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Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Hus

Hus, Jan, tschechisch-nationalkirchl. Vorkämpfer, * um 1370 zu Husinec (wovon sein Name), 1393 Baccalaureus in artibus, 1394 in theol., 1396 Magister in artibus, 1401-02 Dekan der philosophischen Fakultät, im Wintersemester 1402/03 Rektor der Universität in Prag und eifriger Förderer der seit König Karl wachsenden tschechischen Bewegung; seit 1400 Priester, 1402 Rektor und Prediger der 1391 für tschechische Predigt gestifteten Kapelle, Bethlehem genannt. Als Vorkämpfer der Tschechen an der Universität wie als rücksichtsloser Reformprediger wurde der beredte, selbstbewußte Mann äußerst volkstümlich, geriet aber bald in Irrtümer. Er trat schon 1398 bei einer Disputation an der Universität mit Ideen von Wiclif hervor. Er übersetzte 4 philosophische Traktate Wiclifs und dessen theologischen Dialogus, eine Quintessenz seiner Irrtümer in Form eines Gespräches zwischen Wahrheit, Lüge und Klugheit. 1403 verurteilte die deutsche Mehrheit der Universität 45 aus den Schriften Wiclifs herausgehobene Thesen, von denen schon eine Londoner Synode 25 verworfen hatte. Hus protestierte und geriet immer mehr in den Bann Wiclifs. Er besaß aber das Vertrauen des Königs Wenzel und des Erzbischofs Zbyněk v. Hasenburg, der ihn mit seinem Lehrer Stanislaus v. Znaim 1403-07 zum Prediger bei den regelmäßigen Klerussynoden bestellte und ihn wegen seines Auftretens gegen die Wallfahrt zum Hl. Blut in Wilsnack (in der Schrift De omni sanguine Christi glorificato, 1404) ausdrücklich belobte. Um 1406 veröffentlichte Hus eine Schrift über die Orthographia bohemica, wodurch er eine einheitliche Rechtschreibung seiner Muttersprache erzielte. Hus kam auch noch 1408 dem Befehl zur Auslieferung der Schriften Wiclifs nach. Ein Universitätsstreit mehrte sein Ansehen. Die tschechische Minderheit der Professoren, die ihren deutschen, dem philosophischen Nominalismus zuneigenden Kollegen durch den von ihnen verfochtenen Realismus und ihre Hinneigung zu Wiclif geschieden, trug das Übergewicht der 3 übrigen Nationen (bayr., sächs., poln.) über die tschechische immer schwerer und benutzte die Stellungnahme der Universität und des Erzbischofs Zbyněk für Gregor XII. dazu, um den für volle Neutralität im Papststreit eintretenden König Wenzel ganz auf ihre Seite zu ziehen. Das Kuttenberger Dekret v. 18.1.1409 räumte in der Tat der natio bohemica 3, den übrigen Nationen fürderhin nur 1 Stimme ein und stärkte damit auch den Wiclifismusan der Universität, zumal da die deutschen Professoren und Studenten, als die Rektorwahl nach der alten Ordnung vereitelt worden war, seit 16.5.1409 nach Leipzig und anders wohin abwanderten. Hus, der den Sieg in einer Predigt gefeiert, wurde Oktober 1409 zum 1. Rektor nach der neuen Ordnung gewählt.

Der Hof, besonders Königin Sophie und der nach Kirchengut gierige Adel traten auf seine Seite; dagegen wurde sein Verhältnis zum Klerus, den er in Predigten scharf angriff, und zum Erzbischof, der ihn nicht mehr als Synodalprediger bestellte, immer gespannter. Dieser rief die Hilfe des zu Pisa gewählten Alexander V. an. Durch Bulle v. 9.3.1410 befahl der Papst die Auslieferung der Schriften Wiclifs und den Widerruf aller irrigen Meinungen, verbot zugleich – gegen Hus – das Predigen außerhalb der Dom-, Kollegiat-, Pfarr- und Klosterkirchen. Die Synode von Prag Juni 1410 sollte die Bulle durchführen. Hus aber appellierte im Namen der Universität, des Adels und des Volkes an den neuen Papst Johannes XXIII. am 16.7. ließ der Erzbischof im Hofe seines Palastes etwa 200 Handschriften wiclifitischer Schriften verbrennen und belegte 2 Tage später den ungehorsamen Hus und seine Anhänger mit dem Bann. Hus setzte trotzdem seine aufrührerischen Predigten fort; nach Rom schrieb er ausweichend. Da er aber der Vorladung des päpstlichen Untersuchungs-Richters Kardinal Otto Colonna (später Martin V.) nicht entsprach, erfolgte Februar 1411 die Exkommunikation durch den Papst, die am 15.3. in fast allen Kirchen Prags verlesen wurde. Den Konflikt verschärfte die Haltung des Hus zu dem Kreuzzug, den Johannes XXIII. im Herbst 1411 gegen die Anhänger des Papstes Gregor XII., den König Ladislaus v. Apulien, predigen ließ. Die theologische Fakultät stellte sich auf Seiten Johannes XXIII., dagegen bekämpfte Hus mit der übrigen Universität sowohl die Kriegserklärung durch den Papst wie den Verkauf von Kreuzzugs-Ablässen als Simonie aufs leidenschaftlichste in einer öffentlichen Disputation (Juni 1412) und in mehreren Streitschriften. Wegen der Straßen-Unruhen darob wurden 3 Jünglinge hingerichtet, die von Hus und vom Volk als Heilige gefeiert wurden. König Wenzel und Erzbischof Albik bemühten sich umsonst um Ausgleich. Die große Exkommunikation und das Interdikt über seinen Aufenthaltsort bewogen Hus, auf die Burg Kozi (heute Tabor) zu ziehen. 1413 erschien sein theologisches Hauptwerk „De ecclesia“, dessen erste 10 Kapitel ganz Wiclif entlehnt sind, und seine „Postylla“. Weihnachten 1412 und Februar 1413 nahm er an Disputationen in Prag teil.

