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Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Emanation

Emanation, Emanatismus, ist diejenige philosophische Weltanschauung, nach welcher alle Dinge als aus dem höchsten Wesen ausgeflossen (emaniert) gedacht werden. Derselbe ist also ein pantheistisches System, sofern der Wesensunterschied zwischen Gott und Welt aufgehoben erscheint. Denn das Ausfließende ist wesentlich gleich der Quelle, aus welcher es fließt; Gott bleibt also der immanente Grund der Welt. Aber der Emanatismus ist noch nicht der auf die Spitze getrieben Pantheismus, sofern er noch einen Unterschied zwischen Gott und Welt bestehen und das Absolute zwar in die Erscheinungswelt eingehen, aber nicht darin untergehen läßt. Gott bleibt vielmehr ein überweltliches Wesen, aus welchem in stufenweise absteigenden Entwicklungen oder Ausströmungen die einzelnen Weltdinge hervor gehen. Die letzteren sind demnach zwar alle göttlichen Wesens, aber sie verlieren um so mehr von ihrer Göttlichkeit, je weiter sie von ihrem Urquell, der Gottheit, abstehen. In dieser Hinsicht bildet der Emanatismus einen Gegensatz zu einem anderen pantheistischen System, welches man Evolutionismus nennt. Nach diesem entfaltet sich das Absolute in stufenmäßig fortschreitender Entwicklung zu den Einzeldingen, so zwar, daß diese, je weiter sie von dem Entwicklungsgrund entfernt sind, um so vollkommener sich gestalten. Während also beim Emanatismus der Ausgangspunkt oder Urquell das Vollkommenste, Inhaltsreichste ist, aus welchem in abnehmenden Ausströmungen die Dinge hervor gehen, so ist beim Evolutionismus der Ausgang der Entwicklung das Inhaltsleerste, der potentiell absolute Ungrund, das abstrakte Sein, welches sich in einem endlosen Prozeß und Progreß zu stets inhaltsreicheren, vollkommeneren Gestaltungen entfaltet. Zugleich ist dieses Werden und Wachsen des Absoluten ein Erkenntnis-Prozeß, in welchem die Selbsterkenntnis Gottes fortschreitend zunimmt. So lehrt der Hegelianismus und Neu-Schellingianismus. Häufig, besonders in den gnostischen Systemen und der Kabbala, ist mit der Vorstellung der Emanation, des absteigenden Ausflusses der Dinge aus Gott, auch die der Remanation, des aufsteigenden Rückfließens derselben in Gott, verbunden. Das Heraustreten aus der absolut vollkommenen Urquelle und die mit der Entfernung von derselben zunehmende Unvollkommenheit erscheint als ein Übel, und daher kann das Ziel des Weltprozesses nur in der Zurückkehr aller Dinge in das unendliche Wesen bestehen.

