Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Vandalen
Vandalen, ostgermanische Völkergruppe, die ihre Wanderungen von Jütland bis nach Spanien und Nordwestafrika ausdehnte. Zur Zeit des Plinius und Tacitus zwischen zwischen Weichsel und Oder angesiedelt (Heiligtum des Teilstammes der Silingen auf dem Silingberg in Schlesien), überschritten sie zur Zeit der Markomannenkriege die Karpaten, saßen in Dacien und Pannonien und zogen nach vergeblichen Angriffen auf das gotische Siebenbürgen, angeblich begünstigt von ihrem Stammesgenossen Stilicho, unter König Godegisel 406/407 nach Gallien, das sie 3 Jahre lang verheerten, und 409 nach Spanien, wo sie beständige Kämpfe mit Westgoten und Römern bestehen mussten.
Ihre eigentliche Macht begründete König Geiserich (Genserich, Gaisaric), der 428 als Herrscher über die Vandalen und die (ursprünglich iranischen) Alanen seinem Halbbruder Guntharich gefolgt war und 429 sein ganzes Volk (80000 Menschen) nach Afrika übersetzte. Geiserich war ein ungewöhnlich fähiger Fürst, der Schöpfer einer vandalischen Seemacht, ein verschlagener Politiker und damit der gefährlichste Feind des römischen Reiches im 5. Jahrhundert. Allmählich eroberte er die westliche Hälfte Nordafrikas, die ihm durch vertrag vom 11.2.435 von Kaiser Valentinian III als Vasallenstaat und 442 nach neuen Kämpfen (Eroberung Karthagos 439) als selbständiges Reich überlassen wurde. Es umfaßte seit 455 auch Korsika, Sardinien, die Balearen, Pithyusen und Teile von Sizilien.
Die Vandalen hatten wahrscheinlich in Pannonien das arianische Christentum angenommen und verfolgten die Katholiken ihres Reiches mit einer der den Germanen sonst fremden Heftigkeit, die auch auch dann bestehen bleibt, wenn an der Schilderung des Viktor von Vita (Hist. Persecutionis Africanae provinciae) kritische Abstriche anzubringen sind. Mit der Eigenart der vandalischen Landnahme (Beschlagnahme des gesamten Grundbesitzes) und den durch die Donatisten geschaffenen, den neuen Eroberern günstigen Spannungen hängt es zusammen, daß Geiserich besonders Geistliche und Adelige töten oder verbannen und ihre Güter einziehen ließ. Nur 454 bis 457 und 475-477 genossen die Katholiken aus außenpolitischen Gründen kurze Ruhe. 455 unternahm Geiserich einen Beutezug gegen Rom, das 14 Tage lang geplündert wurde, aber vielleicht dank der Verwendung Leos des Großen, von Mord und Zerstörung verschont blieb. Geiserich suchte die Zukunft seines Volkes nach glücklicher Abwehr aller Angriffe von außen durch Einführung der (germanischem Volksrecht widerstrebenden) Erbmonarchie zu sichern; doch gingen mit seinem Tod (477) die Vandalen dem Verfall, besonders auf sittlichem Gebiet, entgegen.
Sein Sohn Hunerich 477-484 hielt zuerst den von seinem Vater geschlossenen Friedensvertrag und genehmigte 481 sogar die Besetzung des lange erledigten Bischofsstuhles von Karthago durch Eugenius, entfesselte aber 482 eine sinnlos wütende Verfolgung der Katholiken. Ein auf 1.2.484 nach Karthago ausgeschriebenes Religionsgespräch bildete nur den Vorwand zu neuen Gewalttaten gegen die eingetroffenen katholischen Bischöfe; von 466 Erschienenen wurden 88 hingerichtet. Von den zahlreichen Martyrien ist jenes von Tipasa das bemerkenswerteste. Unter den Königen Gunthamund 484-496 und Thrasamund 496-523 wurden die Bedrückungen der Katholiken mit Unterbrechungen fortgesetzt. Thrasamund besonders verbannte Bischöfe nach Sardinien, darunter den hl. Fulgentius von Ruspe. Erst Hilderich 523-530 gewährte volle Religionsfreiheit. Schon 530 wurde jedoch der katholiken- und byzanz-freundliche Herrscher von seinem Vetter Gelimer abgesetzt und 533 ermordet. An der Ausführung seiner Pläne wurde Gelimer durch die Siege des byzantinischen Feldherrn Belisar bei Decinum und Trikameron verhindert, die seiner Herrschaft ein Ende bereiteten und das Vandalenreich zu einer byzantinischen Provinz machten; doch war das Christentum in Nordafrika so geschwächt, daß das Land mit Leichtigkeit eine Beute des Islam werden konnte. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. X, 1938, S. 490 – S. 491