Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Ludwig der Bayer
Ludwig IV. der Bayer, * 1.4.1282 zu München als Sohn des Herzogs Ludwig II. von Oberbayern und Mechthilds, der Tochter Rudolfs von Habsburg, 1294 Herzog von Oberbayern-Ingolstadt, 20.10.1314 von der Mehrzahl der deutschen Kurfürsten zum König erkoren, während eine Minderheit seinen Vetter, Herzog Friedrich den Schönen von Österreich, wählte. Nach 8jährigem Kampf entschied die Schlacht bei Mühldorf 1322 für Ludwig. Aber jetzt beanspruchte Johannes XXII. das Recht für den Papst, bei einer streitigen Königswahl in Deutschland zu entscheiden, welcher von den Gewählten als rechtmäßiger deutscher König, damit als Anwärter auf die vom Papst zu verleihende römische Kaiserwürde zu gelten habe; während der Erledigung des Kaisertums stünden alle kaiserlichen Rechte, vor allem die in Reichsitalien, dem Papst zu. Ludwig jedoch hielt durch Mühldorf die Rechtmäßigkeit seines Königtums für entschieden und sich damit für befugt, die Rechte des Reichs in Italien auszuüben. März 1323 sandte er Berthold v. Neifen als Reichsvikar dorthin. Als Berthold den vom Papst gebannten und von Robert v. Neapel hart bedrängten Visconti in Mailand Hilfe brachte, machte Johann, durch französischen Einfluss mitbestimmt, am 8.10.1323 unter Widerspruch mehrerer Kardinäle Ludwig den 1. Prozess: Ludwig wurde aufgefordert, wegen Anmaßung der römischen Königswürde und Ausübung von Regierungs-Rechten in Reichsitalien sowie wegen Begünstigung der Ketzerei (Hilfe für die Visconti) innerhalb 3 Monaten die Regierung nieder zu legen und sich in Avignon zu verantworten. Dagegen appellierte Ludwig am 18.12.1323 zu Nürnberg und unterVerzicht auf die hier erhobene Gegenanklage auf Häresie am 5.1.1324 zu Frankfurt an ein allgemeines Konzil.
Die Bannung durch den Papst am 24.3. erwiderte er mit der leidenschaftlichen Appellation von Sachsenhausen (23.5.), worin er, vom verschlagenen Protonotar Ulrich Wild vorwärts getrieben, den für ihn günstigen staatsrechtlichen Boden verließ und den Papst neuerdings der Ketzerei anklagte – diesmal wegen Johanns Stellung im Armutsstreit – und dessen Absetzung durch ein Konzil forderte. Der Papst erklärte 11.7.1324 Ludwig für abgesetzt und belegte seine Anhänger mit Bann und Interdikt. Den Bestrebungen, den französischen König auf den deutschen Thron zu erheben, begegnete Ludwig geschickt durch Verständigung mit Friedrich dem Schönen. Nun geriet er aber unter den Einfluss des an seinen Hof gekommenen Marsilius von Padua, der ihm den Defensor pacis widmete, und ließ sich auf seinem Römerzug 1327/28 von den Ghibellinen umjubelt, durch dessen revolutionäre Theorie und den stadtrömischen Nationalismus verhängnisvoll weitertreiben. Im Widerspruch mit der ganzen bisherigen Überlieferung, die im Papst den alleinigen Verleiher der Kaiserwürde sah, empfing er 17.1.1328 die Kaiserkrone aus den Händen des römischen Volkes durch Sciarra Colonna; am 18.4. verkündete er die Absetzung des Papstes; am Himmelfahrtstag 1328 erhob er unter Mitwirkung des römischen Volkes den Minoriten Petrus von Corbara als Nikolaus V. zum Gegenpapst. Die papstfeindlichen Minoriten, besonders Ockham, der bald darauf in Pisa an Ludwigs Hof kam, gewannen nun überhaupt neben Marsilius maßgebenden Einfluss auf den Kaiser und verteidigten ihn federgewandt. Johann XXII. antwortete mit immer neuen Prozessen gegen Ludwig. Schon 1327 hatte er ihm auch das Herzogtum Bayern abgesprochen und er ließ nun gegen ihn als Beschützer der Ketzer das Kreuz predigen. Aussöhnungs-Versuche Ludwigs nach der Rückkehr aus Italien scheiterten an der unerbittlichen Haltung Johann XXII., der Ludwigs Verzicht auf Königs- und Kaiserwürde und damit Anerkennung des päpstlichen Approbations-Anspruchs gegenüber der deutschen Königswahl forderte.
