Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Monismus
Monismus. I. Begriff. Der Name Monismus stammt von Christian von Wolff, ist durch die Schule Hegels in allgemeinen Gebrauch gekommen (Goeschel, 1832) und von Haeckel übernommen worden. Monismus bezeichnet die Weltanschauung, die als Grund des Wirklichen nur ein Prinzip annimmt, das den Charakter der Absolutheit an sich trägt (Gegensatz. Dualismus, Polytheismus). Entweder soll damit lediglich behauptet werden, daß es nur eine höchste Wirkursache alles Wirklichen gebe (in diesem weiteren Sinn aufgefaßt, könnte man auch die christlichen Schöpfungs- und Gotteslehre als Monismus bezeichnen), oder aber – und das ist der eigentliche Sinn jenes Satzes – es will damit die Wesenseinheit von Welt und Weltgrund ausgesprochen werden (Alleinslehre), die Einheit des Psychischen und Physischen, die nur als Erscheinungsweisen verschieden, dem Wesen nach aber eins sind (Identitätslehre, Parallelismuslehre): die Folge ist zugleich eine monistische Erklärung des Menschen.
Die Formel des Monismus lautet: Alles ist wesenseins, und dieses Wesenseine ist Selbstursache seines Seins (causa sui), ist also absolut, Gott. Im Universum selbst liegt der Grund seines Seins, seiner Existenz, seines Fortschrittes. Sachlich fällt der Pantheismus mit dem Monismus zusammen; beide unterscheiden sich durch ihren Ausgangspunkt: jener geht von der Idee Gottes aus, der Monismus von der Natur, der er z.T. die Attribute Gottes verleiht. Der Monismus ist also Immanenzlehre (Gott ist der Welt immanent) gegenüber der Transzendenzlehre des Deismus und des Theismus bzw. des Christentums. Er besagt im Gegensatz zur christlichen Schöpfungslehre wesentlich Evolution des göttlichen Wesens oder seine Emanation, Selbstentfaltung, durch die es sich zum Anderssein der Natur und Welt entwickelt. Er ist theologisch Unpersönlichkeits-Lehre gegenüber der christlichen Lehre von der Persönlichkeit (bzw. Dreipersönlichkeit) Gottes. Gemeinsam sind dem Monismus mit dem christlichen Monotheismus die Sätze: das absolute Wesen muss Eines sein; die Einheit ist methodologisches Grundprinzip der Welterklärung; es gibt eine Immanenz Gottes. In der Erklärung des Sinnes und der Tragweite dieser Sätze weichen sie gänzlich voneinander ab. Daraus ergibt sich, daß der Monotheismus und der Monismus zur gemeinsamen psychologischen Grundlage den Einheitstrieb unseres Geistes haben, der danach strebt, die verwirrende Vielheit der Erscheinungen auf einfache Grundformen, Prinzipien, zuletzt auf einen einheitlichen Grund zurück zu führen, soweit die gegebene Wirklichkeit hierzu berechtigt, in der Mannigfaltigkeit des Werdens und Vergehens den einheitlichenUrsprung und das einheitliche Ziel zu finden.
II. Der volle Sinn des Monismus wird klar aus seinen verschiedenen Verzweigungen.
1) Erkenntnistheoretisch bedeutet der Monismus als Aufhebung aller Gegensätze im All-Einen a) die Identität von sein und Bewusstsein, innerer und äußerer Welt, Sinneserkenntnis und Gedanke, sei es in dem Sinn, daß die Inhalte des Denkens nur im Bewusstsein wirklich sind (esse=percipi) oder zusamt meinem Bewusstsein in ein abstraktes, über individuelles Bewusstsein aufgenommen sind (erkenntnis-theoretischer Monismus), oder zugleich ontologisch gefaßt, daß Denken und Sein, Geist und Natur , Subjekt und Objekt nur verschiedene Erscheinungsformen des einen Absoluten sind. Wer nur eine wahre Substanz zugibt, muss mit Fichte, Hegel u.a. die äußere Welt in bloße Erscheinung auflösen (Phänomenismus). b) Auf materialistischer Basis entsteht daraus Sensualismus (Denken=Bewegung; Seele=Gehirn) oder eine biologische aufgefaßte Erkenntnislehre. c) Die Theorie der Immanenz.
