Die Irrlehre des Manichäismus
Der Religionsstifter Mani
Mani (bei den Griechen Manes, bei den Lateinern Manichäus), ein Religionsstifter des 3. Jahrhunderts, dessen System, der Manichäismus, sich aus chaldäischen, parsischen, buddhistischen und christlichen Bestandteilen zusammen setzt. Die gnostischen Ideen übten einen so mächtigen Zauber auf den in die Naturanschauung vertieften und in ihre Rätsel verwickelten Menschengeist, dass sie immer und immer wieder in neuen Gestalten auftauchten und Tausende betörten.
Kaum hatten die edelsten Vorkämpfer der geoffenbarten Wahrheit in gewaltiger Anstrengung das glänzende Wahngebilde des Gnostizismus erschüttert und teilweise zertrümmert, so erhob sich im fernen Osten, aus der in Asien weit verbreiteten dualistischen Anschauungsweise durch Mani kunstreich geformt und mit altpersischen religiösen Ideen verwoben, der alte Irrtum als neues System, das trotz aller Bekämpfung bisweilen den Namen wechselte oder im Stillen fort wucherte, ohne je wieder gänzlich unterzugehen. Die Geschichte Manis und der Inhalt seines Lehrsystems sind trotz vielfacher Untersuchungen noch in manchen Einzelheiten nicht genügend aufgehellt und festgestellt, wenn auch die Hauptumrisse ziemlich allgemein in gleicher Weise anerkannt sind.
Das Leben Manes wird verschieden dargestellt, je nachdem den orientalischen (d. h. den persischen, syrischen, arabischen) oder den griechischen und lateinischen Quellen der Vorzug gegeben wird. Die orientalischen Quellen sind vergleichsweise sehr jung, aber sie haben den Vorzug, einheimische zu sein. Die bedeutendste darunter ist bis 988 n. Chr. vollendete Literaturgeschichte Fihrist al-ulum (Verzeichnis der Wissenschaften) des Arabers Abulfaradsch Muhammad ibn Ishak al=Warrak, bekannt unter dem Namen an=Radim. Beachtenswert sind auch die Mitteilungen des 1153 n. Chr. verstorbenen al=Shahrastani in dessen Geschichte der Religions-Parteien.
Die griechischen und lateinischen Quellen reichen zwar ins 4. und 3. Jahrhundert hinauf, fließen aber sämtlich aus einer Quelle, die selbst manchen Bedenken unterliegt. Diese Quelle bilden die größtenteils nur in alter lateinischer Übersetzung vorhandenen Acta Disputationis Archelai cum Manete, die vom hl. Archelaus ursprünglich syrisch verfasst, dann ins Griechische übersetzt und von den Vätern des 4. Jahrhunderts bei ihren Schilderungen der äußeren Lebensverhältnisse des Manes offenbar benutzt wurden, so von dem hl. Cyrillus von Jerusalem (Cateches. 6), vom hl. Epiphanius (Haeres. 66) und von den Kirchen-Geschichtsschreibern Socrates (Hist. Eccles. 1,22) und Theodoret (Haeret. Fabul. 1,26; 5,9). Der Kirchen-Geschichtsschreiber Eusebius scheint von ihnen noch nichts gewusst zu haben (Hist. Eccles. 7,31).
Manis Leben nach griechisch-lateinischen Quellen
Nach diesen Akten verdankt der Manichäismus eigentlich seinen Ursprung einem viel gereisten sarazenischen Handelsmann Scythianus, der sich zuletzt in Ägypten niederließ. Dieser hatte einen Schüler Terebinthus, welcher sich später den Namen Buddas beilegte, sich für den Sohn einer Jungfrau ausgab und weiter behauptete, ein Engel habe ihn im einsamen Gebirge auferzogen. Dieser Terebinthus verfasste seinem Meister vier Bücher, genannt: Die Geheimnisse – die Hauptstücke – Das Evangelium – Der Schatz. Nach des Meisters Tod zog Terebinthus nach Babylon, welches damals eine persische Provinz war und wohnte dort bei einer alten Witwe.
