Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Novatian
Novatianer (Novatiani oder Novatianenses), Sekte aus der Mitte des 3. Jahrhunderts, empfing Namen und Ursprung von Novatian (der von Eusebius und den späteren Lateinern überlieferte Namen „Novatus“ ist falsch). Trotz seiner klinischen Taufe (Eusebius, HE VI 43) gewann Novatian dank seiner philosophischen Durchbildung (Kenntnis besonders der Stoiker: Cyprian, EP 55,24; 60,3) und seiner rhetorischen Begabung (abhängig von Vergil) in der römischen Gemeinde ein überragendes Ansehen, zumal er eine reiche schriftstellerische Tätigkeit entfaltete. Er schrieb viele, verloren gegangene Werke … Die Schriften Novatians sind die ersten, die zu Rom in lateinischer Sprache über theologische Dinge verfaßt wurden; man muss ihn daher zu den Begründern der lateinischen Theologie rechnen. Besonders De Trinitate, eine Erklärung der Grundwahrheiten des Symbolums, wurde für lange Zeit das Muster aller ähnlicher Werke. Im Kampf mit dem Modalismus hält er am Unterschied der göttlichen Personen fest; er versagt aber in der Erklärung der Personalcharaktere (Pater invisibilis, incomprehensibilis, immortalis, aeternus; Filius visibilis, comprehensibilis, mortalis, ante omnia sed post Patrem).
Zum Sektierer wurde Novatian durch seinen allmählichen Rigorismus in der Bußdisziplin. Beiden in der karthagischen Kirche eben tobenden Kämpfen der laxistischen Presbyterpartei des Felicissimus gegen Cyprian, der anfänglich den Gefallenen trotz vorgewiesener Märtyrer-Libellen erst für das Ende der Verfolgung eine Wiederaufnahme in Aussicht gestellt wissen wollte (Ep. 15/17), später aber, wohl auf ein Schreiben des römischen Klerus hin (Ep. 8), wenigstens den schwer kranken, mit Märtyrer-Libellen versehenen Büßern Aussöhnung gewährte, hatte Novatian die Auffassung Cyprians begünstigt, ja sie noch insofern mildern wollen, als er die Wiederaufnahme allen schwer kranken Büßern überhaupt zugestand (Ep. 30,8). Erst die Wahl des einfachen, aber sittenreinen (Ep. 55,8) Priesters Cornelius zum Papst (Mai 251), die seinen starken, durch den 251 nach Rom übergesiedelten Afrikaner Novatus über dies noch aufgestachelten (Ep. 52,2) Ehrgeiz verletzte, bestimmte ihn, die von Cornelius vertretene (vgl. Ep. 55,1) mildere Richtung in der Bußpraxis zu bekämpfen. Mehrere angesehene Konfessoren, verwirrt durch verleumderische Gerüchte über Cornelius (Ep. 55,10), schlossen sich ihm an (Ep. 49,1f). Von ihnen ließ sich Novatian, wenn auch angeblich widerstrebend (Eus. HE VI,45), zum Gegenbischof aufstellen und von 3 unwissenden Landbischöfen weihen (Eus. HE VI 43,8). Doch war er sich hierbei noch keines prinzipiellen, dogmatischen Gegensatzes gegen die Kirche des Cornelius bewußt. Die Wiederaufnahme Gefallener war noch nie Gegenstand dogmatischer Erörterungen gewesen, sondern bloß Sache des praktischen, disziplinären Ermessens. Novatian selbst hatte ursprünglich (vgl. auch Cyprian, Ad Novat. 13F, Ep 30,5 mit Ep 55,5) mit der Kirche in der Behandlung der Gefallenen überein gestimmt. Die ersten Stadien des Briefwechsels zwischen Cornelius und Cyprian (Ep. 44/53) verraten denn auch keineswegs theoretische, sondern lediglich persönliche Differenzen. Erst die in der gemäßigten Richtung verlaufende Entwicklung der Bußpraxis, die nach Verurteilung Novatians (Synode zu Rom 251; Eus., HEVI 43) zuerst den libellatici (Lapsi) sofortige Kirchengemeinschaft gewährte (Synode zu Karthago Mai 251; Ep. 55,17), später auch den sacrificati nur eine 3jährige Buße vorschrieb (Ep 56,1) und zuletzt in einer neuen Synode (Mai 253; Ep. 57) alle bußfertigen lapsi wieder aufnahm, versteifte die ursprünglich persönlichen Interessen-Kämpfen zu grundsätzlichen Unterschieden. Mit Berufung auf das Heiligkeits-Ideal der Kirche erklärte Novatian eine Rekonziliation von Gefallenen für befleckend (vgl. Ep 55,27) und unerlaubt (Cypr., Ad Novat. 12f; Eus. HE VI 43,1). Mit Stolz nannte er nunmehr seine Kirche die „Reinen“ (Katharer), die Katholiken dagegen die „Unreinen“ (Cypr., Ad Novat. 1), eine Bezeichnung, die sich nachmals besonders im Orient einbürgerte (Eus., HE VI 43,1). Durch dieses Reinheits-Prinzip und seine rührige Werbearbeit (Ep. 55,24) gewann Novatian in fast allen Diözesen des Reiches einen zahlreichen Anhang, der sich (Eus.55, VII 5) schnell zu eigenen Kirchen mit eigenem Bischof zusammen schloß (Novatianisches Schisma). Hand in Hand mit dieser äußeren Entwicklung steigerte sich der Rigorismus, insofern Novatianer, wohl nach dem Tod ihres Stifters, folgerichtig nicht bloß die lapsi, sondern überhaupt alle schweren Sünder von der Rekonziliation ausschlossen. Bereits auf dem Nicänum sprach der novatianische Bischof Asklepiades diesen Grundsatz aus (Sokrates, HE V 22). Sie scheinen sogar der Kirche prinzipiell eine Nachlass-Gewalt über derlei Vergehen abgesprochen zu haben. Wenigstens verteidigen Ambrosius (De paenit. I 7), Pacian (Ep. I 6; III 1) und Augustin (De ag. Chr. 31) ihnen gegenüber die kirchliche Nachlass-Gewalt . –
Novatianische Gemeinden bestanden noch im 4. und 5. Jahrhundert in allen Provinzen des Reiches (Conc. Nic. c. VIII), besonders in Rom (Sokr. HE V 14); VII 9 11). Als eifrige Homousianer wurden sie vom Nicänum wohlwollend behandelt. Nach Niederwerfung des Arianismus dagegen schritten Kirche und Kaiser gegen sie ein. Honorius und Theodosius II. erklärten sie als Ketzer (Cod. Theod. De haeret. 52 59); demzufolge wurden in Rom (Sokr., HE VII 9) und Alexandrien (ebd. 7) ihre Kirchen geschlossen. Doch scheinen sie immerhin in der Westkirche weiter bestanden zu haben. Denn noch gegen Schluß des 6. Jahrhunderts sah sich Eulogius von Alexandrien genötigt, … gegen sie zu schreiben. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VII, 1935, Sp. 637 – Sp. 639