Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Mazarin
Mazarin, Julius, Kardinal und erster Minister in Frankreich, eigentlich Mazarini oder Mazzarini, wurde am 14. Juli 1602 geboren, entweder in Rom, wo sein Vater, ein Sizilianer, im Dienst der Familie Colonna sich niedergelassen hatte, oder nach glaubwürdigeren Nachrichten zu Piscina in den Abruzzen, wo die Mutter sich damals vorübergehend aufhielt. Er begann seine Studien in dem von den Jesuiten geleiteten Collegium Romanum in Rom, setzte sie, weil er, 17 Jahre alt, Hieronymus Colonna, den späteren Kardinal, dorthin begleitete, zu Alcalá de Henares drei Jahre fort und vollendete sie nach der Rückkehr in die Heimat mit Empfang des juristischen Doktorgrades. Kurz darauf (1624) ging er mit dem päpstlichen Heer als Hauptmann in das Veltlin, und in den Unterhandlungen mit den Spaniern und Franzosen bewährte er schon damals sein diplomatisches Talent. Im Jahre 1629 wurde er durch Urban VIII. der Gesandtschaft beigegeben, welche die um das Herzogtum Mantua ausgebrochenen Feindseligkeiten beendigen sollte. Er tat sich auf`s Neue hervor, verhinderte am 26. Oktober 1630 mit eigener Gefahr den Zusammenstoß der Franzosen und Spanier bei Casal und beteiligte sich an dem Friedensschluss von Chierasco vom 6. April 1631, sowie an den weiteren Verhandlungen, welche Pignerol in den Besitz von Frankreich brachten. Diese Angelegenheit führte ihn zweimal nach Paris.
Seine Erfolge gewannen ihm die Achtung und Zuneigung Ludwigs XIII. und Richelieu`s, und diese bestimmten ihn, die diplomatische Laufbahn zu betreten. Er vertauschte den Soldatenrock mit dem geistlichen Gewand, ohne indessen je die höheren weihen zu nehmen, erhielt in Rom alsbald zwei Kanonikate, wurde 1632 Vizelegat von Avignon und 1634 Nuntius in Paris. Infolge der Klagen der Spanier über seine Parteilichkeit musste er 1636 zwar auf seinen Posten in Avignon zurückkehren. Sein Streben ging aber nunmehr auf das Kardinalat, und da er dabei von Spanien ebenso Schwierigkeit erfuhr wie von Frankreich Unterstützung, so schloß er sich, um sein Ziel zu erreichen, zuletzt ganz an dieses Land an, indem er in dessen Dienst trat. Sofort nach seiner Ankunft wurde er 1640 nach Savoyen geschickt, um den Streit in der herzoglichen Familie zu schlichten; durch die glückliche Ausführung dieser Mission bahnte er sich vollends den Weg zu der ersehnten Würde. Ludwig XIII. erlangte für ihn den Purpur am 16. Dezember 1641. Ein Jahr später wurde er der leitende Minister von Frankreich. Richelieu erkannte in ihm, wie er in einem vor seinem Tode an ihn gerichteten Brief bemerkte, den Mann, welcher fähig wäre, zur Vollendung zu bringen, was er begonnen hatte, und empfahl ihn selbst dem König. Dieser berief ihn noch am Todestage Richelieu`s, am 4. Dezember 1642, in seinen Rat, und am andern Tage teilte er den Parlamenten und den Statthaltern der Provinzen mit, daß er im Äußern und Innern die Politik des letzten Ministers fortsetzen werde, um daß er dazu den Kardinal Mazarin gewählt habe, dessen Fähigkeit und Neigung zu seinem Dienst er in verschiedenen Aufträgen erfahren habe.
So wurde das Geschick Frankreichs dem 40jährigen Mann anvertraut. Die Gewalt ruhte 18 Jahre lang, bis zu seinem Tode, in seiner Hand, und seine Stellung war um so wichtiger, weil Ludwig XIII. schon im Jahre 1643 mit Hinterlassung eines unmündigen Sohnes starb, und die Königin-Mutter und Regentin Anna von Österreich ihn zum Haupt ihres Rates ernannte. Er war in dieser Zeit tatsächlich der Regent des Landes. Die nähere Darlegung seiner bezüglichen Tätigkeit gehört nicht hierher; es ist die Geschichte Frankreichs und zum Teil die Geschichte Europa`s in der fraglichen Periode. Nur die Hauptpunkte sind kurz zu bemerken. Zunächst galt es, den Kampf gegen das Haus Habsburg in Deutschland oder den 30jährigen Krieg fortzusetzen und zu Ende zu führen, und mit welchem Erfolg dies geschah, zeigt die Gebietserweiterung, welche der westfälische Friede Frankreich brachte.