Da rühmte er sich seiner ägyptischen Weisheit und verkündete, wie es vor Erschaffung der Welt zugegangen sei, was die beiden Lichter am Himmel (Sonne und Mond) zu bedeuten hätten, wie die Seelen aus- und einwanderten und dgl. mehr. Aber eines Morgens, als er auf das flache Hausdach gestiegen war, um dort nach seiner Weise Gott zu verehren oder Magie zu treiben, fiel er herunter und brach den Hals. Die Hausfrau erbte seine Papiere und kaufte sich einen siebenjährigen Knaben, Cubricus, als Sklaven. Diesem schenkte sie die Freiheit und ließ ihn in den Wissenschaften unterrichten. Nach etlichen Jahren starb sie und setzte ihn zum Erben ein.
Der junge reiche Erbe zog nun in die Hauptstadt, nahm den Namen Manes an, übersetzte und erweiterte die geerbten Bücher und gewann bald mehrere Schüler; von diesen ging einer, Thomas, nach Ägypten (später vielleicht nach Indien, Theodoret., Haer. Fabul. 1,26), der andere, Addas, auch Buddas genannt, nach Scythien (nach Syrien, Theodoret. 1.c.); der dritte, Hermas, blieb bei ihm, wandte aber später vielleicht sich nach Ägypten (Theodoret. 1.c.). Um diese Zeit fiel der Sohn des persischen Königs Schapor in schwere Krankheit, und es wurde allenthalben für ihn Hilfe gesucht.
Manes meldete sich beim König im Vertrauen auf seine Zauberkünste und versprach Heilung. Allein die Kur fiel übel aus. Der Prinz starb unter seinen Händen, und Manes ward mit Ketten belastet ins Gefängnis geworfen. Indessen kehrten die Boten seiner Lehre zurück und berichteten ihm den geringen Erfolg ihrer Bemühungen, und wie ihnen besonders die Christen, wo es solche gebe, hinderlich gewesen seien. Da sandte er sie hin mit dem Auftrag, die heiligen Bücher der Christen zu kaufen; dies gelang ihnen durch Verstellung.
Diese Bücher benutzte er nun, um seinen eigenen Schriften einen christlichen Anstrich zu geben und ihnen durch den Namen Christi leichten Eingang zu verschaffen. Als er auf die Stellen von dem verheißenen Paraklet stieß, der die Jünger in alle Wahrheit einführen sollte, deutete er diese auf sich selbst. Hierauf sendete er seine Schüler abermals aus, um die so modifizierte Lehre zu verkünden. Bald darauf gelang es ihm, zu entwischen und in einem alten Schloss Arabion, an der Grenze von Persien und Mesopotamien, ein sicheres Versteck zu finden.
Von dort aus setzte er seine Bemühungen fort, neue Anhänger zu gewinnen, und hatte es insbesondere auf einen reichen, angesehenen und überaus wohltätigen Mann zu Caskar in Mesopotamien, Marcellus, abgesehen.
Diesem schrieb er als „Apostel Christi“ den in die Acta eingeflochtenen Brief, worin er ihm sein tiefes Bedauern ausdrückt, dass er bei seiner großen werktätigen Liebe nicht den rechten Glauben habe, indem er Gott noch für den Urheber des Bösen und Christum für einen wirklichen, vom Weib (Maria) geborenen Menschen halte, da doch beides der heiligen Schrift widerspreche. Marcellus zeigte diesen Brief seinem Bischof Archelaus. Dieser gab ihm den Rat, Manes zu einer öffentlichen Disputation über die neue Lehre aufzufordern. Manes ging darauf ein und erschien am festgesetzten Tag zu Caskar. Hier fand eine förmliche Disputation zwischen Archelaus und Manes statt, die mit der gänzlichen Niederlage des letzteren endete.
