Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Synode von Pisa (1409)
Von den Synoden ist die von 1409 die bedeutendste. Enttäuscht und verärgert über das unschlüssige, widerspruchsvolle Verhalten Gregors XII. und des Gegenpapstes Benedikt XIII. in der Unionsfrage, entschlossen sich die meisten Kardinäle beider Obedienzen, ihre Päpste zu verlassen, und vereinbarten 29.7.1408 auf der Zusammenkunft v. Livorno, 1409 eine allgemeine Synode abzuhalten, um den Wirrwarr des Schismas zu beseitigen.
Benedikt XIII. suchte das Unternehmen durch Abhaltung einer Synode in Perpignan zu vereiteln, und Gregor XII. schrieb auf Pfingsten 1409 eine Synode nach Cividale bei Aquileja aus. Die vereinigten Kardinäle eröffneten jedoch am 25.3.1409 zu Pisa ihre Synode, die zur Zeit der stärksten Teilnahme 24 Kardinäle, 4 Patriarchen, 80 Bischöfe, Prokuratoren von 102 abwesenden Bischöfen, 87 Äbte (u. 200 Prokuratoren), 41 Prioren, die Generale OP, OMin, OCarm u AugEr, über 100 Domkapitel und 300 Doktoren der Theologie, Vertreter von 13 Universitäten und Gesandte fast aller abendländischen Fürsten zu Teilnehmern zählte. Der deutsche König Ruprecht verneinte die Rechtmäßigkeit der Synode und blieb mit Ladislaus v. Neapel Gregor XII. treu, während Aragonien, Portugal und Schottland an Benedikt XIII. festhielten.
Die Synode erklärte sich in ihrer 8. Sitzung (qm 10.5.) für kanonisch berufen und ökumenisch, setzte in der 15. Sitzung (am 5.6.) die beiden Päpste als notorische Schismatiker und Häretiker ab und beauftragte die Kardinäle mit der Neuwahl. Aus ihr ging am 26.6. einstimmig der Erzbischof v. Mailand, Kardinal Petrus Philargi (Alexander V.) hervor. Damit war die causa unionis nicht erledigt, vielmehr an Stelle der „verruchten Zweiheit“ jetzt die „verfluchte Dreiheit“ getreten, da die beiden andern Päpste die Absetzung nicht anerkannten. Die 2. Aufgabe der Synode aber, die von allen Seiten ersehnte causa reformationis, musste, weil zu wenig vorbereitet, auf ein binnen 3 Jahren zu berufendes neues Konzil vertagt werden; inzwischen sollte Provinz- und Diözesan-Synoden die Gegenstände hierfür beraten. In der 23. Sitzung schloss der neue Papst am 7.8.1409 die Synode. –
Nicht nur die Anhänger der beiden abgesetzten Päpste, sondern auch Kardinal de Bar, der hl. Antonin, Ballerini, Hefele, Jungmann, Wernz u.a. haben die Synode den ökumenischen Charakter abgesprochen. Zwar vertraten d’Ailly und Gerson (in seinen gleichzeitigen Schriften De unitate eccl. Und De auferibilitate papae) die schon v. Wilhelm v. Ockham, Heinrich Heinbuche v. Langenstein u. Konrad v. Gelnhausen verfochtenen Pisaner konziliaren Grundsätze (Episkopalsystem), und fast alle Gallikaner (Edm. Richter, Bossuet, Alexander Natalis usw.) haben das Konzil v. Pisa zu einem ökumenischen zu stempeln gesucht.
„Da jedoch die Synode von Pisa fast bei der Hälfte des episcopatus dispersus sowie bei ganzen Nationen Widerstand fand und von allen diesen nicht angenommen wurde, so ist sie von der kirchlichen Autorität und von den bewährtesten Theologen nie in die Reihe der allgemeinen Konzilien versetzt worden“. (Hefele I, 68. Pastor (I, 186ff.), Hergenröther-Kirsch (II, 840ff) u.a. stellen den revolutionären Charakter und die papstfeindliche Haltung des Konzils stark in den Vordergrund; Bliemetzrieder, Pfülf (StimmML 64, 1903, S. 323ff.) u.a. urteilen, daß nach so viel misslungenen Unionsversuchen die via concilii den Kardinälen als der einzig gangbare Weg zur Herbeiführung der dringend notwendigen kirchlichen Einheit erscheinen musste, und daß die Not das Unternehmen erklärlich macht.
Das sog. 2. Konzil von Pisa 1511-12, ein von 9 mit Papst Julius II unzufriedenen Kardinälen berufenes Konziliabulum, besucht von 7 Kardinälen, 16 Bischöfen, 4 Äbten, 14 Doktoren und Domherren, war im Grunde nur eine von den Kardinälen Guill. Briconnet und Bernardino de Carvajal gegen den Papst inszenierte französische Intrige. Es wurde am 1.11.1511 in Pisa eröffnet, im Dezember nach Mailand verlegt, wo es in der 8. Sitzung den Papst suspendierte; dann ging es nach Asti und Lyon, wo es sich, von Julius II. als schismatisch zensuriert, von selbst auflöste. Die Kardinäle unterwarfen sich später auf dem 5. Laterankonzil (seit Anfang Mai 1512). –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VIII, 1936, Sp. 291 – Sp. 292