Gnostische Systeme

Klarer tritt der Emanatismus in den gnostischen Systemen hervor. Die Gnostiker wollten die Offenbarungslehren von der Entstehung der Welt und des Bösen in derselben sich verständlich machen mit Hilfe platonischer, insbesondere neuplatonischer und orientalischer Vorstellungen und ersetzten so den begriff der Schöpfung aus Nichts durch den Emanatismus. Grundgedanke des Gnostizismus ist, daß der namenlose, unerkennbare Gott durch eine unendliche Kluft von der Materie, dem Sitz des Bösen, getrennt ist. Diese wird ausgefüllt durch eine absteigende Stufenreihe überirdischer, vom höchsten Gott ausströmender Geister (Aeonen), welche zusammen die göttliche Fülle (Pleroma) ausmachen. Einer der untersten Aeonen tritt als Weltbildner auf, indem er durch göttliche Beseelung der Materie die einzelnen Dinge und den Menschen hervorbringt. Aber der Mensch, weil an die böse Materie gebunden, bedarf der Erlösung, d. h. der Befreiung von derselben, welche durch einen der höchsten Aeonen bewirkt wird. Das durchgebildetste und einflußreichste System hat im Anschluß an platonische Anschauungen der hellenistische Gnostiker Valentinus aufgestellt. An der Spitze der Welt steht ihm als Urwesen der mannweibliche Abgrund, aus welchem durch Zeugung in absteigender Folge 15 männlich-weibliche Aeonenpaare emanieren. Die Zusammenfassung aller dieser Zeugungen ist das göttliche Pleroma, welchem das Leere, der formlose Stoff entgegen steht. Indem nun der letzte weibliche Aeon, die obere Weisheit, sich von ihrem Widerpart, dem Willen, loszureißen und mit dem Urwesen zu verbinden strebt, erzeugt sie in ihrer Sehnsucht die untere Weisheit, Achamot. Welche. Aus dem Pleroma hinab geschleudert in den Bereich des Stoffes, den Demiurgos gebiert, den Bildner der Welt und des Menschen. Die nach Erlösung, d. h. nach Befreiung aus dem Stoff ringende Weisheit gelangt durch ihren neuen Genossen, den bei der Taufe mit dem seelischen Messias verbundenen Jesus, zur vollen Selbsterkenntnis und wird bei der allgemeinen Wiederherstellung in die göttliche Fülle zurück geführt. –
Andere, sogen. syrische Gnostiker gehen von orientalisch-parsischen Vorstellungen aus, indem sie neben dem guten ein böses Urprinzip statuieren. So geht Saturninus von dem Gegensatz zwischen Gott und dem Satan aus. Aus Gott emaniert ein Geisterreich, dessen unterste Stufe die Planetengeister bilden. Indem diese in das vom Satan beherrschte Reich der Hyle einfallen, entsteht die Sinnenwelt und der mit dem göttlichen Lichtgeist beseelte Mensch. Dagegen läßt der Satan ein böses Menschengeschlecht entstehen, um die Lichtmenschen zu bekämpfen. Letztere werden erlöst durch den Aeon, welcher in einem Scheinleib auf Erden als Heiland auftritt. Ebenso nimmt Manes in engem Anschluß an den Parsismus zwei Urwesen an, den Gott des Lichtes und den der Finsternis, mit entsprechenden emanierten Aeonen-Reichen. Um das Eindringen der bösen Geister in das Lichtreich abzuwehren, bringt der gute Gott den Aeon „Mutter des Lebens“ hervor, dessen Emanation der Urmensch ist. Dieser unterliegt im Kampf mit den Mächten der Finsternis und wird der Lichtelemente beraubt. Die geraubten Lichtelemente werden zur Weltseele (Jesus patibilis), die geretteten (als Jesus impatibilis) in die Sonne versetzt. Jetzt bringt der gut Gott den Kosmos hervor, um die Befreiung der gefesselten Lichtelemente zu ermöglichen. Die bösen Mächte aber lassen Adam und Eva entstehen, damit durch stete Fortpflanzung mittels Zeugung die Lichtelemente immer gefesselt bleiben. Indes gelingt doch die Erlösung, indem der Jesus impatibilis in Menschengestalt auf Erden erscheint und scheinbar am Kreuz stirbt. –

Kabbala

Verwandt mit der gnostischen und philonischen ist die Emanationslehre der Kabbala, welche, wahrscheinlich seit dem Anfang der christlichen Zeit allmählich entstanden, ihren Abschluß im Anfang des 14. Jahrhunderts gefunden hat. Danach steht an der Spitze der Welt das unendliche Wesen (ên sôph), aus welchem Alles in verschiedenen Ausströmungen oder Ausstrahlungen in absteigender Reihenfolge hervor gegangen ist und in welches Alles in aufsteigendem Läuterungs-Prozeß zurück kehrt, um als reines Licht wiederum mit dem Urlicht Eins zu werden. Aber dieser Emanations-Prozeß ist ein dem unveränderlichen Gott immanenter Prozeß, so daß Gott die immanente Ursache aller Dinge ist. Die ersten Ausstrahlungen aus Gott sind die zehn Lichtkreise (sephîrôth); als Stufen der göttlichen Offenbarung bilden sie die vier Welten (die Weisheit, die Engelwelt, die Sternenwelt, die sublunarische Welt). Die Weiterentwicklung verliert sich in Zahlen- und Buchstaben-Mystik. Nach einem Kabbalisten des 16. Jahrhunderts, Isaak Luria, strahlte von dem en sof zunächst das große Licht, adam kadmon, aus, davon andere Lichter und zuletzt die vier Welten. –

So sehen wir den Emanatismus als eine weit verbreitete religiös-philosophische Vorstellung seit den ältesten Zeiten in der Geschichte der Menschheit auftreten. Daß er in sich eine unhaltbare, absurde Vorstellung ist, liegt auf der Hand. So wahr Gott nur als ein schlechthin vollkommenes und unveränderliches Wesen gedacht werden kann, so wahr ist alle und jede Emanation aus ihm unmöglich. Denn wie man auch das Ausfließen der Welt aus der absoluten Urquelle denken mag, jedenfalls verliert diese an Inhalt und büßt damit ihre Unendlichkeit und Unveränderlichkeit ein. Will man mit Plotin und den Kabbalisten die Unveränderlichkeit Gottes festhalten, so haben die Ausdrücke: Ausstrahlungen, Ausströmungen keinen Sinn; sind letztere aber wirkliche Ausstrahlungen, so ist die Unveränderlichkeit Gottes aufgehoben.

aus: Wetze und Welter`s Kirchenlexikon, Bd. 4, 1886, S. 431-437

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