Der beschämte Irrlehrer kehrte auf sein Schloss zurück, wurde aber dort nicht lange danach ergriffen, vor den König gebracht und auf dessen Befehl mit spitzigen Rohren lebendig geschunden im Jahre 277 (über das Todesjahr Pagi, Crit. Ad a. 278, n. 6). Seine ausgestopfte Haut wurde zur Schau aufgehängt. Seine Anhänger pflegten zum Andenken an die Todesart ihres Meisters dergleichen Rohre unter ihr Bett zu legen (Archelai Acta Disp. n. 51-55; 1-6; 12; vgl. Epiph., Haeres. 66, n. 1-12).
Es ist beachtenswert, dass die ältesten griechischen Quellen auf den Gnostiker Basilides als einen älteren Geistesverwandten Manes` und Scythiamus`, der nicht ohne Einfluss auf die Bildung des neuen Systems geblieben sei, hinweisen (Archelai Acta n. 55).
Manis Leben nach orientalischer Quelle
Abweichend hiervon erzählen die arabischen Quellen. Nach ihnen stammte Mani aus dem berühmten persischen Geschlecht der Chaskanier, mütterlicherseits aus dem der Arsaciden und wurde um 216 n. Ch. Geboren. Sein Vater, Fatak Babak, war aus Ecbatana nach Etesiphon in Babylonien gekommen, hatte hier vom Dienst der alten Götter sich abgewendet und der Gesellschaft der Mughtasilah (der Taufenden), der Vorläufer der Mandäer am untern Tigris, sich angeschlossen. Hier weilte Mani, bis er in seinem zwölften Jahr Offenbarungen des Lichtgottes durch einen Engel empfing. Er musste sich von seinen Glaubensgenossen trennen und sich vorbereiten, als Bevollmächtigter Gottes die Lehre der Wahrheit allenthalben zu verkünden.
Nach weiteren zwölf Jahren durfte er öffentlich auftreten. Am Krönungstage des Königs Schapur (242) erschien er als Prophet des Lichtgottes am persischen Hof. Doch zwang ihn der Einfluss der Magier bald zur Flucht. Er lebte nun lange außerhalb des Reiches und ließ seine Lehre durch Schüler bis nach Chorasan, Indien und China bringen.
Als er selbst wieder nach Persien zurückkam, gelang es ihm auch hier, Anhänger zu gewinnen; unter der Regierung des Königs Bahram I. Aber wurde er 276 oder 277 gefangen genommen und gekreuzigt; seine ausgestopfte Haut wurde zum Schrecken seiner Anhänger am Stadttor von Dschondischapur, das seitdem das Mani-Tor hieß, aufgehängt. Eine grausame Verfolgung der Schüler folgte auf den Tod des Meisters.
Die Irrlehre Manis
Die Sendschreiben
Mani hat seine Lehre in verschiedenen Sendschreiben niedergelegt, die jetzt verloren sind.
Für die Erscheinungsform, welche das System bei seinem Eindringen in die christlichen Länder erhalten hat, bieten die Streitschriften der Kirchenväter aus dem 4. Jahrhundert den hauptsächlichsten Anhaltspunkt.
Glaubenssystem mit christlichem Anstrich
Der tiefste Grund des in seiner Ausschmückung so phantastisch aufgeputzten Systems ist der alte, immer wiederkehrende, nur im Christentum gelöste große Widerspruch, welcher zwischen dem Wesen Gottes einerseits und dem zerrütteten Wesen des Menschen und der Natur andererseits hervortritt. Das ganze System, als Lösungsversuch dieses großen Rätsels der Menschheit, lässt sich auf drei Fundamentalsätze zurückführen, nämlich:
Die ganze Welt mit Inbegriff des Menschen ist eine Mischung von Gutem und Bösem; daher der beständige Kampf; es war aber nicht immer so und wird nicht immer so bleiben. Diese an sich wahren Sätze, die Manis Anschauung zu Grunde lagen, dienten in ihrer weiteren unchristlichen Ausführung als Folie eines durch und durch falschen und gotteslästerlichen Systems. Zur Lösung des in der Welt vorhandenen Widerspruches griff Mani nach dem absoluten Dualismus, den er mit Pantheismus vermischte.
