Heiligenkalender
10. Mai
Der heilige Antonin von Florenz Erzbischof
Der berühmte heilige Antonin wurde in Florenz, der Hauptstadt von Toskana in Italien, im Jahre 1389 geboren. Er war der einzige Sohn sehr frommer Eltern und ward daher auch mit großer Sorgfalt von ihnen erzogen. In der heiligen Taufe bekam er den Namen Antonius, wurde aber wegen seine kleines Körperbaues Antonin (d. h. Der kleine Anton) genannt. Schon in jungen Jahren war sein Lebenswandel so auferbaulich, daß man ihn den kleinen Heiligen nannte. Nie ging er aus dem Hause anders wohin, als in die Kirche oder in die Schule. In der Kirche traf man ihn niemals anders als kniend an und dies am öftesten vor einem Bildnis der Gottesmutter Maria, welche er auf das eifrigste verehrte und ihr die Bewahrung seiner Reinigkeit dankbar zuschrieb. Er verlangte frühzeitig, in den Orden des heiligen Dominikus aufgenommen zu werden; weil ihn aber der Pater Provinzial wegen seiner sehr kleinen Körpergestalt und zarten Jugend nicht annehmen und dennoch mit einer abschlägigen Antwort nicht betrüben wollte, so sprach er zu ihm: „Wenn er, Antonin, das ganze kanonische (geistliche) Recht, das er damals gerade studierte, auswendig wüsste, so sollte er wieder kommen; dann würde er angenommen werden.“ Nach Verlauf eines Jahres kam Antonin wieder. Der Pater Provinzial hielt zwar für unmöglich, was Antonin ausgesagt, musste aber nach genauer Prüfung bekennen, daß er wahr geredet habe. Weil er nun hieraus die unvergleichliche Fähigkeit dieses Jünglings, zugleich auch den göttlichen Beruf erkannte, nahm er ihn mit Freuden in den heiligen Orden auf.
In kurzer Zeit wurde Antonin ein herrliches Beispiel der geistlichen Vollkommenheit. Er war der Erste und der Letzte im Chor. Den größten Teil der Nacht brachte er mit Gebet und geistlicher Lesung zu. Niemals kostete er etwas vom Fleisch, als in der Krankheit. Seine Lagerstätte bestand in einem Brett auf bloßer Erde; bei hohem Alter aber war sein Bett ein Strohsack. Ungeachtet er von Natur schwach und kränklich war, so änderte er doch die Strenge gegen seinen Leib nie, auch dann nicht, als er Erzbischof geworden war. Seine ausgezeichnete Tugend war die Veranlassung, daß er, obwohl noch jung an Jahren, verschiedenen Klöstern als Prior und später der römischen und neapolitanischen Provinz als Provinzial vorstehen musste. Im Jahre 1445 wurde er vom Papst Eugen IV. zum Erzbischof von Florenz ernannt. Alles bot er auf, um dieser Würde zu entgehen, musste aber gehorsamen, weil der Papst ihn mit dem Bann bedrohte. Er empfing die bischöfliche Weihe mit weinenden Augen und redete dabei Gott also an: „Herr! Du weißt es, wie ungern ich diese Last auf mich nehme; weil ich dennoch deinen Statthalter gehorsamen muss, so bitte ich dich, du wollest mich regieren, damit ich in allem nach deinem Willen mein Leben einrichten und, was du von mir verlangst, erfüllen kann.“
Den Anfang seines bischöflichen Amtes machte er mit der Einrichtung seines Hauses, welches mehr einem Kloster, als einem bischöflichen Palast glich. Die ganze Haushaltung bestand aus acht Personen, welche er reich besoldete, für sich aber wie im Kloster lebte. Er machte eine reiche Stiftung für die Hausarmen, welche sich des Bettelns schämten. Sein meistes Vermögen wendete er für die Notleidenden an, indem er sagte, solches gehöre nicht ihm, sondern den Armen zu. Als er einst durch die Stadt ging, sah er viele Engel auf dem Dach eines armen Häuschens. In demselben traf er eine ehrbare Witwe mit drei Töchtern an, welche mit ihrer Handarbeit sich zu ernähren suchten, aber nicht so viel verdienen konnten, daß sie sich ordentlich zu kleiden vermochten, und noch dabei manchmal bitteren Hunger leiden mussten. Der Heilige gab ihnen ein reichliches Almosen und schickte ihnen auch in der Folge noch öfters eine Unterstützung. Als der Heilige nach einiger Zeit wieder bei diesem Haus vorbeiging, sah er auf dem Dach statt der Engel lauter höllische Geister, welche sehr fröhlich und munter sich zeigten. Er ging in das Häuschen hinein und sah, daß die Töchter samt der Mutter nicht mehr mit Arbeit, sondern mit Spielen, mit Lachen und mit Gesellschaften sich beschäftigten. Hieraus erkannte der Heilige leicht, was das vorige und jetzige Gesicht bedeutete; er gab ihnen einen Verweis und ermahnte sie, wie sonst zu arbeiten; von derselben Zeit an aber gebrauchte er mehr Behutsamkeit bei der Austeilung der Almosen.
Die Zeit, welche ihm von dem Gebet und kurzen Schlaf übrig blieb, wendete der Heilige in seinem Beruf an. Er predigte bald an diesem, bald an einem anderen Ort. In der Kirche duldete er keine Unehrerbietigkeiten, keine frech geputzten Weibspersonen. Viele eingerissene Missbräuche, unter denen auch das Würfelspiel war, schaffte er gänzlich ab. Man ermahnte ihn einst, sich nicht so beständig mit Geschäften zu überhäufen, weil seine Gesundheit dadurch Schaden litte; er aber sprach: „Die Vorstände der Kirche müssen nicht auf ihren eigenen, sondern auf den Nutzen der Untergebenen bedacht sein.“ Erschöpft durch die unglaublich vielen Arbeiten wurde er von einem langsam auszehrenden Fieber im 70. Jahre seines Alters ergriffen. Sogleich teilte er, was er noch hatte, unter die Armen aus, so daß nach Abrechnung der Leichenkosten nicht mehr als vier Dukaten übrig blieben. Nach dem Empfang der heiligen Sakramente, da er die Stimme völlig verloren zu haben schien, rief er mit einem Male überlaut: „Gott dienen ist regieren.“ Darum beteten einige Chorherren bei ihm einen Teil der priesterlichen Tagzeiten und der Heilige sprach ihnen alles nach, soviel er konnte; er drückte zuletzt das Bild des Gekreuzigten an die Brust, küste es auf das Andächtigste, und gab seinen Geist auf in der Nacht des Festes der Himmelfahrt Christi den 2. Mai 1459 im 70. Lebensjahr. Papst Hadrian VI. setzte ihn in das Verzeichnis der Heiligen 1523. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 344 – S. 345