Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Brüder Jesu
Brüder Jesu werden im Neuen Testament öfter allgemein erwähnt, wie auch Schwestern Jesu (Mt. 13,56 = Mk. 6,3, alle in Nazareth befindlich; Mk. 3,32; Joh. 2,12). Mt. 13,55 = Mk. 6,3 zählen die Nazarethaner 4 bei bei ihnen lebende Brüder nach den Eltern Jesu mit Namen auf: Jakobus, Joseph (gräzisiert Joses), Simon und Judas (Mk.: Judas und Simon). Der erstgenannten Jakobus erwähnt auch Gal. 1,19 als „Bruder des Herrn“.
1) Die Herrnbrüder sind Vettern Jesu. Die an sich nächstliegende buchstäbliche, sogar von positiv gläubigen Protestanten (wie Th. Zahn) vertreten Auffassung, es handle sich um leibliche Kinder Josephs und Mariens, Jesus sei der Erstgeborene (Lk. 2,7), und nach seiner Geburt (Mt. 1,25) seien die übrigen Kinder zur Welt gekommen, ist unrichtig. Denn Mt. 27,56 = Mk. 15,40 ist unter den Frauen beim Kreuz Maria, die Mutter des Jakobus (des Kleinen) und Joseph, erwähnt; bei Mt. 2761 und 28,1 heißt sie „die andere Maria“ (im Unterschied zur Magdalenerin), bei Mk. 15,47 „Maria, des Joses“ (Mutter). Die Mutter des Jakobus und Joseph ist also eine andere Maria, nicht die Mutter Jesu. Da Jesus nach Judas 1,1 der Bruder des (Herrnbruders) Jakobus ist, gehört auch dieser in die gleiche Familie. –
Könnten aber die Brüder Jesu nicht Stiefgeschwister Jesu aus einer früheren Ehe Josephs sein, wie das alte apokryphe Protoevangelium Jacobi (Kap. 9) annahm? Aber schon Hegesipp (bei Eusebius, HE 4, 22,4) erklärte die Herrnbrüder für Vettern Jesu und betrachtete den Joh. 19,25 erwähnten Kleophas als Gemahl der am Kreuz stehenden Maria und Joseph und Kleophas als Brüder. Indes wird die Verwandtschaft der Herrnbrüder mit Jesus nicht durch ihre Väter, sondern durch ihre Mütter vermittelt sein, da Joh. 19,35 … Dieser nach den Quellenangaben unbedingt zwingenden Zuweisung der Herrnbrüder zu einer mit Jesus verwandten Familie wäre nur durch die fast undenkbare Annahme eines Söhnepaares namens Jakobus und Joses sowohl in Jesu Familie wie in der Familie der anderen Maria auszuweichen. Wenn Maria aber noch andere Söhne hatte, hätte Jesus am Kreuz seine Mutter nicht dem Schutz des Johannes als ihres nunmehrigen Sohnes empfohlen (Joh. 19,26)… Lk. 1,34 bekundet den Entschluß Mariens, jungfräulich zu beliben (vgl. Hieronymus, Adv. Helvidium: Migne PL 23, 183ff). Die Herrnbrüder hatten für die Mission Jesu anfänglich nicht das richtige Verhältnis (Mk. 3,21 u. 3,31f u. Parall.; Joh. 7,5). Aber nach Jesu Himmelfahrt waren sie mit den 12 Aposteln, den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, im Gebet vereint (Apg. 1,14); sie beteiligten sich auch an der Missionsarbeit neben den Aposteln (1. Kor. 9,5).
2) Die Brüder Jesu sind teilweise auch Apostel. Legen Apg. 1,14 u. 1. Kor. 9,5 nahe, Apostel und Herrnbrüder als völlig verschiedene Gruppen aufzufassen, so gibt es auch Indizien dafür, daß die Brüder Jesu zum Teil auch unter die Zwölf aufgenommen worden waren. Jakobus wird Gal. 1,19 zu den Aposteln gezählt; … War aber der Herrnbruder Jakobus Apostel, dann sicher auch sein Bruder Judas (Judas 1,1) und möglicherweise, ja wegen der gleichen Rangfolge (Mt. 13,55: Jakobus … Simon Judas; Lk. 5,15 = Apg. 1,13: Jakobus, Simon, Judas) wahrscheinlich auch Simon. Der 4. Herrnbruder Joseph mag dann zusammen mit anderen, nicht namentlich bekannten Verwandten Jesu die Gruppe bilden, welche die getrennte Anführung der Herrnbrüder neben den Aposteln veranlaßt hat. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. II, 1931, Sp. 580 – Sp. 582