Hierbei lehnte er sich an die alt-persischen religiösen Vorstellungen, in denen das Licht, zuerst als Symbol der Gottheit gebraucht, später im Sonnendienst und in der Feuer-Anbetung selbst die Stelle der Gottheit einnahm. Stellen der Bibel, nach seinem Sinn verdreht und missdeutet (Arch.Acta n. 40), mussten dann dem System den Anschein eines christlichen geben und unter den Christen Anhänger werben.
Der gute und der böse Gott
Hiernach lautete das manichäische System in seinen Hauptzügen also: Es gibt von Anbeginn zwei gleich ewige, ungezeugte, lebendige Wesen, deren eines gut (Licht, Geist), das andere böse (Finsternis, Materie) ist (Ephraem. Tarct.). Beide stehen im direkten, vollkommen ausgebildeten Gegensatz. Jeder, der Gute wie der Böse, hat sein wohl gegliedertes, ihm gleichartiges Reich, bestehend aus fünf Regionen, bevölkert von unzähligen, aus ihm hervor gegangenen Wesen, vom andern scharf geschieden. Die sichtbare Welt und der Mensch (die Schöpfung) entstand aber aus einer Vermischung des Lichtes und der Finsternis.
Vom guten Gott konnte diese Mischung nicht ausgehen; sie nahm vielmehr ihren Anfang durch einen aus Neid hervor gegangenen feindlichen Angriff des Reiches der Finsternis auf das Reich des Lichtes, wobei die Fürsten der Finsternis der Lichtteile, also eigentlich Bestandteile des guten Gottes, an sich rissen, diese dann in die böse Materie einschlossen und so den Menschen nach dem im Lichtreich erschauten Ideal bildeten (Aug. De natura boni, n. 46; Acta Archel. n. 10). Dieser Lichtfunke oder kleine Teil Gottes ist in jedem Menschen der vernünftige Geist, welcher somit ein Ausfluss des guten Gottes, wahrhaft göttliche Substanz ist. Aber auch die Materie hat ihre eigene Seele, welche der Sitz der bösen Begierlichkeit ist.
Das Böse in der Materie
So erklärte der Manichäismus das Böse in der Welt als etwas Naturnotwendiges, welches im Körper oder in der Materie seinen Grund habe; so wurde auch der im gefallenen Menschen vorhandene Zwiespalt als ein uranfänglicher, durch den Körper notwendig bedingter angesehen. Doch nicht bloß im Menschen sollten diese dem guten Gott geraubten Lichtteile vorhanden sein, sondern auch in den Tieren, Pflanzen und Bäumen, so dass die ganze sichtbare Natur mehr oder weniger göttliche Substanz in sich schließe.
Während aber die Seele der Tiere als göttliche Substanz anerkannt wurde (Aug. Ep. 236, n. 2), galt das Fleisch als der konzentrierteste Ausdruck der Materie, daher als völlig lichtlos und böse, weshalb auch der Genuss desselben absolut verboten war. Unter den Pflanzen war der Weinstock aus einem Tropfen der Galle des Teufels entstanden, daher auch der Wein seine berauschende Kraft erhielt und den Manichäern durchaus verboten war.
Die Erlösungslehre Manis
Selbsterlösung
Die Erlösung sodann geschieht nach Mani durch die Losmachung oder Befreiung der in der Materie eingeschlossenen Lichtteile oder göttlichen Substanzen und durch ihre Zurückführung in das Lichtreich. Die in der Erde festgehaltenen Lichtteile werden teils durch die Kraft der Sonne, teils durch den Einfluss der die Erde umgebenden Luft in Pflanzen und Früchten hervorgelockt und so allmählich befreit (Aug. De mor. Manich. n. 36). Daher wurde die große Lichtmasse der Sonne der erlösende Jesus genannt und nach persischer Weise göttlich verehrt (Aug. C. Faust. 20, n. 2). –
Im Menschen sollte die Befreiung der Lichtteile geschehen durch die Erkenntnis des guten Gottes und seines Lichtreiches, durch das Bewusstsein des Gegensatzes zwischen Licht und Finsternis, zwischen dem Göttlichen und Ungöttlichen in der eigenen Natur und in der ganzen Welt. Der erste Schritt zu diesem höheren Bewusstsein (Acta Arch. n. 10; Tit. Ostr. C. Manich. 1.3, praef.) war die Übertretung des vom Fürsten der Finsternis dem ersten Menschenpaar auferlegten Gesetzes, nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen.
