusalem. 70 n. Chr. wurde Palästina römische Provinz (Judäa) mit dem Statthaltersitz in Cäsarea. Seit Diokletian unterschied man die Provinzen Palästina prima = Westjordanland mit Cäsarea als Hauptstadt, Palästina secunda = Galiläa und Peräa mit der Hauptstadt Skythopolis, Palästina tertia oder Salutaris = südlicher Teil von Judäa und Peräa mit der Hauptstadt Petra. 638 setzten sich die arabischen Eroberer dauernd im Land fest. Dem „Königreich Jerusalem“ der Kreuzfahrer machten die Ägypter ein Ende. 1517 fielen die Türken ins Land, die erst 1917 von den Engländern verdrängt wurden… (Buchberger, Bd. VII, Sp. 884)
Palästina als Wohnsitz des jüdischen Volkes
Das dem Stammvater der Hebräer, Abraham, verheißene Land (Gen. 12, 1-7) wurde unter Josue nach Eroberung des von Kanaanitern bewohnten Gebietes unter die zwölf Stämme verteilt (Jos. 13, 7); viele Städte blieben indessen von den Kanaanitern besetzt, da es den einzelnen Stämmen nicht gelang, das ihnen zugeteilte Gebiet völlig von den kanaanitischen Überresten zu säubern. Ganz unbehelligt bzw. nicht verdrängt blieben die an der Meeresküste wohnenden Philister in dem Gebiet ihrer fünf Hauptstädte Gaza, Askalon, Geth, Asedoth und Accaron, sowie die Phönizier oder Sidonier; zahlreich waren die von den Kanaanitern besetzt gehaltenen Städte und Orte im nördlichen Palästina, welches deshalb „Galiläa der Heiden“ (1.Mach. 5, 15; Matth. 4, 15) genannt wurde.
Die gegenseitige Lage der Stammgebiete im Allgemeinen ist nach den biblischen Berichten unschwer zu erkennen; die Grenzbestimmung im Einzelnen bleibt jedoch unsicher und schwierig, da vielfach die Lage der betreffenden Grenzorte nicht mehr bestimmt nachgewiesen werden kann. Die Verteilung des ganzen israelitischen Gebietes geschah in der Weise, dass neun Stämme und ein halber diesseits und zwei und ein halber jenseits des Jordans ihre Wohnsitze erhielten. Der Stamm Levi, welcher keinen geschlossenen Anteil erhielt, wohnte unter den übrigen Stämmen in 48 Städten verteilt (Jos. 21,; 1. Par. 6, 57-81). Der Stamm Joseph wurde in zwei Abteilungen, Ephraim und Manasse, geteilt, wonach sich die Zahl von zwölf Stammgebieten ergab… (Kirchenlexikon, Bd. 9, Sp. 1284)
Palästina nach dem jüdischen Krieg
Nach dem jüdischen Krieg (67-70 n. Chr.), welcher die Zerstörung Jerusalems und des Tempels zur Folge hatte, rief die beabsichtigte Gründung einer römisch heidnischen Stadt, der Aelia Capitolina, an der Stelle Jerusalems den Aufstand der Juden unter Führung des Bar-Chochba hervor, der im Jahre 135 unter Kaiser Hadrian niedergeschlagen wurde. Ungefähr 1000 größere Ortschaften wurden zerstört, die Mehrzahl der Bewohner getötet; es erstand nun die für die Juden unzugängliche Aelia Capitolina, deren Betretung ihnen nur gegen Entrichtung einer bedeutenden Abgabe gestatte wurde (Dio Cass. Hist. 69, 12-14).
Bessere Tage brachten für Palästina unter Konstantin d. Gr. an; über den von Christus geheiligten Orten erhoben sich allerorts kirchliche Bauten, welche das Ziel zahlloser Wallfahrer aus allen Teilen des römischen Reiches im Morgenland und Abendland wurden. Auf dem vierten ökumenischen Konzil von Chalcedon (451) wurde das Erzbistum von Jerusalem, das bisher der Metropole Caesarea und dem Patriarchat Antiochia untergeordnet war, zu einem Patriarchat erhoben, welches nunmehr Palaestina I mit der Metropole Caesarea, Pal. II mit der Metropole Skythopolis nebst einigen von der Metropole Bostra Arabiä getrennten Bezirken und Pal. III (Arabia salutaris) mit der Metropole Petra umfasste.
Im Jahre 615 eroberte Chosroes II. von Persien Syrien und Palästina, Jerusalem wurde im Sturm genommen und die heiligen Orte beraubt, durch Brand verwüstet und zerstört. Nach Vertreibung der Perser durch Kaiser Heraklius wurde Syrien und Palästina bald durch den Kalifen Omar der Herrschaft der Araber unterworfen. Es verblieb den Mohammedanern bis zur Zeit der Kreuzzüge, deren erster zur Gründung des christlichen Königreiches Jerusalem führte, welchem im Jahre 1187 Saladin ein Ende bereitete.
Die späteren Kreuzzüge vermochten den weiteren Zerfall der christlichen Herrschaft in Palästina nicht zu hindern. Im Jahre 1291 fiel mit Tyrus und Acco das letzte Bollwerk der Christen in die Hände der ägyptischen Sultane. Im J. 1516 vernichtete Sultan Selim I. die Herrschaft der Mameluken und machte Syrien und Palästina zur türkischen Provinz, … (Kirchenlexikon, Bd. 9, Sp. 1291 – Sp. 1292) –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 9, 1895