Die kirchliche Spaltung im Lande griff immer weiter um sich; auch in den Nachbarländern machten sich wiclifitische Einflüsse geltend. Da suchte der 1410 erwählte deutsche Kaiser Sigismund dem Land Böhmen, dessen Thron er anstrebte, zu Hilfe zu kommen, indem er Hus bestimmte, seine Sache vor der zum 1.11.1414 nach Konstanz einberufenen allgemeinen Kirchenversammlung zu führen. Darauf ging Hus ein; er hoffte, die Konzilsväter von seiner Sache zu überzeugen. Dazu hatte Sigismund ihm einen Geleitbrief zugesagt (ausgestellt in Speyer 18.10.1414), der seine persönliche Sicherheit unterwegs gewährleistete, aber nach Ansicht der Kardinäle ihn der Gewalt des Konzils, das er doch selber in einer Glaubenssache anrief, nicht entziehen konnte. Noch vor Empfang des Geleits machte sich Hus in Begleitung von tschechischen Standesherren auf den Weg, um „für Christus öffentlich Zeugnis abzulegen und, wenn nötig, für sein Gesetz zu sterben“. Er traf, unterwegs predigend, am 3.12. in Konstanz ein. Johannes XXIII. hob Bann und Interdikt auf. Hus wohnte erst privat, las auch die hl. Messe, wurde aber mit Beginn der Untersuchung im Klosterkerker der Dominikaner, seit 9.1.1415 in einer Zelle gefangen gehalten, wegen Fluchtverdachts am 24.3. vom Bischof v. Konstanz auf der Burg Gottlieben noch strenger verwahrt (auch sein Briefwechsel eingestellt) und in den letzten Wochen im Franziskanerkloster fest gehalten. Das anfängliche Bemühen des Kaisers für seine Freilassung war erfolglos; er erreichte nur, daß Hus öffentlich verhört wurde. Gegen diesen waren in Konstanz seine Landsleute Bischof v. Leitomischl, der Prager Pfarrer Michael de Causis aus Deutschbrod und Mag. Stephan v. Paleč tätig.

Grundlage der Untersuchung bildeten die von Paleč und Joh. Gerson aus Hus` Schriften ausgezogenen Sätze neben den von Zeugen mündlich vorgebrachten Aussprüchen, anfangs 42, dann 39 und zuletzt 30 Thesen, dazu anfangs die 45 Thesen Wiclifs. Die Untersuchung begann am 6.12., wurde wegen Hus` zweimaliger Erkrankung und wegen des Papstschismas bis zum 6.4.1415 unterbrochen und gipfelte an dem 3tägigen öffentlichen Verhör am 5., 7. und 8. Juni. Hus erkannte einige Thesen nicht als die seinigen an, besonders die nur von Ohrenzeugen bestützten, suchte andere zu erklären, verweigerte aber jeden Widerruf, so milde ihn die Kardinäle Pierre d`Ailly und Zabarella auch formulierten. Von den 30 Thesen (vgl. Denzinger n. 627/56) betrafen 1 bis 6 und 21 den Begriff der Kirche, die Hus auf die Prädestinierten einschränkte. 7-13, 22-24, 26-28 das Papsttum, das er als nicht notwendig bezeichnete und in seiner Amtsgewalt vom persönlichen Leben des Papstes abhängig machte, 14-19 den Gehorsam gegen die Kirche besonders hinsichtlich des Kirchenbannes, These 30 den Satz des Wiclif: „Keiner ist weltlicher Herr, keiner Prälat, keiner Bischof, solange er in der Todsünde ist.“ Hus wurde 6.7.1415 im Münster verurteilt in Gegenwart Kaisers, der sich seit 8.6. von Hus zurückgezogen hatte: weil er die vom Konzil am 4.5. 1415 verurteilten Irrtümer des Wiclif verteidigt und verbreitet habe und weil seine Bücher Lehren enthielten, die das Konzil als nicht-katholisch, irrig oder Ärgernis erregend, verwegen oder aufrührerisch, ja einige als offenbar häretisch verurteilt habe, werde er als Ketzer abgesetzt und degradiert und dem weltlichen Arm übergeben – ein Urteilsspruch, der im häretischen Inhalt seiner Schriften und im damaligen Recht juristisch einwandfrei begründet liegt, wenn freilich auch politische Momente das Verfahren beeinflußten. Sofort wurde Hus auf einem Platz vor der Stadt vom Erztruchseß des Reiches, dem Pfalzgrafen bei Rhein, dem Feuertod überantwortet, seine Asche in den Rhein gestreut. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, Sp. 205 – Sp. 207

Tags: Häretiker
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