Als aber dieses Bewusstsein unter den Menschen sich später immer mehr verlor, da kam der erlösende Jesus aus der Sonne herab und nahm auf der Erde einen Scheinleib an, in dem er unter den Menschen wandelte, sie aufklärte über den unversöhnlichen Gegensatz in ihrer Natur und ihnen zum Bewusstsein ihres göttlichen Wesens verhalf. Da Christus nur einen Scheinleib hatte, so fiel bei Mani natürlich alles weg, was von der Geburt bis zum Leiden und Kreuzestod seine wahre menschliche Natur betraf.
Mani als Paraklet
Die von Christus gebrachte Aufklärung hat Mani, der verheißene Paraklet vollendet, indem er die nötigen praktischen Vorschriften zur Erlösung der Lichtteile brachte, so z. B. den Genuss des Fleisches, wie auch die Ehe und die Kinderzeugung durchaus und allgemein verbot. Demnach führt die Erlösung in diesem stets fortschreitenden Scheidungs- und Läuterungs-Prozess zu einer gänzlichen Scheidung der beiden Reiche des Lichtes und der Finsternis, wie sie uranfänglich vorhanden war und nur durch die unglückliche Vermischung beider eine Zeitlang gestört worden war.
So ist im manichäischen System das Böse eine eigene, für sich stehende, ewige Substanz und ein wesentlicher Bestandteil des Menschen. Die Materie, weil dem Reich der Finsternis angehörig, ist notwendig böse, weshalb die manichäische Lehre die Sakramente, in denen Gott die Materie als Trägerin seiner Gnade braucht, durchaus verwarf oder missachtete.
Die Taufe wurde als gänzlich wertlos und unnütz erklärt, höchstens noch hie und da als Aufnahme-Zeremonie in einen höheren Grad der Sekte beibehalten; eine Art Eucharistie fand in gräuelhafter Entstellung nach den Irrtümern der Sekte statt (Cyrill. Hier. Catech. 6,33). Auch die Auferstehung des Leibes wurde geleugnet, da nur die dem Lichtreich entstammende Seele am Ende dorthin zurückkehren und in der Substanz des Lichtreiches ohne fernere Verbindung mit der bösen Materie fortan bleiben sollte.
Die Sittenlehre im System des Manichäismus
Die drei Siegel
Mit diesem System des Manichäismus steht dessen Sittenlehre im engsten Zusammenhang. Diese besteht in den drei Siegeln des Mundes, der Hände und des Schoßes (tria signacula oris, manum et sinus), womit die Enthaltung von allen Sünden angedeutet werden sollte.
Das Siegel des Mundes verbietet alle Lästerung, d. h. alles Reden gegen die manichäische Lehre, desgleichen den Genuss von Fleisch und Wein, von Milch und Eiern (Aug. De haeres. c. 46);
das Siegel der Hände verbietet das Töten der Tiere, das Abreißen oder Abschneiden der Pflanzen und das Pflücken des Obstes, was sie alles dem Mord gleich achteten, weil dadurch die Entwicklung und Befreiung der überall eingeschlossenen Lichtteile gewaltsam verhindert werde;
das Siegel des Schoßes endlich verbietet das Heiraten oder doch das Kinderzeugen, weil hierdurch die Lichtseele immer mehr in die Materie verwickelt werde, während sie hingegen die fleischliche Vermischung der Geschlechter sonst keineswegs untersagten und so den Keim der abscheulichen Unsittlichkeit legten, der sich nur zu bald entwickelte (Aug. De mor. Manich. n. 19-67; De haeres. c. 46).
Da aber eine solche Sittenlehre sich praktisch unausführbar zeigte, wenn nicht die ganze Sekte binnen Kurzem verhungern und aussterben sollte, wozu sie eben keine Lust verspürte, so sah man sich genötigt, gegen die Konsequenz der aufgestellten Prinzipien in der Sekte gewisse Klassen oder Grade zu unterscheiden.
