Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Bluthostien
Bluthostien, jene konsekrierten Hostien, an denen sich wunderbar Blut gezeigt haben soll. Zur dogmatischen Beurteilung vgl. Blutwunder. Legenden von Bluthostien waren schon dem christlichen Altertum nicht unbekannt, knüpfen sich aber meist nur an bestimmte Personen, während solche, die an bestimmten Brotsgestalten oder Orten (lokalisierte Legenden) haften, erst gegen 1200 auftreten. Ihren Höhepunkt erreichten derartige Hostienlegenden um 1300.
Über das ganze katholische Abendland verbreitet (auf deutschsprachigem Gebiet gegen 100), weisen sie in Südbayern starke Häufung auf. Haben sich angeblich noch einige Bluthostien erhalten (Augsburg-Heiligkreuz, Andechs, Deggendorf, Seefeld), so ist fast immer nur mehr die Legende vorhanden, die eine auffallend gleich bleibende Struktur aufweist: Frevel, starkes Bluten, Verbergen der Hostie (meist unter einem Stein), Leuchten und Auffindung, feierliche Erhebung. Dieses System, der tatsächlich erfolgte Kirchenbau, das Fehlen der Wunderhostie beweist, daß der Legende eine andere Ursache zu Grunde liegt, nämlich das seit 1300 verbreitete Erbärmdebild (imago pietatis). Es besaß ausgesprochen sakrifikalen Charakter und war im Abendland mit einem Blutwunder Gregors d. Gr. verbunden. Traten zu der Aufstellung des Bildes bestimmte Momente (bereits vorhandene Blutreliquie, katastrophale Ereignisse, Hinrichtungen und Verbrennungen, namentlich von Juden), so waren die Bedingungen zur Legendenbildung gegeben. Daher weisen solche Kirchen meist nur ein Erbärmdebild und keine Hostie als Kultträger auf (Mainburg, Bettbrunn usw.). In Erinnerung an die ursprüngliche orientalische Heimat (loca sancta) der imago pietatis nannte man solche Hostien- bzw. Erbärmde-Kultstätten mit Vorliebe „Heiligenstatt“, die zusammen mit den Kreuz- und Heiligen-Wallfahrten die Vorläufer der Muttergottes-Wallfahrten wurden, deren erste deswegen Wallfahrten zur Schmerzensmutter waren.
Von der Kirche zunächst geduldet, fand der Bluthostien-Kult in Nikolaus von Cusa einen entschiedenen Gegner. Bei der schon seit Jahrhunderten bestehenden Vorschrift, daß solchen noch existierenden Bluthostien zweifelsfreie konsekrierte Gestalten beigelegt werden müssen, kann der Kult auch heute noch ein Mittel zur Förderung der Verehrung des heiligsten Sakramentes sein. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. II, 1931, Sp. 405