Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Katakomben
Katakomben, altchristliche Begräbnisstätten mit größeren unterirdischen Anlagen, für Rom typisch aber auch in Neapel und besonders häufig in Sizilien, Nordafrika, Malta, Kleinasien, Trier, Paris usw. nachweisbar, gleichbedeutend mit der alten Bezeichnung Coemeterium, die aber ganz allgemein die Ruhestätte der Christen, auch die oberirdischen Boden- oder Sarkophag-Gräber, andeutete. Ursprünglich ist das Wort Katakomben Ortsname für die Senkung der Via Appia beim Denkmal der Caecilia Metella (…), wonach der Chronograph von 354 das nahe Coemeterium von S. Sebastiano benannte; seit dem 9. Jahrhundert (bei Joh. Diaconus) wird es ganz allgemein auf alle ähnlichen Grabstätten angewandt.
Der Brauch, Grabkammern größerer Ausdehnung unter der Erde anzulegen, war nicht etwa oder wenigstens nicht ausschließlich durch die Verfolgungen veranlaßt, wohl aber durch sie sehr gefördert. Er kam aus dem Orient nach Rom und findet sich hier auch bei den Juden (…). Die ältesten Teile der Katakomben (Verzeichnis bei Coemeterium), z.B. das Ceom. Domitillae, Priscillae, Coem. Majus, werden noch dem 1. Jahrhundert zugeschrieben…
Anfänglich Familien-Grabstätten, in die auch die Klientel Zulassung fand, manchmal mit früherer oberirdischer heidnischer Grabanlage, wurden sie später überhaupt Gemeindemitgliedern zugänglich. Eigentliche Gemeinde-Coemeterien (S. Castillo) sind aber erst seit dem 3. Jahrhundert nachweisbar. Seit Anfang des 4. Jahrhunderts wurden die einzelnen Katakomben den 25 Titelkirchen Roms angegliedert. Die Anlegung solcher Begräbnisstätten und deren Gebrauch auch in Zeiten der Verfolgung war nach dem römischen Gesetz möglich, das jedes Grab mit Zubehör als sakrosankt betrachtete und das nur sehr selten (257 u. 303, in Karthago 203) verletzt wurde. Für Ärmere sei die gleiche Vergünstigung nach De Rossi zu erwirken gewesen durch Eintritt in eine Begräbnis-Bruderschaft (collegia funeraticia), welche amtlich eingetragene, dadurch gesetzlich geschützte Grabanlagen erwarben; zutreffender ist wohl, daß in der Frühzeit Unbemittelte ihre letzte Ruhestätte in den Grabanlagen vornehmer Gemeindemitglieder erhielten.
Die Katakomben sind nicht etwa in Sand- oder Steingruben (Arenarien) nachträglich für Begräbniszwecke zurecht gemacht, sondern von Anfang an eigens dafür angelegt worden, gemäß dem Gesetz außerhalb des Stadtbezirks, meist längs der großen Heerstraßen. Die leicht zu bearbeitende, sehr haltbare Tufferde erleichterte die Arbeit, die samt den übrigen Bestattungs-Obliegenheiten Aufgabe der Fossoren war. Größere Katakomben sind nach einem der römischen Stadtanlage (Decumanus major u. minor mit cardo) ähnlichen Grundschema aus parallel laufenden und sich kreuzenden Gängen (in 1-5 Stockwerken) zusammen gesetzt. Ihre Wände enthalten teilweise Loculigräber, und zu ihren Seiten liegen mittelgroße quadratischen Grabkammern (cubicula) oder größere kapellenartige Räume (cryptae). Kleinere Anlagen haben nur 1 oder mehrere Kammern, nebeneinander oder längs eines Ganges. Licht- und Luftschächte (luminaria) führten nach oben ins Freie. Die Leichen wurden seltener (nur bei Wohlhabenden) in Stein-(Marmor-) Sarkophagen geborgen, gewöhnlich in Nischen (loculi) für 1,2 oder 3 Leiber (bisomus, trisomus), der Länge nach, nicht mit dem Kopf nach vorn, weniger oft in den anspruchsvolleren Arkosolien, d.h. sargartig aus der Wand ausgehauenen, von einer halbrunden, seltener quadratischen oder trapezartigen Nische überspannten Gräbern.
In Sizilien und Malta finden sich vielfach auch freistehende, aus dem Stein gehauene Baldachin-Gräber, Grabnischen mit gitterartig durchbrochenem Verschluss (Fenster-Gräber), und besonders aus späterer Zeit Gräber im Boden der Katakomben und Cubicula, außerdem auch Schacht-Gräber, in denen der Leib der Länge nach in die Wandtiefe geschoben wird. Die Grabnische verschloss man durch eine Ziegel- oder Marmorplatte mittels Mörtel luftdicht; beigegebene Krüglein mit Wohlgerüchen sollten, wenn nötig, den Verwesungsgeruch aufheben. In den nassen Mörtel der Verschlussplatte eingelassene Gläser, Lämpchen Münzen, Bronze- und Elfenbein-Figürchen oder Muscheln dienten wohl zur Kenntlichmachung des Grabes. Gewöhnlich aber enthielt eine, in früher Zeit mit Mennige aufgeschriebene oder in den Marmor eingravierte Inschrift den einfachen Namen, in späterer Zeit mit noch mancherlei Zusätzen (über Alter, des Toten, Tag der Beisetzung u.a.) und neben Formeln des christlichen Glaubensbekenntnisses noch Akklamationen der Hinterbliebenen an den Verklärten.