2) auf psychologischem Gebiet ergeben sich als Folgerungen des Monismus die Leugnung der wesenhaften Individualität der Seelensubstanz, ja geradezu die Ausmerzung der Seelensubstanz zu Gunsten der Aktualitäts-Psychologie, die Aufhebung des realen Unterschiedes der Seelenvermögen und der Versuch, sie auf eine psychische Grundform zurück zu führen. Da ferner auf dieser Grundlage das Seelenleben nur ein Moment in dem naturgesetzlichen Entwicklungs-Prozess des absoluten All-Einen bedeutet, so ergibt sich als weitere Konsequenz die Leugnung der individuellen Willensfreiheit (also der Determinismus: die absolute Einheit ist auch absolute Notwendigkeit), und zugleich der Gegensatz von Natur und Geist metaphysisch aufgehoben ist, so kann auch nicht von einem Wechselverhältnis von Leib und Seele die Rede sein, sondern nur von einem Parallelverhältnis (psychophysischer Parallelismus). –
3) In der Naturphilosophie schließt der Monismus die Identität von Welt und Weltprinzip und die Immanenz Gottes in der Welt in sich. Seine Welterklärung ist demgemäß naturalistisch oder spiritualistisch (Allbeseelungs-Lehre). Die weitere Folge ist die Verneinung der Wesensunterschiede zwischen Anorganischem und Organischem, Pflanze und Tier, Tier und Mensch. –
4) Die Ethik des Monismus kann nicht auf einen außermenschlichen und übernatürlichen Verpflichtungs-Grund aufgebaut werden; sie kann kein sog. „heteronomes“ Sittlichkeits-Prinzip und -Ziel zugeben, sondern muss auf die „Autonomie“ gestellt werden. Das Sittliche wird offenbar durch einen immanenten Sittlichkeits-Sinn oder durch die sittlichen Anschauungen der Menschen, wie sie in der Sittengeschichte vorliegen, oder durch die (biologische) Evolution der sittlichen Idee (ethischer Relativismus). –
5) Die Religion wird wesentlich zum Erfahren und Innewerden des göttlichen Urwesens in uns selbst, zum Selbstbewusstsein Gottes in uns, zur bewußten Ineinsbildung mit dem Allwesen im Grunde des Gefühls. Der materialistische Monismus bedeutet den religiösen Atheismus. –
Geschichtliche Formen des Monismus
Materialistischer Monismus
III. Die geschichtlichen Formen des Monismus sind zahlreich. Hauptformen sind:
1) der materialistische oder naturalistische Monismus behauptet, zum Teil unter Berufung auf das Gesetz von der Erhaltung der Stoffes und der Kraft: Alles ist Stoff oder Kraft bzw. Energie, Bewegung und wird zur Vielheilt der Erscheinungsdinge durch den Mechanismus irgendwelcher Bewegungs-Formen, Umwandlungen des Stoffes oder der Energie-Formen. Die Natur ist nicht aus dem Geist, sondern der Geist aus der Natur abzuleiten. Es gibt nur Kausalität, nicht Teleologie. Dabei kann der Urstoff, die Materie als der „schaffende Gott“ und Urgrund des Seins durchaus pluralistisch gefaßt sein (Atomistik, Haeckel), wodurch dann freilich die philosophischen Schwierigkeiten für diesen Schein-Monismus sich verschärfen. Der materialistische Monismus als mechanischer, dynamischer, energetischer, hylozoistischer Monismus geschichtlich aufgetreten. Ihn vertraten die alten Naturphilosophen Thales (Wasser), Anaximenes (Luft), Anaximander (unbestimmter Urstoff), Heraklit (Feuer als Urkraft). Die Atomistiker (Leukipp, Demokrit, Epikur, Lukretius) lehrten den Monismus der Stoffidentität homogener qualitätsloser Atommassen, die durch mechanische Prozesse die Vielheit der Dinge begründen. Die Stoiker griffen zurück auf die logische Urkraft des Heraklit. Der naturalistische und der mechanische Monismus der Neuzeit knüpft an die Umwälzungen in der Naturerkenntnis (kopernikanisches Weltsystem, Bewegungsgesetze, Einheit des Kosmos) an, so besonders Giordano Bruno sowie die von Galilei und Descartes ausgehende mechanische Naturerklärung. Von hier ging Spinoza aus, der als führender Philosoph des Monismus anzusehen ist. Ihm ist die Natur das All, die unendliche Substanz, die als natura naturans Gott, als natura naturata die Welt ist und 2 Attribute, Denken und Ausdehnung, hat, also als Geist und Materie erscheint. Der englische Materialismus knüpft sich an die Namen John Toland, Hobbes, Robert Hooke u.a., der französische an die Namen Lamettrie (L´homme machine, Paris 1748), Diderot (Pensée philos., Haag 1746; Pensées sur l`interprétation de la nature, London 1754), Holbach (Système de la nature, 2 Bde, 1770), daneben der ethische Materialismus an d`Alembert, Helvétius u.a. In Deutschland wurde der materialistische Monismus eingeleitet von dem Hegel-Schüler L. A. Feuerbach; ihm folgten C. Vogt (Köhlerglaube und Wissenschaft, 1855), J. Moleschott (Der Kreislauf des Lebens, 2 Bde, 1875/86), L. Büchner (Kraft und Stoff, 1904).
