Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Cassianus
Cassianus, Johannes, Kirchenschriftsteller, * ca. 360 in der Dobrudscha (nach Zahn, Bardenhewer und besonders Merkle in TeholQschr. 1900, 419/41), oder in Skythien (Tillemont mit Gennadius), oder zu Sert in Kurdistan (Thibaut), oder in Südgallien (Petschenig, Abel und Kardinal Noris) oder in Syrien (Hoch), oder zu Skythopolis in Palästina (Ménager in EchOr 1921, 330/58), † ca. 430/35. Mit seinem Freund Germanus trat er früh in ein Kloster zu Bethlehem und besuchte von ca. 385 bis 394 und nach seiner Rückkehr in sein Heimatkloster noch einmal auf ca. 3 Jahre Ägypten bzw. die skethische Wüste und die andern Wirkstätten der Mönche. Danach gingen sie zum hl. Chrysostomus. Dieser weihte Cassianus zum Diakon. Als Chrysostomus zum 2. Mal verbannt wurde, ging Cassianus als sein Anwalt nach Rom zu Papst Innozenz I. Hier (nach Petschenig: in Massilia) wahrscheinlich zum Priester geweiht, kam Cassianus gegen 415 nach Massilia (Marseille). Dort gründete er je ein Männer- und Frauenkloster. Dadurch und mehr noch durch seine Schriften trug er sehr viel zur Verbreitung des Mönchtums in Gallien und Spanien bei und war, die Lehren des orientalischen Mönchtums vermittelnd und die Tradition formulierend, auf längere Zeit der Lehrmeister der abendländischen Mönche und ihrer Aszese. Mancherorts, besonders in Marseille, wird er noch heute als Heiliger verehrt (Fest 29. Febr. bzw. 23. Juli).
Cassianus verfaßte 419/26 De Institutis coenobrium et de octo principalium vitiorum remediis libri XII und bis zum Jahre 428 Conlationes patrum. Das erste Werk regelte mehr das äußere, das zweite das innere Leben. Die Conlationes, wohl mehr oder weniger fingierte Reden Cassianus und des Germanus mit ägyptischen Mönchen, stimmen dem Inhalt nach mit den aszetischen Ansichten der damaligen Zeit überein und waren sehr geschätzt, namentlich vom hl. Benedikt und Cassiodor zur Lesung empfohlen und hierfür viel gebraucht (20 Druckausg. Von 1485 bis 1667)… Durch Conlationes 3, 5 und besonders 13 wurde Cassianus der Vater des Semipelagianismus. Im Gegensatz zu Augustin (besonders De corrept. et gratia) läßt er den Anfang der guten Werke und die Vorbereitung auf die Gnade vom Menschen allein ausgehen. Augustinus (De praedest. Sanctorum und De dono perseverantiae) sowie Prosper von Aquitanien (De gratia die et de libero arbitrio und Adv. Collatorem) bekämpften diese Ansicht sofort; sie wurde auch auf dem Konzil von Orange 529 unter Cäsarius von Arles verworfen. Auf Bitten des damaligen römischen Diakons und späteren Papstes Leo I. schrieb Cassianus 430 – 31 De incarnatione domini contra Nestorium. Wahrscheinlich hat Cassianus auch die Entwicklung der gallikanischen Liturgie stark beeinflußt durch Zuführung chaldäisch-ephesinischer Elemente. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. II, 1931, Sp. 783 – Sp. 784