Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Sara
Sara, im Alten Testament
1. die Gemahlin des Patriarchen Abraham, war zugleich dessen Halbschwester, vom nämlichen Vater und einer andern Mutter geboren (Gen. 20,12). Die Annahme der Juden, sie sei identisch mit Jescha, der Tochter Arans (Gen. 11,29), wird zwar von manchen christlichen Exegeten geteilt, ist aber mit der ausdrücklichen Angabe der heiligen Schrift nicht zu vereinigen. Sie hieß früher Saraj, „Liebling“ (?), ward aber auf Gottes Anordnung später Sara, „Fürstin“ genannt, weil ihre Stellung als Angehörige einer Familie später sich zu der universellen Stellung einer Völkermutter und Ahnfrau des Erlösers erweiterte. An Adel der Gesinnung, Klarheit des Geistes und Entschiedenheit des Charakters war Sara ihres Gemahls würdig; wie sehr sie diesem gegenüber ihre Stellung erkannte, hebt der hl. Petrus (1.Petr. 3,6; vgl. Gen. 18,12) gebührend hervor. Wie Abraham ward auch Sara mannigfach im Glauben geprüft und vorbereitet, ehe sie die Gnaden-Erweisungen Gottes, welche ihr zugedacht waren, erfüllt sehen konnte. Mit ihrem Mann musste sie zuerst das Opfer des Gehorsams bringen, welches in der Lossagung von allem Angestammten und Liebgewordenen bestand (Gen. 12,5), und blieb für lange Jahre die Gefährtin auf seinen mühsamen Wanderungen. In Ägypten ward sie, weil sie für unverheiratet gehalten wurde, ihrem Mann genommen und in den Harem des Pharao gebracht; allein ihr Entschluss, die eheliche Treue zu bewahren, stand so fest, daß Gott selbst wunderbarer Weise für die Bewahrung ihrer Reinheit eintrat (Gen. 12,14-20). Die härteste Prüfung aber war ihr, daß sie bis in ihr 90. Jahr kinderlos blieb, obwohl sie schon zu Ur in Chaldäa des göttlichen Versprechens kundig geworden war, daß Abraham zu einem großen Volk werden sollte.
In der demütigen Meinung, daß sie für die Erfüllung dieser Zusage ein Hindernis sein könne, verstand sie sich zu einer Selbstverleugnung, welche bei ihrem Geschlecht ohne Gleichen ist; sie vermählte ihrem Mann ihre leibeigene Magd, um nach dem damals bestehenden Recht Kinder zu erhalten, welche sie die ihrigen nennen konnte. Eine solche Demut nahm ihr indes nicht den Adel und die Festigkeit ihres Charakters; als die Magd, weil sie sich Mutter fühlte, sich ungebührlich erhob, wusste sie derselben ihre Stellung wieder zum Bewusstsein zu bringen, so daß sie floh und erst auf die Mahnung des Engels gebessert zurückkehrte.
Zum Lohn für ihre Selbstverleugnung kündigte später Gott selbst in wunderbarer Erscheinung ihr an, daß sie in einem Jahr Mutter eines Sohnes sein werde. Damals war sie nach dem natürlichen Lauf der Dinge der Empfängnis nicht mehr fähig, und die über alle Erwartung freudige Ankündigung rief deswegen ganz gemischte Empfindungen in ihr hervor; sie lachte, weil sie sich so gern der Freude geöffnet hatte, auf die zu hoffen ihr doch so töricht erschien. Von Gott ward sie deswegen liebevoll zurechtgewiesen und musste nun noch einmal einer Prüfung unterzogen werden, welche ihren Glauben und ihr Vertrauen auf Gottes Schutz zur Vollkommenheit bringen sollte. Abermals ward sie, als Abraham im Süden nomadisierte, ihrem Mann genommen und in den Harem des Philisterkönigs Abimelech gebracht, ein Beweis, daß ihre äußere Erscheinung bis ins Alter hinein eine wahrhaft fürstliche war. Aber auch diesmal bewirkte ihre über alle Untreue erhabene Gesinnung, daß Gott selbst für sie eintrat und sie wieder mit ihrem Gemahl vereinigte.
Nunmehr erhob sie sich starkmütig zum Glauben an Gottes Verheißung (Hebr. 11,11), und nun ward ihr in ihrem 90. Jahr der Sohn geschenkt, der zum Andenken an eine alle Erwartung übersteigende Gnadentat Gottes den Namen Isaak erhielt. Auf die Erziehung des spät geborenen Sohnes war jetzt Sara mit aller Sorgfalt bedacht, deren ihr edler Charakter fähig war, und als nach drei Jahren bei dessen Entwöhnung der damals 13-jährige Ismael sowohl für die künftige Stellung als für die sittliche Ausbildung Isaaks gefährlich erschien, ruhte sie nicht, bis derselbe samt seiner ägyptischen Mutter von der Familie geschieden wurde (Gen. 21,8-14). Noch 34 Jahre durfte sie dann des einzigen Sohnes sich freuen, und welche Liebe und Treue sie ihm bewiesen hatte, zeigte sich in Isaaks Wehmut über ihren Tod, die nur durch Rebekka gemildert werden konnte (Gen. 24,67). Für ihr Begräbnis kaufte Abraham zu Hebron den Acker mit der doppelten Höhle, und hier ruhte ihr Leib als Unterpfand des Eigentumsrechts an Kanaan, das Gott den nachkommen ihres Sohnes zugesprochen hatte. –
2. die Tochter Raguels und Gemahlin des jüngeren Tobias.
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 10, 1897, Sp. 1696 – Sp. 1697