Eine starke Stütze fand dieser neuzeitliche materialistische Monismus an der Darwinschen Entwicklungslehre und der sog. Kant-Laplaceschen Theorie von der Entwicklung des Himmels und der Erde, die sofort in diesem Sinne gedeutet wurde. Von da ist auch der lauteste Verkündiger des neuzeitlichen naturalistischen, speziell des biologischen Monismus, Haeckel, ausgegangen. Gott und Welt, Geist und Materie, Denken und Ausdehnung sind die eine Substanz, in deren Bestimmung Haeckel schwankt; bald sind ihre Attribute Materie und Energie, bald Stoff, Kraft Empfindung. Die Hauptbestandteile der Substanz sind Masse und Äther. Haeckels Monismus ist naturalistisch, ein Gemisch von Lehren des Spinoza, des Giordano Bruno und Darwinscher Evolutionslehre. Ein großer Teil der neuzeitlichen Naturforscher steht auf monistischem Boden. Mit Haeckel sind verwandt C. Sterne, Bölsche, Forel und viele andere. Endlich ist auch die energetische Theorie von W. Ostwald hierher zu rechnen und der psychologische Monismus von Alfr. Spir, J. J. Gourd, Lavelle, Ardigò u.a. Aus diesem materialistischen Monismus erwuchs dann der ökonomische Determinismus (materialistische Geschichtstheorie).
Pantheistischer Monismus
2. Der idealistische und pantheistische Monismus faßt das Urwesen als geistig, unendlich, absolut. Gott ist der Welt immanent, Gott und Welt sind ganz oder teilweise identisch. Dies ist die folgerichtige Form des Monismus, da das Grundprinzip seinem Wesen nach einheitlich und der Zahl nach als eins gedacht ist.
A. Emanations-Monismus: Dazu gehört a) der indische Pantheismus. Nach ihm ist Ursache und Wirkung identisch in Brahma, dem Urgrund der Welt. Die Welt ist „Maja“, Schein, Täuschung, ein Spiegelbild im Geist Brahmas. Dieser ist der Namenlose, Unbegreifliche, aus dem die Götter emanieren (Brahmanismus). b) Emanatistisch ist der Neuplatonismus (der im übrigen die Transzendenz festhält): Aus dem Einen emanieren die Ideen (…), als letzte Emanation aus dieser das sinnliche. Es erfolgt Rückkehr ins Göttliche, Ureine. c) der evolutionistische Monismus (s. o.) sieht das Universum als Gegenstand eines Transformations-Prozesses zu immer größerer Vollkommenheit. –
B. Abstrakter, panlogischer Monismus auf intellektualistischer Grundlage: Ihm huldigten a) die Eleaten: Vielheit, Werden, Bewegung, Raum und Zeit sind ihnen Schein. Nur das Eine ist. Bei Xenophanes (theologischer Monismus) ist dieses die eine allumfassende Gottheit, deren Bestimmungen aus dem Seinsbegriff abgeleitet werden (ungeworden, unvergänglich, unveränderlich). Die eine Gottheit ist zugleich die Welt. Bei Parmenides (ontologischer Monismus) gilt als Hauptsatz: Sein ist alles. Das Nichtsein ist nicht; es gibt kein Werden, keinen Wechsel, keine Vielheit. b) In der Neuzeit trat ein abstrakter rationalistischer Monismus mit evolutionistischem Einschlag auf Grund deduktiver Methode und reiner Dialektik auf den Plan, konstruiert aus dem Begriff des Seins oder des Ich: das Sein ist zugleich die absolute Entwicklung, so Fichte (das absolute Ich), Schelling (die Indifferenz der Gegensätze), Hegel (das Absolute im dialektischen Selbstentwicklungs-Prozess). –
C. Den konkreten Monismus auf voluntaristischer Grundlage vertreten Schopenhauer (der Allwille), E. v. Hartmann (das Unbewußte) und A. Drews.
