Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Geheimbünde
Geheimbünde sind Vereinigungen, die ihre Existenz selbst oder ihre Verfassung, Lehren, Gebräuche und Ziele geheim halten. Die Eingeweihten, meist erst nach einer Prüfung und oft unter kultischen Reinigungen aufgenommen, sind streng zum Schweigen verpflichtet.
Bei den Naturvölkern dienen sie dem religiösen Kultus, vielfach auch der Erreichung wirtschaftlicher, sozialer und politischer Vorteile bzw. der Ausbeutung der Nicht-Eingeweihten; als Männerbünde sind sie auch Pflegestätten der Päderastie. Genannt seien die Dukduk, Ingiet und Tamate in Melanesien, Purrah, Mumbo-Djumbo, Simo u. Egbo in Afrika, Hamatsa in Nordwestamerika.
Bei den Kulturvölkern dienen die Geheimbünde der Pflege einer besonderen Religion oder Philosophie esoterischer Kreise, der Vermittlung angeblicher Geheimwissenschaften oder politischen Zwecken. Die Geheimbünde der alten Kulturvölker haben durchweg religiösen Charakter und bieten in kosmogonischen Geheimlehren und Zeremonien Weltdeutung im pantheistischen oder pansexualistischen Sinn (letzteres z.B. im Isis-Kult Ägyptens, Baal- und Astarte-Kult in Syrien, Phalluskult). Träger der alten Geheimbünde waren Priester und eingeweihte Adepten, so die Kasdim oder Chaldäer in den Bel- und Mylitta-Mysterien Babylons, die Magier in den iran.-pers. Mysterien, die Brahmanen in Indien, die Hierophanten u. Epopten in den Elusinischen Mysterien Griechenlands, die orphiker mit ihrem Dioynsoskult, die Pythagoreer, die Mysten des Mithraskultes, die Essener im Judentum, die Druiden bei den Galliern u.a.
Der Islam neigte besonders in seiner schiitischen Form zur Geheimniskrämerei.
Das Christentum hat sich nie als Geheimbund betrachtet; die Arkandisziplin war nicht grundsätzlich, sondern zeitweise Vorschrift zum Schutz des Göttlichen vor Profanierung.
Geheimlehren, die in aufsteigenden Graden unter Schweigepflicht vermittelt wurden, kannten auch die christlichen Sekten der Gnostiker und Manichäer und die ihnen verwandten mittelalterlichen Neumanichäer (Euchiten und Bogumilen im Orient und Katharer, Albigenser, Paulizianer u.a. im Abendland). Die Berichte über einen blasphemisch-sexuellen Geheimkult des Templerordens sich durch Folter erpresst und wertlos. Besonders reich an Geheimbünde ist die nachreformatorische Zeit, an astrologischen, alchimistischen und sonstigen abergläubischen Geheimgruppen hauptsächlich das 17. Jahrhundert (namentlich die Rosenkreuzer). Im 18. Jahrhundert entstand der einflussreichste Geheimbund, die Freimaurerei. Ihr verwandt sind die Illuminaten, die Old Fellows, die Asiatischen Brüder, der Druidenorden, die theosophisch beeinflussten Martinisten, die abstinenten Rechabiten und der pantheistisch-okkultistische Gralorden.
Daneben zeigen andere Geheimbünde der neueren Zeit Anklänge an die alte Gnosis (Gnostizismus, moderner). Von den Deutschreligiösen Organisationen arbeitet der Deutschmeisterorden als Geheimbund in 7 Graden. Der bedeutendste jüdische Geheimbund ist der Unabhängige Orden Bnai Brith. Von der üppigen Zahl politischer Geheimbünde der Neuzeit, die vielfach die Kirche bekämpfen, sind wichtig: in Spanien die 1821 gegr. Comuneros (Söhne des Padilla), die Pistoleros und der Sindicato Unico, die gemeinsam mit der dortigen Freimaurerei an fast allen bürgerlichen und kirchlichen Unruhen des 19. Jahrhunderts beteiligt waren; in Italien die Carbonari, das „Junge Italien“ Mazzinis und die Verbrecher-Geheimbünde der Camorra, Mafia (Sizilien) und Mala Vita; in den Vereinigten Staaten die Ku-Klux-Klan. Aus der panslawistischen Bewegung entstand 1848 in Ungarn die Omladina, die zusammen mit der serbischen Narodna Odbrana und den Sokol-Gesellschaften die Zertrümmerung der Habsburg-Monarchie betrieb. In Russland bereiteten die Geheimbünde der Nihilisten und Anarchisten den Boden für den Bolschewismus. –
Da das Geheimwesen gewissen dunklen Seiten der Menschennatur entspricht, ist es Gemeingut der Völker, oft aber Stätte der Verbrechen und meist Gefahr für die kirchliche und staatliche Ordnung. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IV, 1932, Sp. 335 – Sp. 336