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Irrlehren

Febronianismus

Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Febronianismus

Febronianismus, das von Justinus Febronius (Deckname des Trierer Weihbischofs Joh. Nik. v. Hontheim) in seinem Epoche machenden, unheilvollen Werk De statu ecclesiae deque legitima potestate Romani pontificis (2 Bde, Frankfurt 1763) auf gallikanischer und jansenistischer Grundlage entwickelte System betrifft die kirchliche Verfassung, besonders die päpstliche und bischöfliche Gewalt. In der Vorrede des Werkes, in der er als dessen Zweck die religiöse Wiedervereinigung der deutschen Nation bezeichnet, ruft Febronius neben dem Papst Klemens XIII., den Bischöfen der katholischen Kirche und den Doktoren der Theologie und des Kirchenrechts auch die christlichen Könige und Fürsten zur Abstellung des herrschenden absolutistisch – monarchischen Regierungssystem in der Kirche auf und verspricht, deren wahre Verfassung darzulegen und die Mittel der Reform anzugeben: die wahre Regierungsform der Kirche ist keine monarchische, die kirchliche Gewalt steht vielmehr secundum originem et virtutem der Gesamtheit der Gläubigen zu, von dieser ist sie secundum usum ihren Dienern, vor allem dem Papst, verliehen. Doch bleibt auch dieser der Gesamtheit untergeordnet (cap. 1). Der Primat ist dem Bischof von Rom nicht von Christus, sondern von Petrus und der Kirche übertragen worden, kann also auch auf einen andern Bischofssitz verlegt werden. Wesentlich kommen dem Primat nur jene Rechte zu, die zur Aufrechterhaltung der kirchlichen Einheit notwendig sind. Der Papst ist Hüter der Kanones; sein Vorrang (primus inter pares) besagt mehr eine ordnende, einigende, als eine Jurisdiktionsgewalt; nur die für jene unentbehrlichen Befugnisse sind wesentliche Rechte des Primates (c. 2).

Nachdem Febronius nun historisch zu erklären gesucht, wie die Päpste tatsächlich eine darüber hinausgehende Gewalt, besonders auch bezüglich der causae majores erlangt (c. 3 u. c .4), vertritt er die echt gallikanische Lehre, daß sowohl die päpstliche Gesetzgebung wie die Dekrete der Konzilien hinsichtlich der Disziplin nur durch und nach Verkündigung und Annahme von Seiten der Einzelkirchen verpflichtende Kraft erhalten (c. 5). Allgemeine Konzilien sind für die Kirche absolut notwendig und stehen über dem Papst. Sie bedürfen weder der Berufung noch der Bestätigung durch den letzteren; die Appellation vom Papst an das allgemeine Konzil besteht zu Recht (c. 6). Die Bischöfe haben kraft göttlicher Einsetzung alle gleiches Recht; eine ordentliche Bischofsgewalt außerhalb des römischen Bistums kommt dem Papst nicht zu; die bestehenden Reservationen widersprechen dem ursprünglichen kirchlichen Recht, ebenso alle Exemtionen (c. 7). Mittel, der namentlich durch die pseudo-isidorischen Dekretalen (c. 8) zu Gunsten Roms geknechteten Kirche die Freiheit wieder zu geben, sind: Aufklärung des Volkes, namentlich der Bischöfe und Staatsmänner, über die eigentliche Rechtssphäre des römischen Papstes, ein freies allgemeines Konzil, Nationalkonzilien, einträchtiges Vorgehen der christlichen Fürsten hauptsächlich Deutschlands, Frankreichs und Spaniens im Verein mit den Bischöfen gegenüber der römischen Kurie, besonders durch Handhabung des Placet, passive Resistenz und Anrufung der weltlichen Gewalt durch appellatio ab abusu (c. 9).

Diese Grundsätze kamen der staatskirchlichen Praxis des absoluten Staates entgegen und fanden in weiten Kreisen freudige Aufnahme und Befolgung. Die Kirchenpolitik in Portugal und in italienischen Staaten, der Emser Kongress, der Josephinismus, die verschiedenen „Reform“-Versuche in Deutschland (Wessenberg) bewegten sich in ihrem Fahrwasser. Von Klemens XIII. wurden sie sofort (27.2.1764) und auf Betreiben Roms auch von 10 deutschen Bischöfen verurteilt. Vollkommen abgetan erscheinen sie, seitdem das Vatikanum (Sess. III de ecclesia, c. 3) die potestas jurisdictionis ordinaria immediata des römischen Papstes über die ganze Kirche definiert hat. In der theologischen Kontroverse gegen und für Febronius traten unter ca. 30 Autoren besonders Ballerini, Zaccaria, Mamachi und Gerdil als dessen erfolgreiche Gegner hervor. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. III, 1931, S. 974-976

Tags: Liberalismus
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