Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Messalianer
Messalianer, auch Massalianer (wahrscheinlich = Betende), schwärmerisch-mystische Sekte, innerhalb der Kirche seit 350 von Mesopotamien her in Syrien, Armenien, Kleinasien und Thrakien sich verbreitend und noch im Mittelalter in den Bogumilen wieder auflebend, nach ihren Führern Adelphianer und Langetianer, nach ihrer Art der Gottesverehrung Euchiten und Choreuten genannt. Wie Epiphanius (Haer. 80) erzählt, fanden sie in einem die Arbeit verschmähenden Leben des Gebets und der Aszese das vollkommene, keiner Sakramente mehr benötigende Christentum, das schon auf Erden zur Gottschauung und Gottgemeinschaft führe. Mehrere Synoden des 4. und 5. Jahrhunderts, das Konzil zu Ephesus 431 (Hefele-Leclerq II 341) und einzelne Bischöfe schritten gegen sie ein. Nach E. Peterson finden sich Spuren ihrer Lehre in den Philippusakten. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VII, 1935, Sp. 114
Messalianer … erscheinen um die Mitte des 4. Jahrhunderts in Syrien und Armenien als eine mystisch-fanatische Sekte, die sich durch eine schwärmerische träge Frömmigkeit, durch einen krankhaften Hang zum Einsiedlerleben und durch eine einseitige, bloß im gebet das Heil suchende Aszese auszeichnete. Diese Sekte, in manchen Stücken den Audianern ähnlich, vermied es, aus der katholischen Kirche förmlich auszuscheiden, und hielt den Charakter einen offenen Ketzerei durch sorgsame Verheimlichung ihrer Grundsätze von sich ferne. Da bei ihnen eine aftermystische Neigung zur Einsamkeit und zu einem unklaren Zurückziehen des Menschen in sich selbst oder zu einem schiefen Spiritualismus der vorherrschende Zug war, dieser Zug aber auch in späteren Zeiten bei manchen dem gesunden kirchlichen Leben abgewendeten Richtungen sich wiederfand, so ist es erklärlich, warum diese Sekte sich mehrere Jahrhunderte lang nacheinander erhalten konnte und zu verschiedenen Zeiten unter veränderter Gestalt immer wieder auftauchte. Noch im 14. Jahrhundert findet man die Spur der Messalianer wieder bei den griechischen Mönchen, die man wegen ihrer träumerischen Beschaulichkeit die „Ruhenden“ oder die „Nabelschauer“ (…) oder auch Euchiten nannte, welche der Erzbischof von Thessalonich Gregor Palamas gegen die Angriffe des Mönchs Barlaam eifrig verteidigte. Den Namen Messalianer leitet man gewöhnlich ab von dem syrisch-chaldäischen Wort (…), das Betende bedeutet, … Epiphanius und Theodoret, die Bekämpfer dieser Sekte, haben dieselbe näher beschrieben, und das Konzil von Ephesus hat sie verurteilt. Nach dem Bericht des Epiphanius entstanden die Messalianer um die Zeit des Kaisers Konstantius; aber schon vorher gab es eine Art heidnischer Messalianer, die an mehrere Götter glaubten, aber nur Einen Gott unter dem Namen des „Allmächtigen“ verehrten, daher auch Euphemiten (Lobende) genannt. Sie bauten Bethäuser, die oft den christlichen Kirchen ähnlich waren, wo sie ihre Lobgesänge auf Gott absangen. Das Gemisch von jüdischen und heidnischen Elementen, welches sie, die weder Christen noch Juden waren, in ihrem Kultus zeigten, machte sie gehässig und setzte sie der Verfolgung der Obrigkeit aus. Viele wurden hingerichtet und dann als Märtyrer von ihren Mitbrüdern verehrt, weshalb diese sich Martyrianer nannten. Einige hießen auch Satanianer, weil sie den Satan als einen fürchterlichen Feind anbeteten, um ihn zu besänftigen.
Die neueren Messalianer hatten nach Epiphanius mit den älteren zwar die Sitten gemein, waren aber ohne alle Grundsätze, dem Irrtum verfallen und unter sich durch kein dogmatisches Band fest verbunden; um zu ihnen zu gehören, genügte es, zu sagen, daß man an Christus glaube und der Welt entsagt hätte. Sie liebten, gleichgültig gegen irdisches Besitztum, das vagierende Leben und schliefen auf den Straßen ohne Unterschied des Geschlechts untereinander; sie streckten die Hände zum Bettel aus, das fasten kannten sie nicht, von der Würde Christi hatten sie ganz unbestimmte Vorstellungen; dagegen war ihnen das Beten alles in Allem, das Unterbrechen des Gebetes durch Arbeit war Sünde. Wahrscheinlich hatten sie diesen Missverstand der Sittenlehre Christi von Mai in Persien eingesogen. Noch umständlicher beschreibt Theodoret (Haer. Fab. 4, 11) den Charakter der Messalianer. Nach diesem Historiker hießen sie auch Enthusiasten, Begeisterte, weil sie durch einen bösen Geist angetrieben würden, den sie für den heiligen Geist hielten, dessen Gegenwart sie sinnlich empfinden wollten. Obschon sie sich nicht von der Gemeinschaft der Kirche getrennt sehen wollten, so galt ihnen doch der Gebrauch der taufe und der Eucharistie als unnütz und wirkungslos; denn das Gebet allein, lehrten sie, tilge die Sünden und besiege den Teufel, den (nach ihrer Meinung) jeder Mensch von Adam ererbe. Durch das Gebet komme der heilige Geist an dessen Stelle, dieser befreie den Leib von aller Leidenschaft und die Seele von der Neigung zum Bösen, weshalb von da an weder fasten noch eine besondere Sittenlehre mehr nötig sei. Ihr vorgeblicher Geistestrieb, ein Produkt ihrer unsauberen Einbildungskraft, veranlaßte sie oft, plötzlich aufzuspringen und zu tanzen, um so mit den bösen Geistern in einen Kampf sich einzulassen. Auch rühmten sie sich göttlicher Gesichte und Offenbarungen. Allem Anschein nach waren die Messalianer verunglückte, laxe Mönche, die aus den manichäischen Grundsätzen sich so viel beilegten, als sie zu einem untätigen und unsauberen Leben zuträglich glaubten.
Mehrere Führer standen an ihrer Spitze, vorzüglich ein gewisser Adelphius, von dem sie auch Adelphianer hießen; andere Häupter waren Bischof Eustathius, Dadoes, Sabbas, Hermas und Simeon. Die Messalianer verbreiteten sich allmählich über ganz Syrien, Pamphylien und Lycaonien. Auf Kirchen-Versammlungen erließ man Strafgesetze wider sie, in deren Folge sie verjagt und ihre Klöster verbrannt wurden. Theodosius der Jüngere begriff sie 428 unter dem gegen Ketzer erlassenen Gesetze; dessen ungeachtet erhielten sie sich bis auf spätere Jahrhunderte, und es ist kein Zweifel, daß sie im 12. Jahrhundert in der Sekte der Bogumilen wieder auflebten. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 8, 1893, Sp. 1309 – Sp. 1310