Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Schmerzen Mariä
Schmerzen Mariä. I. Die Verehrung der Schmerzen Mariä, der Schmerzhaften Mutter Gottes (Mater dolorosa) oder ULF von den Schmerzen erwuchs als Zweig der immer inniger, vielgestaltiger und detaillierter sich entfaltenden Marienverehrung, im Zusammenhang mit der Vorliebe des Mittelalters für die Betrachtung des Erlösungs-Leidens Christi, bei dem ja Maria selbst durch ihr Mit-Leiden, besonders unterm Kreuz den Gipfel menschlicher und heilstätiger Größe erstieg. Die literarischen Vorstufen liegen im 12., die eigentlichen Anfänge im 13. Jahrhundert: Kloster Schönau errichtet 1221 einen Altar zur schmerzhaften Mutter; die Gründung des Servitenordens um 1240 bezweckt ausdrücklich die Verehrung dieses Geheimnisses; die auf des hl. Bernhard Traktat De planctu b. Mariae fußenden Marienklagen behandeln dichterisch den Stoff; der hl. Bonaventura verfaßt ein Offizium de compassione BMV, wahrscheinlich auch er die erschütternde Sequenz Stabat mater. Das theologische und erbauliche Schrifttum, vor allem der Serviten, Hymnen und geistliche Schauspiele, die Einführung eines Festes durch die Kölner Provinzialsynode 1423 und einer Bruderschaft in Flandern durch den Pfarrer Johann v. Coudenberghe, die 1495 päpstlich bestätigt wurde und eine weite Verbreitung in den Niederlanden und Nachbar-Gegenden fand, brachten die Verehrung der dem Volk in seiner Not so vertrauten „Königin der Märtyrer“ zur vollen Blüte. Es entstanden der „Schmerzens-Freitag“ und ein weiteres Fest im September, religiöse Genossenschaften und Vereine, Litaneien (17. u. 18. Jahrhundert), in Spanien der Mädchenname Dolores, die Widmung des Septembers an die schmerzhafte Mutter (Beringer nr. 771), die ebenfalls von den Serviten geförderte Korone von den 7 Schmerzen, bestehend aus 7 Gesetzen mit je 1 Pater und 7 Ave Maria und zum Schluß in Erinnerung an Mariä tränen 3 Ave (ebd. 887/90), die Einreihung der Schmerzen Mariä als 5. Zehner in den Rosenkranz der Birgitten, die Andachtsübung an den 7 Freitagen vor den beiden Festen mit j e7 Pater, Ave und Gloria (ebd. Anhang 1930 43), als eine der 11 Mariennovenen die Schmerzennovene (ebd. 757), die Gebetsstunde zur schmerzhaften Mutter Gottes am Karfreitag (ebd. 770) oder an einem andern Tag (ebd. 769) und weitere mit Ablässen ausgestattete Gebete (ebd. 411F; 446/50).
Die Zahl und Auswahl der Schmerzen Mariä schwankte zuerst; es wurden hauptsächlich im 14. Jahrhundert nach Analogie der 5 Wunden Christi 5 genannt, auch 7, seltener 6, 8, 9, 23 und selbst 150 (so Alanus de Rupe in Angleichung an den Psalter). Da man aber die Zahl 7 in der Symbolik (als Sinnbild der Vollkommenheit oder Fülle) und im germanischen Volksgebrauch (Nothelfermotiv) bevorzugte, außerdem bestrebt war, die Schmerzen Mariä an die ältere, in Hymnen, Gebeten und zuletzt in Bildern durchbrechende Verehrung der 7 Freuden Mariä anzupassen bzw. anzuknüpfen, wie es z. B. Der Heilsspiegel vorgetan hatte, drang dann allgemein die von der flandrischen Bruderschaft getroffene Siebenzahl der Geheimnisse durch, vom Utrechter Brevier von 1508 so umschrieben: A sene prophetatur – In Aegyptum fugatur – Amissus quaeritatur – Sub cruce oneratur – Mater defiliatur – In sinum collocatur – Sepulchro commendatur. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IX, 1937, Sp. 280 – Sp. 281