Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Französische Könige mit Namen Philipp
Philipp I. – Philipp II August – Philipp II. der Kühne – Philipp IV. der Schöne – Philipp VI.
Philipp I., * 1052 als Sohn Heinrichs I. und Annas v. Kijew, regierte 1060 bis 66 unter der Vormundschaft Balduins v. Flandern, seitdem selbständig, † 29.7.1108 zu Melun. Philipp wurde von Papst Gregor VII. wegen Simonie zurecht gewiesen, im übrigen aber schonend behandelt, um ihn nicht ins Lager Heinrichs IV. zu treiben. Der Hauptangriff im französischen Investiturstreit richtete sich gegen die Erzbischöfe unter Führung des Primas und königlichen Kanzlers Manasse v. Reims, der 1080 abgesetzt wurde. Philipp verstieß 1092 nach 20jähriger Ehe seine Gemahlin Berta v. Holland unter dem Vorwand der Blutsverwandtschaft, entführte und heiratete darauf die schöne Bertrada v. Montfort, Gattin des alten Grafen Fulko v. Anjou. Bischöfe, die wegen dieses doppelten Ehebruchs gegen Philipp vorgehen wollten, wurden eingeschüchtert. Ivo v. Chartres sogar gefangen gesetzt. Der Bischof v. Senlis nahm die Trennung vor. Von Hugo v. Lyon auf dem Konzil v. Autun 1094, von Papst Urban II. zu Clermont 1094 gebannt, versprach Philipp Bertradas Entlassung und wurde auf dem Konzil v. Nimes 1096 absolviert. Gegen den Rückfälligen erneuerten die Legaten Paschalis` II. 1100 in Poitiers den Bann. Erst 2.12.1104 wurde er zu Paris wieder davon gelöst. Aus der Ehe mit Berta stammten Ludwig VI., den der König um 1100 wegen seiner Schwierigkeiten mit dem Papsttum zum Mitregenten ernannte. Und Konstanze, die in erster Ehe mit dem Grafen Hugo v. Troyes, dann mit mit Fürst Boëmund I. v. Antiochien vermählt war.
Sein Urenkel Philipp II. August 1180 bis 1223, * 21.8.1165 in Gonesse bei Paris, †14.7.1223 zu Mantes; Sohn Ludwigs VII. und Adelas v. Champagne. Er zog mit Richard Löwenherz nach dem hl. Land (3. Kreuzzug), nahm Johann ohne Land v. England, den er zum Verlust seiner französischen Lehen verurteilt hatte, die Normandie und die Gebiete an der Loire, besiegte 27.7.1214 Kaiser Otto IV. und seine Verbündeten bei Bouvines. Der Zusammenbruch des englischen Anjou-Reiches war damit besiegelt. Weil er seine 2. Gemahlin, die dänische Prinzessin Ingeborg, gleich nach der Eheschließung (1193) verstieß und 1196 sich mit Agnes v. Meran († 1201) verband, verhängte innozenz III. 1198 das Interdikt über Frankreich; erst 1213 erfolgte die Aussöhnung mit Ingeborg. Vom 4. Kreuzzug (1202-04) hielt Philipp August fern (vgl. HistJahrb 1923, 15/52), ebenso vom Kreuzzug gegen die Albigenser (1209-14).
Dessen Urenkel Philipp II. der Kühne (le Hardi) 1270-85), * 3.4.1245 zu Poissy, † 5.10.1285 zu Perpignan; Sohn Ludwigs IX. des Heiligen und Margaretas von der Provence, begleitete seinen Vater 1270 auf dem Kreuzzug gegen Tunis, erbte von seinem Oheim Alfons v. Poitiers und dessen Gemahlin Johanna weite Gebiete Südfrankreichs, überließ aber 1274 die Grafschaft Venaissin dem Papst. Im Innern dehnte er die königlichen Machtbefugnisse erheblich aus und zog auch den Klerus trotz Klagen der Synode v. Bourges (1276) schärfer zu den Leistungen für den Staat heran. Er kämpfte für das Thronfolgerecht seiner Neffen 1276 ohne Erfolg gegen Kastilien, unternahm 1285 auf Veranlassung Martins IV. wegen der Sizilianischen Vesper dem missglückten Zug gegen Peter III. v. Aragon und starb auf dem Rückzug.
Philipp IV. der Schöne (le Bel) 1285 bis 1314, * 1268 zu Fontainebleau, † ebd. 29.11.1314; Sohn des Vorigen und Isabellas v. Aragon. „Durch sein ganzes Dasein weht schon der schneidende Luftzug der neueren Geschichte“ (Ranke). Ein kalter, ruhig überlegender Rechner verfolgte Philipp ohne Skrupel in der Wahl seiner Mittel hartnäckig das Ziel einer nach innen und außen unabhängigen Alleinherrschaft, selbständig und verantwortungsbewusst bei allen seinen folgenschweren Entschlüssen (der Anteil seiner Umgebung an seinen Handlungen bleibt unklar), dabei doch auch persönlich fromm. Zu seinen Ratgebern wählte er vornehmlich bürgerliche Laienjuristen aus dem Midi, Legisten wie Peter Flote, Wilhelm v. Nogaret, Wilh. v. Plaisian, Peter Dubois u. Enguerrand v. Marigny, alle Beherrscht vom Geist des römischen Rechts, der Zentralisierung und Rationalisierung des Staatswesens.
