Deutschkatholizismus

Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Deutschkatholizismus

Deutschkatholizismus. Die seit Mitte des 18. Jahrhunderts immer mehr ins kirchliche Leben eingedrungene rationalistische Welle, gegen welche um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert in extremer Gegenwirkung die aftermystische Bewegung eines Martin Boos, Joh. Gossner, Ignaz Lindl, der Pöschlianer, Maurerianer, Michaelsritter, Manharter und Salpeterer entstand, und vergebens ankämpfte, wurde durch die kirchliche Reformarbeit seit Pius VII. und durch eine gleichzeitig von Klerus und Laienwelt ausgehende Erneuerungswelle zurück gedrängt, lebte aber als geistige Unterströmung weiter, kam anläßlich der Ausstellung des Hl. Rockes unter Bischof Arnoldi in Trier 1844, die als Ausdruck des Sieges der Kirche über den Rationalismus gedacht war, äußerlich zum Durchbruch und führte zur Entstehung des Deutschkatholizismus. Hauptträger der Bewegung wurden die suspendierten Priester Johann Ronge und Joh. Czerski. 12.1.1845 erfolgte in Breslau die Gründung der neuen, romfreien Kirche, die sich zunächst Allgemeine christliche Kirche, auf ihrem ersten „Konzil“ 23.3.1845 zu Leipzig, auf dem bereits 15 Gemeinden vertreten waren, Deutschkatholische Kirche nannte, ein rationalistisches Glaubensbekenntnis aufstellte die Bibel als einzige Glaubensnorm erklärte, das kirchliche Lehramt und den päpstlichen Primat leugnete, Ohrenbeichte und Ablass, Zölibat, Anrufung der Heiligen, Verehrung der Reliquien und Bilder, Wallfahrten und Fasten verwarf, von den Sakramenten nur Taufe und Abendmahl (unter beiden Gestalten) beibehielt und an Stelle der Messe eine deutsche Liturgie ohne Kanon einführte. Ronge unternahm 1845 fünf Werbereisen durch Deutschland, wurde von protestantischen Theologen, liberalen Katholiken, völkischen Kreisen und vielen Städten, besonders Halle, Ulm, Heidelberg, Mannheim, Offenbach, Frankfurt a. M., Weimar, als zweiter Reformator gefeiert, von den kühler denkenden Regierungen aber abgelehnt. Der Deutschkatholizismus erreichte 1847 seinen Höhepunkt. Auf dem 2. „Konzil“ 25. – 29.5.1847 zu Berlin zählte man Delegierte aus 259 Gemeinden mit 88 Geistlichen. Die Gesamtzahl betrug damals 60 – 80000. Seit 1846 entstanden auch unter den Deutschamerikanern in Neuyork, St. Louis und Philadelphia deutschkatholische (freikatholische) Gemeinden, seit dem Revolutionsjahr 1848 drang die Bewegung auch in Österreich und Bayern vor. Doch hatte sich inzwischen, durch Ronges radikal freigeistige Bestrebungen abgestoßen, schon am 15.7.1846 die gemäßigtere Gruppe der Protestkatholiken abgezweigt. Die sich zunehmend zersetzende Bewegung suchte seit 1850 Anschluss an die „Freien protestantischen Gemeinden“ (Lichtfreunde), mit denen sie sich 1859, auf 90 Gemeinden zusammen geschmolzen, zu dem durchaus atheistischen Bund freier religiöser Gemeinden Deutschlands zusammen schloß. Dieser vereinigte sich 1921 mit dem „Freidenkerbund“ zum Volksbund für Geistesfreiheit, der heute mit den übrigen Freidenker-Verbänden den schärfsten Kampf gegen das positive Christentum, besonders die katholische Kirche, führt. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. III, 1931, Sp. 237 – Sp. 238

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