Widersprüche in den Formen des Monismus
IV. Die Bekämpfung des Monismus hat von folgenden allgemeinen Gesichtspunkten auszugehen:
1. Logische Widersprüche im Monismus:
a) Das absolut leere, abstrakte Sein soll durch Selbstposition und Entwicklung zu allem Wirklichen werden (Möglichkeit Grund der Wirklichkeit; Verwechslung der logischen und metaphysischen Ordnung). b) Aufhebung des Gesetzes des Widerspruchs durch die behauptete Identität aller Gegensätze im Absoluten; das Unbedingte zugleich bedingt, das Unendliche und Unveränderliche zugleich endlich und veränderlich. c) Aufhebung des Kausalgesetzes: das Unbewußte soll zum Bewußten werden, aus dem Unbelebten soll das Leben, aus dem Unvernünftigen die Vernunft hervor gehen (gegen den materialistischen Monismus). d) Verwechslung der Nicht-Inhärenz mit absoluter Independenz, der Inseität mit der Aseität bei Bildung des Substanzbegriffs. e) Aufhebung der Relation, die ohne realunterschiedene Beziehungsglieder keine Bedeutung hat. –
2. Theologisch: Unmöglichkeit der absoluten (willenlosen) Idee, in die Wirklichkeit überzugehen bzw. sie zu „schaffen“. Unmöglichkeit für den (vernunftlosen, unbewußten) absoluten Urwillen, zu sinnvollen Gestaltungen, Zielstrebigkeit, Zweckmäßigkeit, gedankenvoller Ordnung zu kommen. Beides verlangt ein persönliches Urwesen. –
3. Widersprüche mit den Tatsachen:
a) Keine Erklärung für die Tatsache der selbstständigen Individualität und das individuelle unmittelbar gewisse Selbstbewusstsein, die zu Gunsten eines fragwürdigen Allgemein-Bewusstsein unterdrückt werden. Innere und äußere Erfahrung führt nicht zum Substanz-Monismus, sondern zur Substanz-Vielheit. b) Keine Erklärung für die tatsächlichen und unmittelbar gegebenen Gegensätze von Denken und Sein, Subjekt und Objekt, Körper und Geist, Unbelebtes und Leben, für die Tatsache des Gegensatzes zwischen physischen Tatsachen und denen der sinnlichen und der intellektuellen Erkenntnis. c) Unerklärlich bleiben Freiheits-, Verantwortlichkeits- (Gewissen), Pflicht- und Schuldbewusstsein. d) Die Unvereinbarkeit der Parallelismuslehre (= Zweiseiten-Theorie) mit den Tatsachen des Seelenlebens, ob sie nun im subjektiven oder objektiven Sinn aufgefaßt werde; sie führt entweder zum Panpsychismus oder zur Maschinentheorie und erklärt nichts; denn für die behauptete genaue Entsprechnung zwischen Psychischem und Physischem bei völlig getrennter Gesetzmäßigkeit fehlt jeder Grund im Absoluten. –
4. Gegen den materialistischen Monismus sprechen besonders:
a) Unendlich viele Atome = unendlich viele Urgründe, aktual unendliche Vielheit. b) Keine Erklärung für den Ursprung der Atome, Anfang und Richtung der Bewegung und Entwicklung. c) Gesetz der Entropie! Das Ende der wirklichen Weltordnung setzt ihren Anfang voraus; doch ist dieser Beweis nicht zwingend. d) Atome unbedingt, absolut und doch zugleich aufeinander hingeordnet, also relativ. e) Der unendliche leere Raum neben den unendlichen Atomen! f) Keine Erklärung für Teleologie (Zielstrebigkeit und Zweckmäßigkeit), für die Gesetzmäßigkeit des Naturlaufs, für sinnvolle Gestaltung der Naturformen. g) Unerklärlich bleibt das Leben und sein Ursprung, da eine generatio aequivoca ausgeschlossen ist. h) Keine Erklärung des Geistes und seiner Ideale der Wahrheit, Heiligkeit (Sitte und Recht), Schönheit. i) Keine Begründung des sittlichen Lebens; erkenntnis-theoretischer Sensualismus und Agnostizismus, höchst bedenkliche Konsequenzen auf ethischem, rechtlichem, sozialem Gebiet. –
5. Gegen den pantheistischen Monismus besonders ist zu sagen: a) Gott wird verendlicht und hat teil an den Unvollkommenheiten und Übeln der Welt. b) Pantheismus führt zum Atheismus, da nicht ersichtlich, warum die Allnatur auch noch als Gott aufgefaßt werden müsste. Sie ist eben nur die Summe der Weltdinge. c) Mit dem Abgang der Willensfreiheit in der Notwendigkeit der Evolution des Absoluten wird eine haltbare Begründung der Sittlichkeit unmöglich, das Gewissen unerklärlich, Pflicht zum leeren Wort. d) Unerklärlichkeit der Natur (Agnostizismus, Phänomenismus). –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VII, 1935, Sp. 278 – Sp. 281