Hörer und Auserwählte
Deshalb gab es eine Klasse der Hörer (auditores) und eine der Auserwählten (electi). Die Hörer, als die minder Vollkommenen, durften zwar auch kein Tier töten, wohl aber Pflanzen aller Art abreißen oder abschneiden und Obst pflücken (freilich nicht ohne Sünde); ja sogar heiraten durften sie, nur sollten sie keine Kinder zeugen.
Die Auserwählten aber mussten die manichäische Sittenlehre mit ihren drei Siegeln ganz genau beobachten: dafür hatten sie den Vorzug, dass sie durch den Genuss der Pflanzen die in diesen eingeschlossenen Lichtteile befreien konnten; je mehr sie aßen, desto mehr Licht, desto mehr Gott erlösten sie, daher man sich erzählte, dass einige aus lauter heiligem Eifer sich zu Tode gegessen haben. Weil sie aber keine Pflanze abreißen oder abschneiden durften, so mussten das die Hörer für sie tun und ihnen Speise bringen; zum Lohn empfingen sie dann für die hierbei begangene Sünde von den Auserwählten die Absolution.
Einem, der nicht zur manichäischen Sekte gehörte, durfte aber kein Manichäer Speise oder Trank geben, weil derselbe die Lichtteile durch den Genuss nicht befreite, sondern nur unlösbarer in die Materie verwickelte (Aug. De mor. Manich. n. 36.52-52. 57 bis 60). So war denn der Manichäismus nach seiner praktischen Seite eine Religion voll des unheilbaren Widerspruchs, eine Religion der Faulheit und der Lieblosigkeit.
Die Behandlung der heiligen Schrift
Das Neue Testament
Die heilige Schrift behandelten die Manichäer gleichfalls mit der freventlichsten Willkür; die Bücher des Alten Bundes erklärten sie für ein Werk des Teufels (Arch. Acta n. 10.13.29.40), der einiges Wahre in dieselben gebracht habe, um viel Falsches dadurch einzuschwärzen, während sie die Schriften des Neuen Bundes doch noch für ein Werk des guten Gottes ansahen; daher bemühten sie sich so sehr, einen durchgängigen Widerspruch zwischen dem Alten und Neuen Bund herauszubringen.
Weil aber auch im Neuen Bund nicht alles in ihr System passte, so behaupteten sie, ein bedeutender Teil des Neuen Bundes sei erst spätere Erfindung (Aug. De mor. Eccles. Cathol. n. 2; De mor. Manich. n. 35.55; Epist. 82, n. 6); insbesondere erklärten sie für falsch und unterschoben, was aus dem Neuen Bund gegen ihr System vorgebracht wurde (Aug. C. Faust. 16, n. 33; 33, n. 6), namentlich die ganze Lehre von der Erbsünde (Aug., Retract. 1, c. 9, n. 6); daher der hl. Augustin mit Recht gegen sie bemerkt:
„Sagt es nur rund heraus, dass ihr dem Evangelium Christi nicht glaubt; denn da ihr im Evangelium glaubt, was euch gefällt, und verwerfet, was euch nicht behagt, so glaubt ihr offenbar mehr euch selbst als dem Evangelium“ (Aug. C. Faust. 17, n. 3; 32, n. 19). Ja sie gingen so weit, das Evangelium Matthäi und die übrigen Schriften der Apostel späteren unbekannten Verfassern zuzuschreiben (Aug. C. Faust. 17, n. 1), die nur so vom Hörensagen und aus unsicheren Gerüchten ihre Erzählungen zusammen gestoppelt und ihre eigenen halbjüdischen Ansichten den wirklichen Reden Jesu und der Apostel beigemischt hätten (Aug. C. Faust. 32, n. 7).
