Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Holbach
Holbach, Paul Hch. Dietrich Baron v., Freigeist, Freund Diderots, * 1723 zu Heidelsheim (Pfalz), † 21.1. 1789 zu Paris. Sein philosophisches Programm war Entgeistung der Natur, Kampf gegen Christentum und Religion als den Grund aller Übel: kein Gott, kein Geist, keine Unsterblichkeit, keine Freiheit. Alles ist nur ewige Materie (Atome), Wirksamkeit allgemeiner Naturkräfte. Die Sittlichkeit hat ihr Prinzip und ihre Quelle im physischen Selbsterhaltungstrieb. Holbach mischt den Materialismus des Lamettrie, den Sensualismus des Condillac zusammen mit Determinismus und erklärtem Atheismus. Er hat die logischen Folgerungen aus den Theorien der Enzyklopädisten gezogen. Seine Angriffe gegen das Staatsregiment sind Vorläufer der Revolution geworden. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, Sp. 113
Holbach , Paul Thyry (Dietrich) Baron von, der „Mäcen“ der Enzyklopädie (…), seit frühester Kindheit zu Paris erzogen, lebte und wirkte für die Interessen des Enzyklopädismus bis zu seinem Tode, 21. Januar 1789. Sein Haus war für Jahrzehnte das Zentrum der spezifisch antichristlichen Agitation, welche von den Enzyklopädisten unterhalten wurde, ein ständiger Vereinigungspunkt für die Führer derselben, wie Diderot, d`Alembert, Grimm, Buffon, J. J. Rousseau, Naigeon… Die von Naigeon viel gerühmte „Geistreichigkeit“ Holbachs artete bisweilen in solche Rohheit aus, daß er z.B. die strenge Redlichkeit des besten Financiers seiner Zeit, Turgot, als eines Mannes, der „tapfer seinen Karren gezogen, aber dabei die Schmierbüchse vergessen habe“, verhöhnen konnte. Von der „beständigen Heiterkeit seiner Seele“ wußte besonders J. J. Rousseau (Confess. 1. 8) zu erzählen, den die brutalsten Ausfälle Holbachs zwangen, die enzyklopädische Tafelrunde, die sogenannte Sonntags-Gesellschaften, zu meiden. Sogar Diderot glaubt diese Beschimpfungen entschuldigen zu sollen: „Man muss ihm einen Ton zu gute halten, den er gegen jedermann anschlägt, und unter dem seine Freunde am meisten zu leiden haben.“ Wenn der vorsichtige d`Alembert sich dieser enzyklopädischen Disziplin mehr und mehr entzog, Buffon die Tafelrunde bald ganz mied, J. J. Rousseau offen mit ihr brach, so erklärt sich das ebenso leicht, wie daß Diderot, Naigeon, Condorcet sich in ihr wohl fühlten… Wenn Marmontel (Mémoires 1. 7) versichert, die Namen „Gott“, „Tugend“, „die heiligen Gesetze der Moral“ seien in seiner Gegenwart wenigstens nie ausgesprochen worden; (…), so dürfen wir Holbachs sozialen Einfluß als den eines halb geistreichen, halb brutalen Epikureismus bezeichnen, der, wie Holbachs meist klandestine (Anm.: geheime, heimliche) literarische Tätigkeit bis zum Übermaß dartut, vom rohesten Haß gegen alles Christliche inspiriert war.
Zur Charakteristik dieser Schriften sei bemerkt, daß Holbach im Anschluß an die englischen Deisten, aber mit rücksichtsloserer Dreistigkeit alle Religionen, vorab das Christentum, als schädliche und zum Teil schändliche Vorurteile, als Trug priesterlichen Eigennutzes, als Verderben für Moral und Völkerglück, als das größte Hindernis für das Menschenglück überhaupt bekämpft und ihre Vernichtung verlangt.
Für Holbach ist Alles schlechthin „Materie“, Alles die Wirkung einer blinden „Notwendigkeit“, dieses „Gottes der Dummköpfe“, wie Friedrich II. sagte. An Stelle „Gottes“, einer Erfindung der „Theologen“, tritt die „Natur“, d. h. „der Inbegriff aller (bewußten und unbewußten) Wesen und ihrer verschiedenen Bewegungen“.
Alles soziale, politische und religiöse Elend stammt (…) aus der Missachtung der „Natur“ und ihrer Gesetze; das größte Unglück ist die Phantasie, der Betrug, der Aberwitz der Religion, d. h. die Anerkennung eines höchsten Wesens; die Pest der Menschheit ist die Priesterkaste und ihr System der gemeinen Selbstsucht, der Heuchelei und aller Verbrechen. Die Erlösung liegt in der Rückkehr zur „Natur“, d. h. zum Materialismus und Atheismus. Die Religion macht Feiglinge und Schurken, Tyrannen und Sklaven; sie unterdrückt das Gute durch Widernatur, ist die Quelle aller Verbrechen. Der Atheismus ist die Schule der Sittlichkeit und Tugend, und Holbach sein „Interpret“.
Wahr bleiben auch heute noch die Worte des Generaladvokaten Séguir bei Begründung des Parlamentsbeschlusses, nach welchem das Buch (Anm.: Catéchisme de la nature) durch Henkershand (18. August 1770) verbrannt werden sollte: „Die Gottlosigkeit dieser vermeintlichen Philosophie wird auch nach dem Sturz der Welt in die Anarchie und in alle von ihr unzertrennlichen Leiden nicht zur Ruhe kommen.“ (Vgl. Avezac Lavigne, Diderot et la société du baron Holbach, Paris 1875) –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 6, 1889, Sp. 176 – Sp. 180