… hervorragende Räume, besonders solche mit Leibern verehrter Personen und Märtyrer, verkleidete man häufig mit Marmor. Regelmäßig aber überzog man die Wände der Gänge und sonstigen Räume mit Stuck zur Aufnahme der entweder rein ornamentalen oder der figürlichen Malerei… Der Kreis der Darstellungen ist nämlich wegen ihrer sepulkralen Zweckbestimmung beschränkt und in mancher Hinsicht von dem späteren der Basiliken und selbst der Sarkophage verschieden. Bestimmte Gruppen kommen immer wieder zusammen vor (Jünglinge im Feuerofen, Noe in der Arche, Daniel in der Löwengrube, Susanna und die Alten, Jonas, Wasserwunder des Moses, Magier-Anbetung, Auferweckung des Lazarus, Heilung des Gichtbrüchigen, Brotvermehrung, Mahlszenen u.a.) In Auswahl und Bevorzugung bestimmter Motive läßt sich auch ein Merkmal der Entstehungszeit oder des einzelnen Coemeteriums erkennen. Von Symbolen trifft man am häufigsten Fisch, Palme, Taube, Lamm, Anker, Pfau, Hirsch, Blumen, Schiffe: Motive, die irgendwie den Jenseitsgedanken versinnbilden; besonders oft aber den vielfach zentral angebrachten Guten Hirten und die Orans. Christus selbst ist immer nur im Zusammenhang biblischer Vorgänge dargestellt oder symbolisch angedeutet durch das Bild des Guten Hirten, des Lammes und Fisches. Die seit der 2. Hälfte des 3. Jahrhundert vereinzelt nachweisbaren Repräsentationsbilder des inmitten der Apostel, Evangelisten oder Märtyrer thronenden oder das Gesetz gebenden Herrn sind Anleihen aus der Basilikalkunst. Abgesehen von Maria, den Apostelfürsten und Evangelisten begegnen Heiligendarstellungen selten (Veneranda) und meist nur aus späterer Zeit, sonders in Neapel.
Die Katakomben dienten für gewöhnlich und zunächst zur Bestattung der Toten, in Zeiten der heftigsten Verfolgungen vielleicht auch als Zufluchtsstätte, dagegen wohl kaum, wie man früher annahm, zur Abhaltung des Gemeinde-Gottesdienstes. Auch die Taufe wird kaum in größerem Umfang in den Katakomben gespendet worden sein, wenngleich man fast in jedem Coemeterium heute mit Grundwasser gefüllte bassinartige Räume damit in Verbindung bringt. Früher suchte man im Coemeterium Majus die Taufstätte Petri, die Marucchi zuletzt im Ceometerium der Priscilla lokalisierte. Dagegen wurden regelmäßig die Totenmahle in den Katakomben abgehalten, an welche noch besonders Räume oder bankartige Steinsitze längs der Wände (z. B. in der Capella Greca der Priscilla-Katakombe, die Triclia unter S. Sebastiano) und vor allem Steinsessel (z.B. im Ceometerium Majus) erinnern, und sicherlich auch die eucharistischen Gedächtnisfeier am Jahrestag des Todes, in größerem Umfang wohl für hervorragende Gemeinde-Mitglieder und bei Märtyrern.
In der Friedenszeit wurden dann für die volle Durchführung der kulturellen Verehrung bei oder über solchen Gräbern, in deren Nähe („ad sanctos“) früh schon die Gläubigen ihre eigenen Ruhestätten suchten, Basiliken erbaut. Im 4. Jahrhundert erwarb sich Papst Damasus große Verdienste durch Renovierung mancher Anlagen, durch Anbringung monumentaler Inschriften an den Gräbern von Märtyrern, besserer Zugänge und durch sonstige Ausschmückung. Vom Anfang des 5. Jahrhunderts an hörten die regelmäßigen Bestattungen in den Katakomben auf infolge der Barbaren-Einfälle, dann auch die liturgischen Feiern sowie überhaupt der Besuch, als man zur Zeit der Langobarden-Kriege im 8. Jahrhundert die wichtigeren Märtyrerleiber in die Stadtkirchen übertrug. So senkte sich, von dem immer zugänglich gebliebenen Coemeterium S. Sebastiani abgesehen, allmählich im Mittelalter das völlige Vergessen über die Katakomben, bis im 15./16. Jahrhundert die Mitglieder der römischen Akademie einige Grüfte aufsuchten und vor allem ein zufälliger Gewölbesturz an der Via Salaria i. J. 1578 das allgemeine Interesse für die Roma Sotterranea wieder weckte. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, Sp. 867 – Sp. 870