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Irrlehren

Husiten

Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Husiten

Husiten, Anhänger des Hus, bis 1420 Wiclifiten genannt. Sie waren in den religiösen Ansichten gespalten, aber einig im Kampf gegen die katholische Kirche. Ihr geistiger Vater war Wiclif, der die Predigt als „ein Gebot Christi bezeichnete, woran keine hindern könne“, und den Laien das Recht einräumte, gegen die sittliche Verwahrlosung in der Kirche zu predigen und Reformen durchzuführen; dabei dachte man vor allem an die Wegnahme der Kirchengüter (in den böhmischen Ländern ein Viertel des Landbesitzes). Hus` Hinrichtung sah man als politischen Mord und Verunglimpfung des tschechischen Volkes an, die nicht einmal durch wiederholtes Ansuchen der böhmischen und mährischen Standesherren, zuletzt am 12.6.1415 durch ein Sendschreiben mit 259 angehängten Siegeln, beschworen werden konnte. Die Erbitterung hierüber trieb die tschechische national-polit. Bewegung in die Husiten-Kriege hinein. Als gemeinsame Forderungen wurden von der Universität in Prag vor 1420 die 4 Prager Stücke formuliert: freie Predigt des Wortes Gottes, Laienkelch, Ausrottung der Todsünder durch die Obrigkeit, besitzloses apostolisches Leben der Geistlichen. Die volkstümlichste Forderung, die alle Richtungen einte, war das Abendmahl unter beiden Gestalten (sub utraque); daher hießen sie auch Utraquisten. Der Laienkelch war besonders von Jakob v. Mies als zum Heil unerläßlich verfochten und verbreitet, von Hus aus Konstanz in einer eigenen Schrift als erlaubt und geziemend, wenn auch nicht notwendig, gebilligt worden. Er wurde zum Sinnbild und (zwischen Schwert und Dreschflegel) Feldzeichen der Husiten. Darüber hinaus verwarf man (im Gegensatz zu Hus) Bilder- und Reliquienkult, Fegefeuer, Fürbitte für die Verstorbenen, Zölibat, Sakramentalien und andere kirchliche Bräuche und sah in der Universität Prag die höchste Lehrinstanz der erstrebten Nationalkirche.
Nicht zufrieden mit den bereits eroberten utraquistischen Pfarrstellen, übte man unter königlicher Duldung Gewalttaten an katholischen Kirchen und Klöstern und organisierte sich, als König Wenzel, von Sigismund gedrängt, endlich Ernst zeigte, unter utraquistischen Predigern in eigenen Ansiedlungen, die biblischen Namen trugen, (danach Taboriten, Horebiten usw. genannt). Der ehemalige königliche Kammerherr Zizka (= Einäugiger) v. Trocnow, einer kürzlich geadelten, vermutlich deutschen Budweiser Familie entstammend, und der Ex-Prämonstratenser Johann v. Seelau (Zelivsky) traten an die Spitze. Unter ihrer Führung wurde u.a. gelegentlich einer eucharistischen Prozession der Utraquisten 30.7.1419 das Neustädter Rathaus in Prag gestürmt, die vom König ernannten Ratsherren aus dem Fenster hinabgestürzt und ermordet. Wenzels plötzlicher Tod 16.8.1419 steigerte die Verwirrung. Die immerhin noch vorwiegend religiöse Bewegung wurde jetzt zum nationalen Großkampf, da eine Bulle Martin V. v. 1.3.1420 die Christenheit zum Kreuzzug gegen die „Wiclifiten, Husiten und andere Ketzer“ aufrief. Der rücksichtslose Kampf, der nun begann (vgl. das Taboritenlied: „Schlagt, erschlagt, schonet niemand!“), steigerte sich in dem Maße, als die Kreuzheere durch die Taboriten Niederlagen erlitten bei Prag 1420, Deutschbrod 1421, Aussig 1426, Mies 1427, Taus 1431. 65 Klöster wurden ganz zerstört, viele andere sowie Kirchen verwüstet, Ordensleute und Weltgeistliche ermordet (s. A. Neumann, Die kath. Märtyrer der Husitenzeit, dtsch. v. Schneider-Pelikan, 1930), das Domkapitel in Prag verjagt; überdies trat Erzbischof Konrad v. Vechta 1421 zu den Utraquisten über. In Beutezügen 1428-30 nach Österreich, Ungarn, Bayern, Sachsen, Schlesien bis Brandenburg trugen die Husiten die Verwüstung auch dorthin.
Die Taboriten hängen geistig mit den schwärmerischen Pikarden zusammen, welche die Ankunft des „Dritten Reiches“ erwarteten und es mit vorbereiten wollten. In dessen Erwartung legten die bauern den Erlös ihrer verkauften Wirtschaft in die Hände der husitischen Priester und führten im Lager den Kommunismus ein; wer für sich Beute machte, solle des Todes sein. „Die ihr Streiter Gottes und seines Gesetzes seid“, war der Choral auf ihren Zügen. Die „Feinde Christi“ (besonders die Deutschen) in „Haß, Eifer, Grausamkeit und gerechter Vergeltung“ auszurotten, zogen sie mit Morgensternen und andern primitiven Waffen gegen die gut bewaffneten Kreuzheere und schlugen sie in die Flucht; der religiöse Fanatismus und das Kriegsgenie des Zizka machte aus ihnen ein unüberwindliches Kriegsheer. Der Kommunismus konnte allerdings, trotz des allgemeinen Brudernamens, nicht einmal den Unterschied von Herren und Bauern aufheben; in dem zu erwartenden Reich aber sollte es keine Unterschiede mehr geben, nicht Zins noch Steuern; alle sollten Brüder und Schwestern bei voller Güter-Gemeinschaft werden.
Die Taboriten bevorzugten das Alte Testament, ausgenommen das Makkabäerbuch (wegen der Lehre des Fegefeuers), verwarfen die Wissenschaft, besonders die Lesung der Väter, trieben wilde Bilderstürmerei, kannten keine Beichte, Bußwerke, Fest- Fasttage, weder Kirche noch Kirchen und Klöster. Sie schieden zwar Priester und Laien, verwarfen aber den Zölibat und fühlten sich als Glieder der unsichtbaren Kirche Gottes. Priester in Alltagskleidern segneten auf gewöhnlichen Tischen Brot und Wein, während das Volk das Vater unser betete; die Taufe wurde mit ungeweihtem Wasser erteilt. Sie verlangten Abschaffung der Gerichte, des Eides, der weltlichen Würden und des Krieges. Das äußere Leben regelten Kleider- Luxusordnungen. Das Gottesreich auch mit den Waffen zu verbreiten, war ihr politischer Gedanke…
Die Reste der husitisch religiösen Bewegung, die Böhmens religiöser Entwicklung unabsehbar geschadet und die Lande ringsum mit Trümmern übersät hatte, gingen mit Ausnahme der Böhmischen Brüder in der Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts unter. Ihre nationalen Ideen, untermischt mit antiklerikalen Bestrebungen, sind im 19. Jahrhundert mit dem nationalen Wiedererwachen des tschechischen Volkes lebendig geworden und heute als freidenkerisches Neuhusitentum tätig.

aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, S. 208-211

Tags: Häretiker
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