Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Blutampullen
Blutampullen (Blutgläser, ampullae sanguinolentae; phiolae cruentae, rubricatae; vgl. Art. Ampullen), kleine schalen- oder flaschenförmige, im innern oder am Verschluss von Katakomben-Gräbern gefundene Gläser mit rotem Niederschlag, den man als Märtyrerblut ansah und als Beweis für den Märtyrer-Charakter der Beigesetzten, deren Reste als Reliquien verehrt wurden, bestärkt durch entsprechende Entscheide der Ritenkongregation (v. 1668 u. 1863). Nachdem schon J. Basnage und Mabillon Zweifel ausgesprochen, wies de Buck die Unrichtigkeit dieser Annahme nach und fand durch die weitere Forschung und durch die chemische Untersuchung, die in keinem Fall sicher Blut, sondern immer nur Eisenoxid ergab, Recht. Den ursprünglichen Inhalt betrachtet man entweder als (Oblations-)Wein oder richtiger als Weihwasser. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. II, 1931, Sp. 404
Schon im antiken Rom wurde das Blut der Gladiatoren gesammelt und als Amulett getragen. Es kann daher nicht befremden, daß auch die Christen das Blut ihrer Märtyrer mit Tüchern, Schwämmen, Fläschchen aufzufangen suchten (Acta Cypriani, ed. Ruinart, n. 5; Prudent. Perist. 11, 141) und wenigstens zu Hause als Reliquie aufbewahrten (Perist. 5, 344). Seotdem nun die römischen Katakomben wieder zugänglich wurden (16. Jahrhundert), fand man teils im Innern der Gräber (loculi), teils in dem äußeren Verputz derselben eine große Menge von Ampullen aus Glas oder Ton, welche die Form von konischen oder bauchigen Gefäßen mit engem oder weitem Hals haben. (Vgl. Abb. Bei Aringhi, Roma sotter. I, und Kraus, Rom. Sott., 2. Aufl., 507 u. 508) Da die primitive Form dieser Gefäße für Bestimmung des Alters keine hinreichenden Anhaltspunkte gewähren kann, so ist die etwaige Verzierung (Monogramm) und zunächst der Fundort und die Inschrift des Epitaphiums in betracht zu ziehen. Ein Teil stammt aus der Zeit der Verfolgungen; ein sehr beträchtlicher Teil aber gehört der konstantinischen Periode an.
Von archäologischem und liturgischem Interesse ist die Frage nach dem Inhalt und dem Zweck dieser Fläschchen. Ältere Forscher, z. B. Bosio, Aringhi, Fabritti (1700), besonders Boldetti, Bottari, Mamchi, Bianchini u. A., waren der Ansicht, diese Ampullen enthielten Blut und seien sichere Zeichen für das grab eines heiligen Märtyrers. Diese Ansicht wurde auch von der S. C. Indulg. et. Rell. Festgehalten, welche 10. April 1668 erklärte: „palmam et vas illorum (martyrum) sanguine tinctum pro signis certissimis habenda esse.“ Von dem hier angedeuteten Kennzeichen führt Benedikt XIV. (vgl. Dekret S. C: 10. Dec. 1863) noch die Blutampulle als untrügliches Merkmal des Martyriums an, nicht mehr die Palme. Je mehr indes die archäologischen Studien ausgedehnt wurden, desto mehr entstanden selbst gegen die Blutphiole als Zeichen eines Märtyrergrabes Bedenken. Solche äußerten von Seite der protestantischen Gelehrten Basnage (1699), Röstell, Bellermann (1839), von Seite katholischer Schriftsteller Mabillon (unter dem Namen Eusebius Romanus an Theophilus Gallus, widerrufen De cultu sanctorum ignotorum, Vet. Anal., Par. 1723, 556), Tillemont, Muratori (Thes. Inscript. 1898, n. 5; …)
Da die Frage nach dem Inhalt und dem Zweck dieser Ampullen vornehmlich für den Reliquienkult Bedeutung hat, so wurde sie neuerdings von der S.R.C. untersucht und am 10. Dezember 1863 dahin entschieden: „philas vitreas aut figulinas sanguine tinctas, quae ad loculos sepultorum in sacris coemeteriis vel intus vel extra ipsos reperiuntur, censeri martyrii signum. Der römische Custos der Reliquien Arch. Scognamiglio (Paris 1867) und Fr. X. Kraus (Blutampullen, Frankf. 1868) suchten dieses Dekret mit den Resultaten der Archäologie in Einklang zu bringen, fanden aber Widerspruch, so daß Letzterer in seiner zweiten Schrift (Freib. 1872) die Phiolen am Äußern der Gräber nur als Zeichen der martyres non vindicati (nicht kirchlich approbierten Märtyrer) angesehen wissen will, da in den bisher aufgefundenen Gräbern anerkannter Märtyrer die Ampulle nicht entdeckt werden konnte. So lange als die archäologische Wissenschaft nur negative Resultate erzielt und der Inhalt der besprochenen Gefäße bald für Wein, Weihwasser, Balsam, bald für Eisenoxid hält, kann dem apostolischen Stuhl um so weniger zugemutet werden, daß er seine bisherige Entscheidung ändere, as 4-5 Ampullen aus dem Innern von loculi chemisch untersucht wurden und mit größer Wahrscheinlichkeit Blut als Inhalt nachgewiesen werden konnte. –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 1, 1882, Sp. 766 – Sp. 767