Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Erbärmdebild
Erbärmde, antiquierte Form für „Erbarmen“, in althochdtsch. Glossen für das lateinische misericordia, auch imago pietatis, ein wohl schon aus dem Orient stammendes, im Zusammenhang mit der deutschen Mystik sehr beliebt gewordenes Bildmotiv: Christus als Schmerzensmann, mit Dornenkrone und Mantel oder Lendenschurz.
Zu den wichtigsten und frühesten Darstellungen – Miniaturen gehen voraus – zählt die Steinfigur im Heiligkreuz-Münster zu Schwäbisch-Gmünd um 1360/70. Verwandt in der Auffassung ist eine ungefähr gleichzeitige Steinstatue der Stadtpfarrkirche zu Ochsenfurt, abweichend dagegen und eigenartig eine Holzfigur v. Neumünster in Würzburg ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert. Der übliche Typus zeigt Christus aufrecht stehend mit entblößter Brust, die rechte Hand im Sinne des alten Trauergestus am Haupt, die Linke auf die Seitenwunde deutend oder beide Arme vor der Brust. Im einzelnen kommen Variationen vor, namentlich liebt die Spätgotik gelöstere Gesten; entscheidend bleibt, daß Christus mit den Wundmalen, aber lebend und mit Schmerzens-Ausdruck dargestellt ist: ein Bild „zum Erbarmen“, das die geschichtliche Abfolge der Passion in diesen Zustand verdichtet zeigt und zu tiefer Versenkung in das Leiden des Herrn anregt.
Auf den Zusammenhang des Erbärmde-Christus mit der Gregoriusmesse wurde mehrfach hingewiesen (Bluthostien); hier zeigt sich deutlich der eucharistische Charakter. Das Hineinstellen des Schmerzensmannes in einen weiteren Zusammenhang kommt auch außerhalb der Gregoriusmesse vor, z. B. bei Epitaphien (Stiftskreuzgang in Aschaffenburg), beim Ehenheimschen Votivbild in St. Lorenz zu Nürnberg um 1440, bei einem sog. Pestbild um 1510 in der Kirche zu Munderkingen. Die Fortbildungen und Umrankungen mit weiteren Motiven treten anscheinend besonders erst nach dem 14. Jahrhundert hervor. Seit dem ausgehendenMittelalter wird er durch den sitzenden Schmerzensmann verdrängt: „Christus in der Ruh (in der Rast)“; hier „ist der Heiland in dem Zeitpunkt gedacht, wo er ,auf Golgotha angekommen und seiner Kleider beraubt, warten musste, bis das Kreuz, an dem er angenagelt sterben sollte, hergerichtet war“ (Künstle), wobei die Wundmale meistens fehlen. Der sitzende Schmerzensmann wurde landschaftsweise, z. B. in Altbayern, sehr volkstümlich, wozu Wallfahrten wie die zu Unserers Herrn Ruh nicht wenig beitrugen. Ergreifende Darstellungen schufen Dürer, Leinberger, Cranach u.a. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. III, 1931, Sp. 737 – Sp. 738