Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Judenchristen
Judenchristen, die aus dem Judentum hervorgegangenen Christusgläubigen der apostolischen und nachapostolischen Zeit. Die Urgemeinde in Jerusalem hielt streng konservativ am jüdischen Gesetz und Kult fest (Apg. 2,46; 3,1: 5,12; 10,14; 21,20-24). Die Forderung der Gesetzesbefolgung an die Heidenchristen in Antiochia durch Judaisten aus Jerusalem (Apg. 15,1 u. 5) führte zum Apostelkonzil, das die Gesetzesfreiheit der Heidenchristen anerkannte, die Stellung des Judenchristen zum Gesetz aber formell nicht berührte (Apg. 15; Gal. 2). Daher auch nachher noch der Kampf der Judaisten gegen das gesetzesfreie Evangelium des Paulus. Dieser kam den Judenchristen in der Praxis in mancher Hinsicht entgegen (Apg. 16,3; 18,18; 21,20ff; 1. Kor. 9,20). Auch die Kollekte bei den paulinischen Gemeinden für die Gemeinde von Jerusalem brachte derenVorrang als Mutter aller Gemeinden und die Einheit zwischen Heidenchristen und Judenchristen zum Ausdruck (vgl. Röm. 15,26f; 2. Kor. 9,13f).Ausschließlich judenchristliche Gemeinden gab es wohl nur in Palästina und den benachbarten Provinzen. Umgekehrt gab es in der apostolischen Zeit auch bloß wenige rein heidenchristliche Gemeinden. Paulus wandte sich als Missionar durchweg zuerst an die Juden (Apg. 13,5 14ff; 14,1; 17,1f 10-12 17; 18,4—6; 19,8f). Die wachsende Ausbreitung des Evangeliums unter den Heiden und die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 haben dem Judenchristentum die Bedeutung genommen. Die palästinischen Judenchristen flüchteten schon während des jüdischen Krieges nach Pella und Kochaba im Ostjordanland und nach Beröa in Cölesyrien. Ein Teil scheint aber nach 70 nach Jerusalem zurück gekehrt zu sein. Von den ungläubig gebliebenen Juden wurden die Judenchristen seit etwa 100 im täglichen Synagogen-Gebet verflucht (vgl. die 12. Bitte des jüdischen Hauptgebetes und Strack-Billerbeck IV). Soweit das Judenchristentum nicht in der großen christlichen Gemeinschaft aufging, verfiel es der Verkümmerung und dem Sektentum (Ebioniten, Elkesaiten, Nazaräer). Die These der Schule F. Chr. Baurs vom ursprünglichen Gegensatz zwischen petrinischem Judenchristentum und paulinischem Heidenchristentum, aus deren Synthese im 2. Jahrhundert die katholische Kirche entstanden sei, ist längst überwunden.
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, S. 691