Honorius I Keine Häresie nachweisbar

Der Papst trägt das Kreuz Christi, von Christus glorreich empfangen; es zeigt das Leiden der Päpste und zugleich der Kirche

Kirchenlexikon: Papst Honorius I.

Teil 1:

Bei Papst Honorius I. findet sich kein dogmatischer Irrtum

Keine Häresie nachweisbar

Die Geschichte der Irrlehre des Monotheletismus kann hier nicht weiter verfolgt werden. Es sei nur der große Schlag erwähnt, welchen Papst Martin, seit Juli 649 Nachfolger Theodors, gegen dieselbe auf der Lateransynode von 649 führte. Es wurden auf derselben mit dem Anathem belegt Bischof Theodor von Pharan, Patriarch Cyrus von Alexandrien und die Patriarchen Sergius, Pyrrhus und Paulus von Konstantinopel. Des Papstes Honorius wird in den umfangreichen Akten dieses Konzils mit keiner Silbe von den Teilnehmern gedacht, wiewohl das (…) Schreiben des Patriarchen Paulus mit seiner Berufung auf Honorius vorgelesen wurde…

1. In den beiden Schreiben des Papstes Honorius findet sich keinerlei dogmatischer Irrtum vor… Man ist nicht berechtigt zu sagen, Honorius habe zwar orthodox gedacht, sich aber häretisch ausgedrückt.

2. Die Lehre des Papstes ist so wenig monotheletisch, daß sich in ihr alle Elemente zur Widerlegung des Monotheletismus finden… Papst Honorius stellt sich, zum Teil wörtlich, auf den Standpunkt der Formeln des Chalcedonense und des Lehrschreibens Leo`s I. an Flavian. Von eben diesem Standpunkte aber führten die Verteidiger der Kirche wider die Monotheleten, Sophronius und Maximus, ihre Argumente, welche die Irrlehre vernichten. Maximus sagt ferner ganz richtig von Honorius, da derselbe einen Widerstreit von guter und böser Willensrichtung im menschlichen Willen Christi ablehne, so lehre er schon dadurch zwei Willen, denn er teile ihm neben dem göttlichen den Willen der reinen menschlichen Natur zu.

3. Zu dem Zeugnis des sachkundigsten Wortführers der Kirche im Orient, des hl. Maximus, gesellt sich als Zeugnis für Honorius` Rechtgläubigkeit die Auffassung seiner Nachfolger, seines Sekretärs und der römischen Geistlichkeit. In Rom und Italien liegt bis zur Zeit Leo`s II. auf dem Andenken des Papstes keine Trübung, sondern vielmehr Auszeichnung und Glanz. Allerdings scheinen seine Briefe an Sergius außer dem päpstlichen Hofe dort wenig bekannt gewesen zu sein.

Honorius als häretischen Papst zu bezeichnen ist unzulässig

4. Ist schon aus dem Vorstehenden ersichtlich, mit wie wenig Recht die Verteidiger der Ansicht von der Fehlbarkeit der lehramtlichen päpstlichen Entscheidungen sich auf Honorius berufen haben (…), so tritt noch hinzu, daß der Befehl des Papstes, über die Termini zu schweigen, kein Spruch ex cathedra ist. Honorius will über die in Frage gekommenen Termini „Eine oder zwei Wirkungsweisen und Willen“ nichts doktrinell entscheiden; man muss weder das eine noch das andere definieren, sagt er, sondern von beidem schweigen und nicht durch neue Ausdrücke Hader stiften…

Dabei scheint aber nicht geleugnet werden zu können, daß Honorius, im Anschluß an die älteren Entscheidungen und ohne Neues vorzutragen, doch in autoritativer Weise die Lehre von den beiden Naturen, welche wirksam seien, aufstellt und hierin unbedingte Unterwerfung verlangt. In letzterer Hinsicht mag er also erfüllen, was das Vatikanum zur Ausübung der Lehrgewalt des Papstes ex cathedra fordert und der Umstand, daß Honorius nichts Neues definiert, tritt dieser Annahme nicht in den Weg; denn faktisch kommt in den meisten Fällen die päpstliche Unfehlbarkeit nur als Wiederholung des schon Definierten, nicht aber durch Definitionen neuen Inhaltes, zur Anwendung.

Wiederum können päpstliche Bestimmungen praktischen und doktrinellen Inhalts in dem nämlichen Schreiben neben einander hergehen. So darf man denn sagen: Während in Bezug auf die Zweiheit der Naturen eine Glaubensentscheidung anzuerkennen ist, war die Maßregel der Auferlegung des Stillschweigens bloß ein disziplinäres Gebot, freilich ein vom Papst als solchem ausgegangenes; bei Geboten dieser Art sind Fehlgriffe möglich. Die Schreiben des Papstes aber einfach als a privato homine verfaßte hinzustellen, wie es öfter von Verteidigern desselben geschehen ist, geht keineswegs an. Als Privatmann erhält man keine Konsultationen, wie diejenige des Patriarchen Sergius war, und schreibt keine Briefe, wie Honorius sie an Sergius und mit ähnlichem Einschärfungen an Cyrus von Alexandrien und Sophronius von Jerusalem schickte, offenbar damit sie vom ganzen Orient befolgt würden.

