Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Sensualismus
Sensualismus, gemeinsame Bezeichnung für psychologische und philosophische Richtungen, die dem sinnlichen Erleben eine gewisse Vorzugsstellung einräumen.
1) In der Psychologie kommen 2 Arten vor: a) der deskriptiv-psychologische Sensualismus, auch Sensimus genannt; er beschreibt entweder (in radikaler Form) alle psychischen Phänomene als Empfindungen bzw. Vorstellungen und alle psychologischen Vorgänge als Reproduktionen (Assoziations-Psychologie, besonders Hobbes, J. St. Mill, Spencer, Herbart, die vorherrschende Richtung der neueren Psychologie; Gegner: Denkpsychologie, Aktpsychologie, Phänomenologie, Irrationalismus) oder er sieht (in gemäßigter Form) wenigstens alle gegenständlichen Erfassungs-Erlebnisse als sinnlich an (Verkennung der Eigennatur des Denkens). b) Der genetisch-psychologischen Sensualismus (= Sensualismus in engerem Sinne) will alle psychologischen Erscheinungen, auch wenn sie nicht sinnlich beschrieben werden, ihrem Entstehen nach auf Empfindungen zurückführen (Stoiker, Condillac).
2) In der Erkenntnislehre tritt der Sensualismus bei 2 Problemen auf: a) Auf die Frage nach den Erkenntnis-Quellen gibt der Sensualismus (als besondere Form des Empirismus) eine Antwort, die in einer erkenntnis-theoretischen Anwendung des genetisch-psychologischen Sensualismus besteht. b) Bezüglich der Erkenntnis-Gegenstände beschränkt ein Sensualismus die Erkenntnis auf die sinnlich erfahrbaren Objekte (positivistischer Empirismus, Agnostizismus). 3) In der Ethik wird der Hedonismus (im engeren Sinne), der , meist in der Form des Utilitarismus, das sittliche Ziel in der sinnlichen Lust erblickt, auch als Sensualismus bezeichnet (Kyrenaiker, einige Anhänger Epikurs, die Vertreter des Materialismus). Durch hedonistische Zielsetzung in der Pädagogik ergibt sich ein pädagogischer Sensualismus. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IX, 1937, Sp. 477