Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Katakombenheilige
Katakombenheilige, Bezeichnung für angebliche römische Märtyrer, deren leibliche Überreste in den altchristlichen unterirdischen Coemeterien Roms gesucht, vom Anfang des 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts in zahlreiche katholische Kirchen Europas als Märtyrer-Reliquien überführt und als solche verehrt wurden. Man glaubte damals, in den Katakomben seien mehr als 100000 Blutzeugen begraben und deshalb noch unzählige Märtyrer-Gräber dort. Irrig sah man, zum Teil im Anschluß an alte poetische Schilderungen, die Symbole der Palme und des Ankers auf den Verschlußplatten der Gräber der Gräber, das das Christusmonogramm ☧ und ähnliche Zeichen, besonders auch die sogenannten Blutampullen, als Erkennungsmerkmale für Märtyrergräber an. Regellos, oft ohne Rücksicht auf wichtige Denkmäler der Katakomben, wurden die unterirdischen Coemeterien Roms auf solche Grabstätten (mit oder ohne Angabe der Namen der dort beigesetzten Christen) durchsucht. In den Kirchen wurden dann diese Gebeine teils unter den Altären ausgestellt, teils in Reliquiarien untergebracht. 1669 setzte Klemens IX. eine eigene Kongregation der Ablässe und Reliquien ein; 1672 unterstellte Klemens X. die Aufsuchung von solchen Gräbern dem Kardinalvikar, der einen geistlichen Beamten (Kustos) damit betraute. Unter Gebeten und Zeremonien fand die Erhebung der Gebeine statt, die auf die von allen Seiten einlaufenden Gesuche hin an die Kirchen geschickt wurden. Die kritische Begründung der Katakomben-Forschung durch Joh. B. de Rossi erwies aber, daß diese sogenannten Katakombenheilige nur die leiblichen Überreste gewöhnlicher Christen, meist aus dem 4. Jahrhundert, nicht von Märtyrern sind. So hörte der Brauch Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Ein einziges wirkliches Märtyrergrab mit unversehrtem Inhalt ist seit dem 16. Jahrhundert in den Katakomben gefunden worden: das des hl. Hyazinth (Protus).
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, S. 871-872