Herstellung von Apokryphen
Letzteres suchten sie hauptsächlich durch die vergleichende Kritik der Darstellung der einzelnen Evangelisten und durch die angeblichen Widersprüche in den Berichten derselben zu erhärten (Aug. C. Faust. 32, n. 16; 33, n. 2.3; vgl. hiermit die merkwürdige Stelle bei Origen. Commment. In Johannem tom. 10, n. 2, Opp. ed. Ruaei IV, 162-163), während sie die echten Evangelien und besonders die Apostelgeschichte samt einigen Briefen der Apostel verwarfen, waren sie dagegen sehr tätig, unechte Schriften der Apostel unter dem Namen des hl. Thomas (Thomas-Evangelium), Philippus usw. zu fabrizieren, so dass die Apokryphen-Literatur des Neuen Bundes durch sie namhaft bereichert wurde. (Aug. Ep. 64, n. 3; vgl. A. Fabricii Biblioth. Graec., ed. Harles, VII, 322; Art. Apokryphen-Literatur I, 1070ff).
Die Folgesätze und Nachäffung
Leugnung christlicher Glaubenssätze
Als Folgesätze des manichäischen Systems treten zunächst hervor die Leugnung der Auferstehung des Leibes (Theodoret. Haeret. Fabul. 1,26), die Anbetung der Sonne, deren Wesen Gottes Wesen, die Christus selbst ist (daher Augustinus: „Vos in die, quem dicunt solis, solem colitis“, C. Faust. 18, n. 5; vgl. arch. n. 36), die hohe Verehrung gegen Mani den Paraklet, dessen Todestag ihr Hauptfest war (Fest des Lehrstuhls) (Aug. C. Epist. Manich. n. 9), das geheime Erkennungs-Zeichen der Sekte, indem ihre Mitglieder sich zu diesem Zweck die rechte Hand reichten, weil durch diese der lebende Geist den gefangenen Urmenschen wieder befreit hatte (Arch. n. 7). –
Nachäffung christlicher Einrichtungen
Die Organisation der Sekte war der Einrichtung der christlichen Kirche nachgebildet; Mani als Paraklet hatte, Christum nachäffend, 12 Apostel angenommen. Dies erhielt sich in der Weise fort, dass beständig 12 Lehrer sich unter den Auserwählten befanden als die Nachfolger der 12 Apostel, ein dreizehnter aber als Nachfolger Manis ihr Oberhaupt war; diese setzten durch die Weihe 72 Bischöfe ein, von welchen dann die Priester (presbyteri) geweiht wurden; auch hatten sie Diakonen und Missionare.
Ihr Gottesdienst wurde sehr geheim gehalten; die Sakramente der Kirche, in welcher die Materie als Trägerin der Gnade erscheint, verwarfen sie ganz; der Taufe legten sie keine besondere Bedeutung bei, wenn sie dieselbe auch teilweise beibehielten; die Eucharistie feierten sie im Kreis der Auserwählten, aber ohne Wein, den sie für die Galle des Teufels erklärten (vinum non bibunt dicentes, fel esse principum tenebrarum, Aug. De haeres. c. 46), wobei es jedoch ganz schändlich und gräuelhaft zuging.
Es ist eine für die Geschichte des menschlichen Geistes höchst merkwürdige Erscheinung, dass ein so willkürliches, so widersprechendes System gerade auf seine Vernunftmäßigkeit pochte und den blinden Köhlerglauben der Katholiken verhöhnte. Ihre „hochtönenden Verheißungen von Vernunft und Wahrheit“ (Aug. De mor. Manich. n. 55) gewannen ihnen junge, hochstrebende, talentvolle Männer und hoffärtige Weiblein, welche lieber Vernunftgläubige als einfache Gläubige sein wollten (Aug. De utilit. Cred. n. 2.4; De Genesi contra Manich. 2, n. 38-40).
Verbreitung der Irrlehre des Manichäismus
Ihre Verfolgung
Die Irrlehre verbreitete sich im Morgenland wie im Abendland, in Persien, Mesopotamien, Syrien und Palästina, in Ägypten und in Afrika, in Italien, Gallien und Spanien. Aber schon Kaiser Diokletian erließ, wohl zunächst aus politischen Gründen, ein sehr scharfes Gesetz gegen die abscheuliche Sekte (in Afrika), die, aus dem feindlichen Perserreich eindringend, das ruhige und brave römische Volk aufrege und verderbe; Todesstrafe und Güterverlust traf die Anhänger dieser Sekte, ja die Häupter sogar der Tod auf dem Scheiterhaufen (Baron. Annal. a. 287, n. 2).
