Unitarier

Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Unitarier

Unitarier (Ein-Gott-Leute) heißen in der Reformationszeit auftretende Antitrinitarier, die in Gott nur eine Person, demnach bloß den Vater als den einen wahren Gott anerkannten. Unitarier war schon der von den Mennoniten hergekommene Taufgesinnte Adam Pastoris, eigentlich Roelf (Rudolf) Martens; er wollte die Hl. Schrift grammatikalisch-wörtlich erklärt wissen, die in ihrer Einfachheit und Selbstverständlichkeit sich ohne inneres Wort des Geistes dem gesunden Menschenverstand erschließe und ohne „Scholastik“ auszulegen sei. Von der Philosophie der Renaissance und von der humanistischen Kritik an der Kirchenlehre kamen Servet und manche Italiener zu den Unitariern. Der von Servet beeinflußte B. Ochino ging zunächst von der Bibel aus und schuf mit der Terminologie des Martin Borrhaus (Celarius) das Lehrsystem, das Fausto Socini später geschickt zusammen faßte, ausführte und als Einigungs-Grundlage der Unitarier des Ostens (1580-95) verteidigte. Die zwischen 1550 und 1580 literarisch tätigen Unitarier des Ostens waren fast alle vorher Tritheisten aus Gribaldos und Gentiles Schule, die 1554-67 blühte, oder Ditheisten, wie Campanus. Da beide Richtungen sich gegen das alte Trinitätsdogma nicht halten konnten, mit dessen Entwurzelung sie die katholische Kirche zu vernichten und die Reformation zu vollenden gedachten (Fürst Radziwill an Calvin), schlossen sie sich nach heftigen Kämpfen (1569 bis 1572) den Unitariern an.

Diese Neu-Unitarier (seit den 1560er Jahren) nannten sich aber in Polen (1562-72) einfach „Christen“, nachher „Sozinianer“, im späteren 17. Jahrhundert auch Unitarier. Sie bestanden hier nur bis zur Ausweisung der „Polnischen Brüder“ 1658, der integrale Sozinianismus sogar noch kürzere Zeit. In Siebenbürgen, wo Blandrata und Davidis die Unitarier 1566 einführten, wurden sie schon von der lutherischen Synode zu Varad 1569 Unitarier genannt, ebenso 1600 vom Landtag in Lécsfalva, der sie als kirchliche Sondergruppe duldete, und 1638 von der Unitarierkirche selbst, die sich um Bischof und Hochschule in Klausenberg gruppierte; sie sind seit 1848 als gleichberechtigte Konfession anerkannt, (…)

Die Christusanbetung, die der Nonadorant Davidis ablehnte, Blandrata dagegen verfocht, ist im Gesangbuch v. 1865 nicht mehr vorgesehen. In Holland und England, wo der Sozinianismus in der 2. Hälfte des 17. und zu Anfang des 18. Jahrhunderts Modesache war, standen die Unitarier weit ab von Socini. Sie beeinflußten das Geistesleben in Holland stark; mit Remonstranten und Rijnsburgern hatten sie Verbindungen. In der Philosophie setzte sich Spinoza mit den Unitariern auseinander; in der Toleranz-Debatte waren Unitarier die lautesten Vorkämpfer für Gewissensfreiheit. Die Theologie der Unitarier, von Gegnern oft Photinianer oder Arianer genannt, war ein Hauptstreitpunkt in protestantischen Erörterungen des 17. Jahrhunderts, auch in Deutschland, wo z. B. die Universität Altdorf ein Stützpunkt der Unitarier war. Von Holland aus gewannen Unitarier Reformierte in England. Die erste, von John Biddle (1615-62) gegründete Unitarier-Gemeinde überlebte ihn aber nicht: in die Toleranz-Akte v. 1689 wurden Unitarier nicht aufgenommen. Neue Unitarier-Gemeinden entstanden, nachdem sich Theophil Lindsey von der Staatskirche getrennt hatte, durch ihn 1774 in London, durch Joseph Priestley in Birmingham. Sie widerstanden der staatlichen Verfolgung und zählten nach den Toleranzgesetzen v. 1813(25/44 etwa 350 Gemeinden. Sie sind unabhängig, lose verbunden in der British and Foreign Unitarian Association (London) mit Generalsynode alle 3 Jahre (seit 1882). Geistig sind sie wie ihr führender Theolog James Martineau stark von den Unitariern Amerikas beeinflußt, wo 1785 die erste Unitarier-Gemeinde in Boston sich bildete. Priestley wirkte seit 1794 in Pennsylvanien; Channing, Pfarrer in Boston, gründete 1825 die American Unitarian Association (Boston). Der etwa 350 Gemeinden kongregationalistischer Verfassung mit 60000 Mitgliedern angeschlossen sind. 1806 bis 1808 erwarben sie Einfluss auf das Harvard College (Cambridge bei Boston), das 1817-78 unter ihrer Herrschaft stand. Außer der Divine School der Harvard-Universität besitzen sie eine solche in Meadville (Pa), ebenso die englischen Unitarier eine in Oxford. – Der Rationalismus der Unitarier ergriff auch andere religiöse Gemeinschaften, z. B. die Church of the Disciples oder Campbelliten (Baptisten); ihr rein ethisches, soziales, undogmatisches, überkonfessionelles und übernationales Christentum auf Grund idealistischer, bisweilen (R.W. Emerson) zum Pantheismus neigender Weltanschauung wirkte sich aus in internationalen Kongressen „der Unitarier und anderer liberaler religiöser Denker“ in Kopenhagen 1900, London 1901, Amsterdam 1903, Berlin 1910 („Weltkongress für freies Christentum“), Boston 1926. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. X, 1938, S. 402-403

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