Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Agnostizismus
Agnostizismus, 1) in der Philosophie die Anschauung, daß wir das Übersinnliche nicht erkennen können. Unsere tatsächlichen Aussagen über die hinter der Erscheinungswelt liegenden Substanzen, Kräfte und Ursachen seien nur bequeme Namen (Nominalismus) für konkrete Einzelerscheinungen, nur Impressionen, die uns Eigenschaften, Tätigkeiten und Zustände vermittelten (Sensualismus), oder apriorische, aus dem Geist stammende Zutaten zum Erfahrungsstoff (transzendentaler Idealismus). Man könne nur etwas wissen über das tatsächliche Gegebene, über die Erscheinungen (Positivismus). –
2) In der Theologie die Leugnung der Möglichkeit jedes religiösen Wissens, insbesondere der natürlichen Gotteserkenntnis und der motiva credibilitatis. Alle Religion sei Glaube, der sich stütze auf das Zeugnis der Kirche (Nominalismus), der Offenbarung (Traditionalismus), des Hl. Geistes (Mystizismus), auf die sittlichen Gefühle (Kant) oder Abhängigkeits-Gefühle (Schleiermacher) oder auf beide (Modernismus). Verworfen wurde der Agnostizismus durch das Vatikanum (Denzinger nr. 1806) und die Enzyklika Pascendi dominici gregis (Denzinger nr. 2072). Doch ist auch das Gefühl ein Weg zu Gott (Intuition), ebenso wie die mystische Gotteserfahrung. Das Wesen Gottes (quomodo sit) kann freilich nur analog erkannt werden. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. I, 1930, Sp. 142