Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Lachaise
Lachaise, Francois d`Aix de, der Beichtvater des Königs Ludwig XIV. von Frankreich, schon durch den nach ihm benannten Pariser Kirchhof weltbekannt, war das zweite von zwölf Kindern des Georg d`Aix, Lehnsherrn von La Chaise und Ritters des Ordens vom hl. Michael, zugleich Großneffe des Jesuitenpaters Cotton und Neffe eines weiteren Jesuiten, der sich als Professor in Lyon vielfach verdient machte Lachaise war am 25. August 1624 auf dem Stammschloss seiner Familie in Forez (Loire-Departement) geboren und kam, kaum zehnjährig, in das von einem seiner Ahnen gegründete Jesuitenkolleg von Roanne, vollendete nach dem zweijährigen Noviziat seine Studien in Lyon und wurde alsdann Lehrer erst der Humaniora, hierauf der Philosophie. Seine Lehrtüchtigkeit und sein liebenswürdiger Charakter erwarben ihm die Gunst des Erzbischofs und königlichenStatthalters Villeroy von Lyon. Er war bereits Provinzial seines Ordens, als Ludwig XIV. ihn 1674 nach dem Ableben des P. Ferrier zu seinem Beichtvater erkor. Dies war eine einflußreiche, zugleich aber auch eine sehr heikle Stellung, zumal für einen Mann, der bisher über 100 Stunden vom Hof entfernt gelebt hatte. Im Ränkespiel des Hofes stand Lachaise zwischen den Frauen Montespan und Maintenon, zwischen letzterer und dem König, im kirchlichen Gebiet aber zwischen den Jesuiten und Jansenisten, zwischen Bossuet und Fenelon. Notgedrungen musste er im Interesse der königlichen Hoheitsrechte einen mehr oder minder tätigen Anteil nehmen an der Erklärung der Geistlichkeit über die Freiheiten der gallikanischen Kirche (1782), an der Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685), an den Streitigkeiten über den Quietismus, an der Vermählung des Königs mit der Maintenon. Was er auch sagen und beantragen mochte, an Gegnern konnte es ihm nicht fehlen und deshalb auch nicht an verschiedener Beurteilung seiner Person. War er doch ein Jesuit und dazu der Beichtvater eines Ludwig XIV. –
Grund genug, um noch lange nach seinem Ableben mit Schmähschriften beehrt zu werden! Die Jansenisten warfen ihm vor, er schmeichle den Leidenschaften des Königs, so daß dieser Alles nur noch durch die Brille des Beichtvaters sehe, er verleihe Pfründen nur an Freunde des Jesuitenordens und habe alle an den Jansenisten verübten Gewalttaten auf dem Gewissen. Während der Anhänglichkeit Ludwigs XIV. zur Montespan zog die österliche Zeit dem Beichtvater regelmäßig Unannehmlichkeiten zu. Lachaise scheint die Erhebung der Maintenon gefördert zu haben; gleichwohl war diese ihm keineswegs hold, wie aus ihrem Briefwechsel mit dem Kardinal Noailles hervorgeht. Unbefangen dagegen beurteilten ihn nicht nur Fenelon, sondern auch die hervorragendsten „Philosophen“, namentlich Voltaire. Sie erkannten an, Lachaise sei dienstfertig und gerecht, weder rachsüchtig noch waghalsig, ein entschiedener Jesuit, frei von Leidenschaft wie von Knechtssinn. Niemals ließ sich Ludwig XIV. zur Entlassung seines Beichtvaters bewegen, im Gegenteil schenkte er demselben das umfangreiche und prächtige Landgut Mont Louis, auf dessen Stelle der oben erwähnte prächtige Gottesacker sich heute noch befindet. 80 Jahre alt und gebrechlich, bat er dringend aber vergeblich um Entlassung; er musste volle 34 Jahre Beichtvater bleiben. Lachaise hatte einen guten Cours de Philosophie abgefaßt; er war in den Altertums-Wissenschaften bewandert und galt bezüglich der Münz- und Inschriftenkunde als eine Autorität. Deshalb wurde er auch 1701 Mitglied der Akademie der Inschriften, in deren Mémoires (tom. I.) von ihm Remarques sur l`inscription d`une urne antique sich befinden. Nachdem der Greis in dem schrecklichen Winter von 1709 am 20. Januar gestorben, hielt ihm der König vor den Hofleuten eine Lobrede. Seine Schriften können wir ebenso wie die gegen ihn geschleuderten Schmähschriften, deren dickste zu Köln 1694 auch deutsch gedruckt worden ist (Leben des weltberufenen Jesuiten und französischen Beichtvaters la Chaize), mit Stillschwiegen übergehen. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 7, 1891, Sp. 1287 – Sp. 1289
Der viel Verleumdete war ein rechter Ordensmann, „wahrhaft klug, überall beleibt, ohne Falsch, am Hofe, aber nicht vom Hofe“ (De Maistre), freilich gegen König, Minister und Staatsräson nachgiebig, doch nicht so sehr, als Zeitgenossen und Spätere ihm vorwarfen; genügte im Regalienstreit nicht den Erwartungen Roms, mißbilligte jedoch die 4 gallikanischen Artikel. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IV, 1932, Sp. 328