Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Papstfabeln
Papstfabeln, mittelalterliche Erdichtungen, die Döllinger 1863 unter diesem Titel (1890 v. J. Friedrich) in kritischer Behandlung zusammenfaßte. Es sind:
– die Fabel von der Päpstin Johanna
– dem erdichteten Papst Cyriacus
– der Selbstabsetzung des Papstes Marcellinus in den erdichteten Akten der Synode v. Sinuessa
– der Taufe Konstantins I. durch Papst Silvester I.,
– die Konstantinische Schenkung,
– die Erhebung des Gegenpapstes Felix II. zum rechtmäßigen Papst auf Kosten des Papstes Liberius
– die Verketzerung des Papstes Anastasius II.,
– die Entstellung des Verhältnisses Papst Gregors II. zu Kaiser Leo III.,
– die Charakterisierung des gelehrten Papstes Silvester II. als Verbündeten des Teufels.
Mit Unrecht preßte Döllinger in die Papstfabeln auch die zur Zeit des Vatikanums viel erörterte Frage über die Irrlehre des Papstes Honorius I. oder, wie er sagte, die Ignorierung der Verurteilung des Honorius im Mittelalter. Zur Verbreitung der Papstfabeln hat besonders Martin von Troppau beigetragen. Die verdienstlichen Feststellungen Döllingers sind im einzelnen durch neuere Forschungen ergänzt und berichtigt worden, so über die Konstantinische Schenkung, die Liberius– und Honoriusfrage usw. Können die von Döllinger behandelten Papstfabeln als erledigt gelten, wenn auch neuerdings noch z. B. die Existenz der Päpstin Johanna Verteidiger gefunden hat, so treiben andere Papstfabeln in der antikatholischen Polemik und in populären Darstellungen ihr Unwesen weiter, z.B. die Behauptung,
– Gregor VII. sei jüdischer Herkunft gewesen,
– Alexander III. habe Kaiser Friedrich Barbarossa beim Abschluß des Friedens von Venedig (1177) entwürdigend behandelt,
– Klemens XIV. sei von den Jesuiten vergiftet worden,
– Pius IX. sei Freimaurer gewesen usw.
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VII, 1935, S. 936