Auch Verhandlungen mit Johanns mildem Nachfolger Benedikt XII. auf der Grundlage der von Ludwig angenommenen sogenannten Prokuratiorien (Vollmachten) blieben ergebnislos wegen Misstrauens gegen Ludwigs diplomatischem Verhalten, vorwiegend aber wegen der erneuten Überspannung der päpstlichen Forderungen unter dem Druck Frankreichs. Darüber entstand eine große nationale Erregung in Deutschland (vgl. den Planctus ecclesiae Konrads von Megenberg). Auf den Tagen von Rhens, Frankfurt und Koblenz (1338) stellten sich die Kurfürsten und Stände hinter den Kaiser zur Verteidigung der Reichsrechte. Ludwig, der sich damals auch mit England gegen Frankreich verbündete, nützte aber die Gunst der Lage nicht. Seine rücksichtslose Hausmachtpolitik bei Eroberung Tirols entzog ihm dann das Vertrauen der Fürsten und brachte ihm die erbitterte Feindschaft des Luxemburgers Karl von Mähren; die infolge der Heirat seines Sohnes Ludwig mit der Margarete Maultasch begangene schwere Verletzung des kirchlichen Eherechts bot dem Papst gegen den Kaiser eine neue Handhabe.
Als nach Benedikt XII. 1342 der Karl befreundete Klemens VI. den Apostolischen Stuhl bestieg, erlag Ludwig schließlich „dem päpstlich-französisch-luxemburgischen Dreiverband seiner Widersacher“ (Hampe). Durch Ausgleichs-Verhandlungen hingehalten, bis die Wahl Karls zum König gesichert war, wurde Ludwig und sein Geschlecht Gründonnerstag 1346 nochmals gebannt und 11.7.1346 Karl zum Gegenkönig gewählt. Ludwig hatte bis zuletzt einen großen Anhang im Reich, besonders bei dem von ihm geförderten städtischen Bürgertum. Sein plötzlicher Tod 11.10.1347 zu Fürstenfeld ersparte Deutschland die Leiden eines Bürgerkrieges. Beigesetzt wurde Ludwig in der Münchner Frauenkirche (berühmtes Denkmal nach dem Entwirf P. Candids 1622). Erst während des Basler Konzils (1431/36) erfolgte seine kirchliche Rehabilitation (HistJahrb 1891, 542/44).
Der Persönlichkeit Ludwigs fehlt die schon von den Zeitgenossen vermißte klare Geschlossenheit; er ließ sich durch fremde Einflüsse und Stimmungen zu unrichtigen, verhängnisvollen Schritten fortreißen. Dich sichert ihm die von der neueren Forschung deutlicher heraus gestellte unerschütterliche Festigkeit, mit der er, von einer schon romantischen Auffassung der Kaiseridee erfüllt, die Rechte des Reiches gegen die übersteigerten Ansprüche und der Unversöhnlichkeit seiner unter französischem Einfluss stehenden päpstlichen Gegner verteidigt hat, einen bedeutenden Platz unter den Kaisern des späten Mittelalters. Am Kirchenbann hat der persönlich gläubige Kaiser, der Gründer des Benediktiner-Klosters Ettal (1330), offenbar nicht leicht getragen. Für die Auffassung in Kreisen seiner Anhänger ist von großem Interesse die Stellung der Mystikerin Margarete Ebner (vgl. StimmML 81[1911] 137/40). –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VI, 1934, Sp. 690 – Sp. 692