Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Apollinaris der Jüngere
Apollinaris der Jüngere, Sohn des Apollinaris des Älteren, * um 310 zu Laodicea, hier später Lektor und schließlich Bischof. Ein Mann von außerordentlicher Gelehrsamkeit und tadellosen Sitten, von Heiden und Christen geschätzt, mit Athanasius befreundet, von Epiphanius als Häretiker noch mit Hochachtung genannt; erwarb sich große Verdienste durch Bekämpfung des Arianismus, wurde aber mit ihm selbst nicht ganz fertig; er überwand zwar dessen theologischen (trinitarischen), nicht aber dessen christologischen Irrtum.
Lehre. Apollinaris verteidigte entschieden die wahre Gottheit des Logos, ließ jedoch anfangs wahrscheinlich ganz wie Arius den Logos an die Stelle der menschlichen Seele überhaupt, bald aber, an die platonische Trichotomie sich anschließend, an die Stelle der vernünftigen Seele getreten sein. Der Logos habe zwar den menschlichen Leib und die menschlich unvernünftige Seele, nicht aber die vernünftige Seele oder den geist angenommen; an Stelle des letzteren sei er selbst getreten. Apollinaris fürchtete nämlich, mit der Annahme (…) des in ihm wurzelnden freien, selbstmächtigen Willens würde sowohl die Einpersönlichkeit als auch die Sündelosigkeit des Erlösers und damit auch unsere Erlösung gefährdet. Zwei vollständige Wesen könnten nicht eines werden: (…). Hätte sich also in Christus die vollkommene Gottheit mit der vollkommenen Menschheit verbunden, dann wären es 2 Söhne Gottes, ein natürlicher und ein angenommener, und wir wären nicht von Gott, sondern von einem Menschen, d. h. gar nicht erlöst (ontologischer Grund; falscher Persönlichkeits-Begriff). Ferner wäre mit (…) veränderlichen freien Willen im Erlöser die Möglichkeit und Wirklichkeit der Sünde gegeben (…), und damit wäre unsere Erlösung abermals ausgeschlossen (ethischer Grund; falscher Begriff der Wahlfreiheit). Als Schriftbeweis diente ihm hauptsächlich Joh. 1, 14 (…) und Phil. 2, 7 (Christus sei den Menschen nur ähnlich geworden)…. –
Der Irrtum wurde durch das Konzil zu Alexandria 362, durch die römischen Synoden 374, 376 und 380 und durch das 2. allgemeine Konzil zu Konstantinopel 381 verworfen und durch Athanasius, die 3 großen Kappadokier (namentlich Gregor von Nyssa), Epiphanius und besonders durch die Antiochenische Schule (Diodor, Theodor von Mopsuestia und Theodoret) auch wissenschaftlich zurück gewiesen. Apollinaris trat um 375 aus der Kirchen-Gemeinschaft aus und weihte bald darauf Vitalis zum Bischof von Antiochien. Nach des Apollinaris Tod (um 390) spalteten sich die Apollinaristen in 2 Parteien: in Anhänger des Polemon (Polemius) und seines Schülers Timotheus, Bischofs in Berytus, Verfassers einer verloren gegangenen Kirchengeschichte, und in Anhänger des Bischofs Valentin. Dieser lehrte übereinstimmend mit Apollinaris, daß das Fleisch durch die Vereinigung göttlich geworden sei, während erstere behaupteten, daß es auch Gott (…) geworden sei. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. I, 1930, Sp. 544 – Sp. 545