Ihr religiöser Nationalismus, der das Gottesgnadentum des französischen Königtums trug, war romfremd, betonte die Eigenrechtlichkeit in temporalibus und gab damit das Losungswort aus für die Emanzipation des weltlichen Staates. Philipps Ehe mit Johanna brachte das Königtum Navarra sowie die Grafschaften Champagne und Brie ein. Des Königs verschlagene Annexions- und Ausdehnungs-Politik, die überall nach „natürlichen Grenzen“ strebte, war besonders erfolgreich im Osten (1295 Besetzung von Pfalzburgund, 1299 Vorschieben der Maasgrenze, Einnisten inLothringen, Toul und Verdun, 1312 Erwerb Lyons). Von Flandern riß er nach schweren Kämpfen (Mette v. Brügge, Sporenschlacht v. Kortryk 1302) im Vertrag v. Athis 1305 die Kastellanien Béthune, Lille und Douai los. Chronischer Geldmangel, verursacht durch gesteigerte Verwaltungskosten und ständige Kriege, nötigten ihn zu seiner berüchtigten Finanzpolitik (indirekte Besteuerung, Zwangsanleihen, Konfiskationen, Münzverschlechterungen, Judenverfolgungen).
Als der Klerus sich anläßlich einer ohne päpstliche Zustimmung vorgenommenen Besteuerung des Kirchengutes bei Bonifatius VIII. Beschwerte und dieser in der Bulle Clericis laicos (25.2.1296) hiergegen protestierte, entstand der schwere Konflikt mit dem Papsttum. Philipp verbot die Geldausfuhr, worauf Bonifaz in der Bulle Etsi de statu v. 31.7.1297 einlenkte. 1301 brach der Streit von neuem aus, als der Papst durch seinen dem König mißliebigen Legaten Bernhard de Saisset wegen Verletzung kirchlicher Rechte bei Philipp freimütig Vorstellungen erhob. Nach Rückkehr in sein Bistum wurde Saisset verhaftet und wegen Hochverrats vor Gericht gestellt. Bonifaz forderte die Freilassung, berief die französischen Prälaten auf 1.11.1302 zu einem Konzil nach Rom und lud durch die Bulle Ausculta fili v. 5.12.1301 auch Philipp dorthin zur Verantwortung. Zur Gewinnung der öffentlichen Meinung versammelte der König bereits am 10.3.1302 in Paris erstmals die Generalstände und entfachte durch Verlesung der fingierten Bulle Deum time und eines gefälschten Antwortschreibens (Sciat maxima tua fatuitas) einen Sturm nationaler Entrüstung. Sofort griffen auf beiden Seiten zahlreiche Schriftsteller zur Feder; wie im Investiturstreit entstand wieder eine umfangreiche Publizistik. Die welthistorische Bulle Unam sanctam v. 18.11.1302, in der Philipp gebannt wurde, ließ den Plan der Absetzung Bonifaz` durch ein allgemeines Konzil entstehen. Eine Notabeln-Versammlung im Louvre und eine Volksversammlung in den königlichen Gärten (Juni 1303) gaben diesem Verlangen lauten Ausdruck. Gegenmaßnahmen des Papstes wurden verhindert durch das Attentat v. Anagni (7.9.1303) und Bonifaz` Tod.
Benedikt XI. löste Philipp vom Bann. Unter seinem Nachfolger Clemens V. war der Einfluss des französischen Königtums bereits so mächtig, daß es nicht nur die Zurückname der Bullen Bonifaz` VIII. erreichte, sondern den Papst auch veranlassen konnte, seine Residenz in Avignon aufzuschlagen. Um den von den Legisten Philipps betriebenen Ketzerprozess gegen Bonifaz aus der Welt schaffen zu können, opferte Clemens schließlich auf Denunziationen des Esquiu v. Floyran den Templerorden dem französischen Fiskalismus. Philipps letzte Tage waren sehr getrübt durch die Skandalgeschichten seiner Schwiegertöchter.
Philipp VI. 1328-50, * 1293, † 22.8.1350 zu Nogent-le-Roi; Sohn Karls v. Valois, des Bruders Philipps des Schönen, und Margaretas v. Neapel. Gegen ihn als den 1. Valois erhob der Tochtersohn Philipps des Schönen, Eduard v. England, Ansprüche auf den französischen Thron. Es begann der 100jährige Krieg, der den Kirchen und Klöstern Frankreichs ungeheure Verheerungen brachte. Die französische Flotte wurde 1346 bei Crécy geschlagen; 3.8.1347 ging Calais verloren. Ohne Erfolg suchten die avignonesischen Päpste zu vermitteln. Gegen Häretiker und Gotteslästerer erließ Philipp strenge Gesetze; auch den Wucher bekämpfte er. Unter ihm tobte Streit zwischen Legisten und Bischöfen über die Gerichtsbarkeit. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VIII, 1936, Sp. 223 – Sp. 226