Auch die christlichen Kaiser erließen, und zwar diese aus sittlich-religiösen Gründen, fort und fort strenge Gesetze gegen die Manichäer, so Valentinian I., II. und III., Theodosius der Große, Honorius und Theodosius der Jüngere, Justinus und Justinianus (s. Cod. Theodos. Lib. 16,tit. 5 und Cod. Justin. Lib. 1, tit. 5), ein sicheres Zeichen, dass die Sekte, wenn auch häufig nur im Verborgenen, sich im römischen Reich während des 4., 5. und 6. Jahrhundert fort erhielt. –
Anhänger Manis
Unter die bekannteren und angeseheneren Schüler und Anhänger des Mani, deren mehrere auch durch ihre Schriften sich einen Namen machten, sind außer den drei schon oben im Leben des Mani genannten noch zu erwähnen Akuas, von dem die manichäische Sekte sogar in einigen Gegenden den Namen Akuaniten erhielt. (Epiph. Haeres. 66, n. 1), Adimantus, Faustus, Felix, Fortunatus, Secundius (welche alle der hl. Augustin in eigenen Werken bekämpft), Aristokritus (welcher ein theosophisches Werk schrieb, in dem er beweisen wollte, dass die Religion der Juden, der Heiden und der Christen ganz die nämliche sei, Tolli Insignia Itinerarii Italici). Diese und manche andere berühmte Manichäer zählt die alte Formula receptionis Manichaeorum auf in dem angeführten Werk von Tollius (144)
Gegner Manis
Aber auch an gewandten Gegner fehlte seit Archelaus den Manichäern nicht, deren Schriften zum Teil noch auf uns gekommen sind, zum Teil verloren gingen.
Unter diejenigen, deren Schriften gegen die Manichäer wir noch besitzen, gehören Alexander von Lycopolis (Migne, PP. gr. XVIII), Serapion, Bischof von Bostra in Arabien, Didymus der Blinde in alexandria, sämtlich dem 4. Jahrhundert angehörig, Marius Victorinus aus Afrika (Victorini Afri Liber ad Justinum Manichaeum contra duo principia Manich., in Sirmondie Opp. Var. I; Migne, PP. Lat. VIII), der hl. Ephräm der Syrer, der hl. Cyrillus von Jerusalem (Catech. 6), der hl. Epiphanius (Haeres. 66), der hl. Augustin in den schon genannten Werken und mehrere andere Väter, z. B. Chrysostomus, Hieronymus, Rufinus, Prudentius, Leo der Große gelegentlich, später auch noch der gelehrte Patriarch von Konstantinopel Photius (Photii Libri IV contra Manich., Migne, PP. gr. CII, 15sq.).
Andere gegen die Manichäer, z. B. vom hl. Baslilius dem Großen, von dem Häretiker Apollinaris, Diodor von Tarsus, Eusebius von Emesa, Heraclianus, Bischof von Chalcedon, verfaßte Werke sind längst verloren gegangen (eine Liste aller Schriften gegen die Manichäer in J.A. Fabricii Biblioth. Graec., ed. Harles, VII, 323 ad 332).
Das Weiterleben in anderen Sekten
Trotz dieser zahlreichen wissenschaftlichen Gegner, trotz der kaiserlichen Strafgesetze, trotz der eben so unchristlichen als unvernünftigen Willkür des ganzen Systems haben sich dennoch die Manichäer früher unter ihrem eigenen, später unter anderen Namen, als Priscillianisten, Paulizianer, Bogumilen, Albigenser und Waldenser, über tausend Jahre erhalten. –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 8, 1893, Sp. 604 – Sp. 614
Siehe auch die Beiträge auf katholischglauben.online:
Bildquellen
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