Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Exemtion
Exemtion (exemtio) ist die Befreiung eines Untergebenen von der Jurisdiktions-Gewalt des (oder der) nächsten ordentlichen kirchlichen Vorgesetzten bei unmittelbarer Unterordnung unter die Gewalt eines höheren Vorgesetzten. So sind vielfach Bischöfe (…) nicht einem Metropoliten, sondern unmittelbar dem Hl. Stuhl unterstellt. Naturgemäß kann es keine Exemtion von der höchsten Jurisdiktions-Gewalt, der des Papstes, geben. Die größte Rolle spielen die Exemtionen der Klöster vom Bistumsverband. – Mit Rücksicht auf die rechtliche Entstehung unterscheidet man eine Exemtion dativa, beruhend auf Privileg oder Gesetz. Exemtion praescriptiva, beruhend auf Ersitzung der Exemtion. Exemtion nativa, beruhend auf der Tatsache, daß der Exemte älter ist als das übergeordnete kirchliche Amt und bei Errichtung des letzteren die Unterordnung unterblieb. Gegenständlich kann man von einer persönlichen lokalen (realen) und gemischten Exemtion sprechen. Rücksichtlich des Umfangs unterscheidet man Exemtionpassiva, wenn bloß dem Ordinarius die Vornahme von Jurisdiktions-Akten an dem Exemten untersagt ist; Exemtion activa, wenn außerdem dem Obern der Exemten Jurisdiktions-Akte dem Bischof zustehen, was sine oder cum terrtorio eparato stattfindet, je nachdem er im betreffenden Gebiet nur einige oder (wie z.B. der Abt v. Martinsberg in Ungarn) alle bischöflichen Jurisdiktions-Akte ausüben kann, so daß in letzterem Fall das Gebiet von der Diözese getrennt erscheint (Praelatus nullius).
Die Exemtion wurde seit dem 7. Jahrhundert Klöstern (die erste dem Kloster Bobbio 628; jedoch Anfänge der Exemtion … in Afrika schon Anfang des 6. Jahrhunderts) zum Schutz gegen Eingriffe von Bischöfen zugestanden, besonders häufig den Cluniazensern zur Erleichterung der Ordensreform, und war seit dem 12. Jahrhundert die Regel. Aber auch andere Korporationen, z.B. Dom- und Kollegiatstifte und Pfarreien, erlangten sie. Wegen der berechtigten Beschwerden der Bischöfe, deren Gewalt ob der unzähligen Exemtionen gering war, wurden die Exemtionen auf dem Konzil von Konstanz (Sess. 43, c. 1) und dem 5. Laterankonzil (Sess. 10), ausgiebig aber erst auf dem Konzil von Trient eingeschränkt.
Grundsätze über die Exemten religiöser Genossenschaften von der bischöflichen Jurisdiktion enthält CIC can. 615 bis 618. Danach erfreuen sich nur die Mitglieder religiöser Genossenschaften mit feierlichen Gelübden samt Novizen, Kirche und Häusern der Exemtion, jedoch ist die Einflußnahme des Bischofs auch auf andere religiöse Genossenschaften gesetzlich eingeschränkt. Von der pfarrlichen Jurisdiktion sind exemt die Seminarien (ausgenommen die Ehesachen) und jene frommen Häuser und Familien, die vom Bischof ein Exemtion-Privilegium erlangt haben (can. 464 und 1368). Im übrigen ist der Begriff der Exemtion gesetzlich nicht umschrieben, läßt also ein Mehr-Minder zu; auch sind im CIC nicht alle Streitfragen der Exemtion gelöst. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. III, 1931, Sp. 907 – Sp. 908