Während aber Mazarin in dieser Unternehmung Energie und Geschick bewährte, vernachlässigte er die innere Verwaltung des Landes. Es rissen allenthalben Missbräuche ein; die Auflagen steigerten sich und wurden, zumal bei der Fortdauer des lange währenden Krieges und dem Wachsen der übrigen Ausgaben, immer drückender, und die allgemeine Unzufriedenheit führte zu einem Bürgerkrieg, dem Krieg der Fronde. Die Bewegung nahm schon 1648 einen bedrohlichen Charakter an. Die Königin konnte nicht mehr öffentlich erscheinen, ohne beschimpft zu werden. Gegen Mazarin erhob sich eine wahre Flut von Schriften, die sogenannten Mazarinaden. Im Anfang des Jahres 1649 musste sich der Hof auf sieben Monate nach St. Germain zurückziehen. Der Minister wurde durch das Parlament als Störer der öffentlichen Ruhe und Feind des Königs und des Reiches sogar des Landes verwiesen und alle seine Güter mit Beschlag belegt. Im Frühjahr 1651 musste er endlich weichen, nachdem er sich bis dahin gegen den Sturm noch behauptet hatte. Er begab sich nach Brühl bei Bonn auf das Schloß des ihm befreundeten Kurfürsten von Köln. Das Exil dauerte aber nicht ganz ein Jahr, und das zweite, welches er im Sommer 1652 anzutreten hatte, war von noch kürzerer Dauer. Die Leitung der Geschäfte blieb überdies auch in der Ferne in seiner Hand, und im Sommer 1653 nahmen die Wirren ein Ende.
Nachdem das Land beruhigt war, wurde den Beziehungen zu Spanien eine größere Aufmerksamkeit gewidmet. Der schon lange dauernde Krieg ward mit Eifer fortgesetzt und zuletzt zu einem glücklichen Ende geführt. Der pyrenäische Friede vom 7. November 1659 brachte Frankreich neue Gebietserwerbungen; der König von Spanien gab zudem Ludwig XIV. seine älteste Tochter Maria Teresia; die Hochzeit fand im folgenden Sommer statt. Mazarin fügte so zu dem Ruhmeskranz, den er mit dem westfälischen Frieden erworben, einen zweiten hinzu. Seine Laufbahn war aber damit abgeschlossen. Er starb am 9. März 1661 zu Vincennes.
Er war ein Meister in der Diplomatie und kam in dieser Kunst seinem Vorgänger beinahe gleich. Nach einer Seite hin möchte man versucht sein, ihn über denselben zu stellen. Während Richelieu seiner Gegner durch das Schwert sich entledigte, beschränkte Mazarin sich darauf, sie einzukerkern. Dieses Verfahren bezieht sich aber vorwiegend auf seine innere Politik, und auf diesem Gebiet erwarb er sich keinen Ruhm. Landwirtschaft, Gewerbe und Handel erfuhren durch ihn keine besondere Förderung, so sehr hier bei den langen Wirren, namentlich für den Ackerbau, ein tüchtiges Eingreifen angezeigt war. Seine weitere Sorge galt allzu sehr seiner Bereicherung und der Erhöhung seiner Familie. Man berechnete den Gewinn, den er aus der Staatsverwaltung zog, für acht Jahre auf 40 bis 50 Millionen. Die Kinder zweier Schwestern wurden glänzend versorgt. Sein ziemlich unbedeutender Bruder Michael, Dominikaner, wurde auf das Erzbistum Aix und zum Kardinal befördert. Man schrieb ihm, freilich mit Unrecht, sogar die Absicht zu, eine seiner Nichten, Maria Mancini, mit Ludwig XIV. zu vermählen. Läßt ihn dieses in einem weniger günstigen Licht erscheinen, so ist andererseits anzuerkennen, daß er von seinem Reichtum auch wieder einen guten Gebrauch machte. Seine kostbare Bibliothek ward für den öffentlichen Gebrauch hergegeben; seine Kunstsammlungen waren den Künstlern zugänglich. In seinem Testament verfügte er die Stiftung des Collége des Quatre-Nations, des heutigen Instituts, zur unentgeltlichen Verpflegung von 60 Studierenden aus den vier Provinzen Artois, Roussillon, Elsaß und Pignerol, welche er für Frankreich gewonnen hatte. Demselben Kollegium vermachte er seine Bibliothek. Diese Stiftungen können freilich den Ursprung seines ungeheuren Vermögens nicht rechtfertigen, allein sie legen über denselben immerhin einen versöhnenden Schleier.-
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 7, 1891, Sp. 1118 – Sp. 1120
In den jansenistischen Wirren drang er energisch auf Annahme der Konstitution Cum occasione Innozenz` X. vom 31.5.1653. Die Hugenotten wollte er durch Aufrechterhaltung der ihnen günstigen Edikte und Verwendung hervorragender Männer, wie Turenne und Gassion, im Staatsdienst gewinnen. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VII, 1935, Sp. 30