Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Jesuitenmoral
Jesuitenmoral, ein hauptsächlich durch den Jansenismus eingeführtes Schlagwort. Um die Sittenlehre und Praxis des Ordens verächtlich zu machen, schrieben Ant. Arnauld sein Théologie morale des Jésuites (Paris 1643, anonym), sein Freund Pascal die Lettres à un provincial (Ges.-Ausg. Köln 1657), De Pontchateau im Verein mit Arnauld die Morale pratique des Jésuites (7 Bde, Köln u. Amsterdam 1669/95). Demselben Zweck dienten die im Auftrag des Pariser Parlaments hrsg. Extraits des assertions dangereuses et pernicieuses (Paris 1762). Von späteren Anklägern sind zu nennen: Harnack, der bei der Jesuitenmoral „die Töne der Hölle“ und noch „ganz andere Stimmen als die Gottes“ mitklingen hörte (…), Kuno Fischer (…), K. Freidr. Stäudlin, Leberecht de Wette, der dän. Protestantische Bischof Martensen, der aargauische Klosterstürmer Aug. Keller, J. Ellendorf, Joh. Huber, Fr. Nippold, K. Mirbt, J. De Récalde, P. v. Hoensbroech. Die Anklagen richten sich hauptsächlich gegen Escobar, Busenbaum, Sanchez, Castro Palao, Laymann u. Gury. Die beliebtesten Angriffspunkte: die Kasuistik, der Probabilismus, die Lehre von der Heiligung der Mittel durch den Zweck und vom geheimen Vorbehalt (Lüge). Gegenüber den Anklagen ist zunächst festzustellen, daß es eine eigene Jesuitenmoral nicht gibt, die Jesuiten vielmehr die Moral der katholischen Kirche üben und lehren. Auch sind weder die Kasuistik noch der geheime Vorbehalt noch die Absichtslenkung noch der Probabilismus Erfindung von Jesuiten (vgl. H. Boehmer, Die Jesuiten 1921). Wo die Kirche in einzelnen Fällen etwas zu beanstanden fand, was bei der ausgedehnten moraltheologischen Schriftstellerei der Jesuiten nicht zu verwundern ist, hat sie alsbald eingegriffen. So verurteilten Alexander VII 1665/66 und Innozenz XI 1679 tatsächlich einzelne laxe Lehrmeinungen von Jesuiten. … Alfons di Liguori (Lettere III 20 26f) nennt die Jesuiten „Lehrmeister der Moral“ und sagt, weil ihre Meinungen weder lax noch streng, sondern gerecht seien, halte er sich meistens daran. Im übrigen sind nicht die Krankheitsbilder einer Kasuistik der rechte Spiegel des Ordensgeistes, sondern dessen Regel, Aszetik und ganzes positives Wirken in Wort, Schrift und Tat. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1931, Sp. 334 – Sp. 335