Vorwurf gegen Honorius: Mangel an Sorgfalt und Vorsicht

5. In der von Honorius gegebenen Entscheidung lag aber vor allem ein folgenschwerer Missgriff in dem Verbote beider Termini, des häretischen und des katholischen. Während die dyotheletische Formel gerade damals in dem angewachsenen Streit notwendig betont und zum Siege gebracht werden musste, wird sie mit der monotheletischen zugleich unterdrückt. Es lag hierin eine von Honorius freilich nicht gewollte Vorschubleistung gegen die Häresie. Die unglückliche disziplinäre Maßregel erklärt sich aus der Täuschung des Papstes über den Sachverhalt durch den Brief des Sergius. Sie erklärt sich noch leichter, wenn man überdies die am römischen Hofe schon früher und besonders unter Gregor dem Großen, dem „Lehrer“ des Honorius, hervortretende Praxis mit in Betracht zieht, wonach man dort in richtigem Takte bemüht war, die immer neu hervortretenden Spitzfindigkeiten und häretischen Nörgeleien des Zeitalters niederzuschlagen, statt ihnen durch Eintreten in die Erörterung Nahrung zu geben. Diese Praxis wollte aber Honorius zu einer Zeit anwenden, wo es für die neue Kontroverse bereits zu spät war.

6. Die Antwort des Papstes hat aber außerdem tiefer liegende, theoretische Mängel. Obgleich nämlich Sergius seine Bevorzugung des häretischen Bekenntnisses Einer Wirkungsweise und Eines Willens zu erkennen gab, obgleich er die katholische Formel mit dem falschen Argument, daß aus ihr zwei sich widersprechende Willen folgten, bekämpft und sie bei Vätern der Kirche finden will, geht Honorius doch nicht auf eine direkte Richtigstellung ein. Man sieht seinem ersten Brief an, daß er über den eigentlichen theologischen Fragepunkt keinen Begriff bekommen hat. Er durchschaut nicht, was man hüben und drüben mit den Energien (operationes) und den Willen meint. Sonst könnte er z. B. sich nicht auf die Ausführung einlassen, daß in Christus vielerlei operationes seien (numerische statt spezifische Verschiedenheit); sonst würde er auch nicht mit so ausschließlicher Bevorzugung auf den Nachweis eingehen, daß in Christus keine zwei sich entgegenstehenden menschlichen Willen seien. Dieser Nachweis geht nicht gegen die monotheletische Aufstellung Eines Willens, indem diese den menschlichen Willen einfach ganz von dem göttlichen absorbiert sein läßt.

Es erklärt dieser Nachweis auch nur sehr indirekt die katholische Aufstellung vom menschlichen Willen neben dem göttlichen; wenigstens wendete Honorius, dem es direkt um die moralische Einheit des menschlichen mit dem göttlichen Willen zu tun ist, die betreffenden Gedanken gar nicht dyotheletisch an; er hat vielmehr gerade hier sein fatales Unam voluntatem fatemur. Es war nur die Vorspiegelung Sergius`, daß die dyotheletische Partei zur Annahme eines Gegensatzes zwischen dem göttlichen und dem menschlichen Willen in Christus gedrängt würde, welche den Ideengang des Papstes ganz einnahm. Darum bekämpfte er jede Kontrarietät im menschlichen Willen Christi. Besser wäre es gewesen, wenn er Sergius entgegengehalten hätte: Es ist unwahr, daß aus der Lehre von zwei Willen irgendeine Kontrarietät folgt, und überhaupt ist die ganze Furcht vor dem Anstoß, den der Terminus „Zwei Wirkungsweisen und zwei Willen“ hervorrufen könnte, eine unbegründete. Aber eben Honorius „dringt in die doktrinelle Tragweite der Frage nicht ein, da die Natur der neuen Häresie zu Rom noch nicht durchschaut wurde“ (Jungmann).
7. …

8. Bei der schließlichen Bestimmung der Schuld, welche sich Honorius dadurch auflud, daß er nicht dem Irrtum widerstand, sondern ihm gewissermaßen Vorschub leistete, kann es sich natürlich nicht um das Innere handeln, das vor Gott allein offen liegt. Aber das Versäumnis an sich war derart, daß man, den gewöhnlichen Gang der Dinge zum Maßstab genommen, auf einen sehr großen Mangel an Sorgfalt und Vorsicht zurückschließen muss. Eine genauere Prüfung des Schreibens von Sergius musste auf die eminente Wichtigkeit der Sache aufmerksam machen; vor der Antwort waren Informationen nötig und leicht erreichbar; auf Sophronius war in letzterer Hinsicht geradezu hingewiesen; namentlich nachdem dessen ausgezeichnete Synodica und die Gesandtschaft von Jerusalem gekommen war, hätte Honorius die Übereilung erkennen und zu einem andern Verfahren, welches gegen Sophronius gerechter und gegen die Häretiker strenger war, übergehen sollen. So aber leistete zu Rom niemand der Ketzerei Widerstand; und aus der Unterdrückung der orthodoxen Formel zog nur der alte Verwüster des Orients, der Monophysitismus, als Vater des Monotheletismus, Gewinn. „Das Verfahren des Honorius war ein verderblicher Mißgriff und leistete der monophysitischen Häresie den größten Vorschub.“ Katholik 1863 II, in der Abhandlung über Honorius: „Honorius behandelte auf eine leichtfertige Weise die ganze Frage als ein Wortgezänke.“ … Jene Verteidiger des Papstes scheinen also zu weit zu gehen, welche Honorius sogar von der Anklage auf schwere Pflichtversäumnis, also auf Schuld der Unterlassung, freisprechen wollen. Sie kommen mit dem Urteile Leo II. und einer langen Reihe von Päpsten nach ihm in Konflikt. Nur das kann man ihnen einräumen, daß in den Briefen nichts war, das mit irgendeinem Recht als positive Begünstigung der Häresie gedeutet werden konnte. –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. VI, 1889, Sp. 240ff.

Teil 2: Das Anathem gegen Papst Honorius I.

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