Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Heinrich I. bis VIII. englische Könige
Heinrich I. – Heinrich II. – Heinrich III. – Heinrich VI. – Heinrich VIII.
Heinrich I., * 1068 als jüngster Sohn Wilhelms I. des Eroberers, † 2.12.1135. Heinrich erlangte 1100 nach dem gewaltsamen Tod seines Bruders Wilhelm II. Rufus die Herrschaft in England. Um sie gegen die Ansprüche seines älteren Bruders Robert II. von der Normandie zu sichern, suchte er die kirchliche Unterstützung. Daher rief er den vertriebenen Anselm v. Canterbury zurück, der 1101 seine Ehe mit der schottischen Prinzession Mathilde einsegnete. Wegen neuer scharfer Kämpfe in der Investiturfrage musste Anselm 1103 erneut das Land verlassen.
Doch trieb Heinrich nicht zum unheilbaren Bruch. 15.81106 verzichtete er auf die Belehnung der Bischöfe und Äbte mit Ring und Stab, wenn sie den Lehnseid leisteten. Ein Konzil zu London 1.8.1107 bestätigte diese Abmachung v. Bec. Auch die alten Verordnungen gegen Simonie und Priesterehe wurden wieder eingeschärft, aber nie ganz durchgeführt. Heinrich beteiligte sich an der Festigung der kirchlichen Ordnung durch Gründung der Bistümer Ely (1109) und Carlisle (1133) und der Abtei Reading (1121).
Damals fassten auch die Zisterzienser in England Fuß. Anfangs verweigerte Heinrich die Aufnahme eines päpstlichen Legaten, ließ aber 1125 den Kardinal v. Crema kommen. Im übrigen war Heinrichs Regierung grundlegend für den Ausbau der finanziellen und juristischen Aufgaben des Staates.
Heinrich II., * 25.3.1133, † 6.7.1189 zu Le Mans; nach dem Tode Stephans v. Blois 1154 König, stärkte zielbewusst die königliche Macht, dabei tatkräftig unterstützt durch seinen Kanzler Thomas Becket, den er nach dem Tode des Erzbischofs Theobald v. Canterbury zur Annahme des erzbischöflichen Amtes nötigte, wohl um in ihm in der neuen Stellung ein Werkzeug für möglichste Vereinigung der geistlichen und weltlichen Gewalt in seiner Hand zu haben.
Als jedoch Heinrich Stellung und Vorrechte des Klerus zu Gunsten der königlichen Gewalt stark beschränkte, leistete Becket entschiedenen Widerstand. Es kam zu heftigen Auftritten auf der Synode von Westminster 1163, als Becket trotz Nachgiebigkeit der Bischöfe sich dem freiwilligen Verzicht auf das Privilegium fori des Klerus widersetzte, auch die von den königlichen Vorfahren ererbten Gerechtsame Heinrichs nur unbeschadet der Rechte der Kirche anerkennen wollte. In den 16 Konstitutionen von Clarendon beanspruchte Heinrich darüber hinaus u. a. das Verfügungsrecht über das kirchliche Eigentum.
Aber Becket verweigerte nach anfänglichem Schwanken die Unterschrift und floh, vom König bedroht, November 1164 nach Frankreich. Papst Alexander III. wollte einen völligen Bruch vermeiden, um Heinrich nicht auf die Seite des Gegenpapstes zu treiben. In England standen Barone und manche Bischöfe auf Seiten des Königs, andere Bischöfe und das Volk hielten zu Becket. Heinrich söhnte sich 1169 mit Becket aus, aber ohne aufrichtige Absicht.
Dass Heinrich entgegen aller Gewohnheit seinen Sohn und Erben Juni 1170 durch Beckets erbitterten Gegner, den Erzbischof von York, in Westminster krönen ließ, erzeugte wieder Spannung. Trotzdem kehrte Becket zurück. Die erneut und in bitteren Worten sich äußernde Feindschaft Heinrichs ermutigte einige Ritter, Becket – ohne Vorwissen Heinrichs – zu ermorden. Dies war der schwerste Schlag für Heinrich. Trotz der Verleugnung der Mörder, der Lösung von Bann (zu Avranches 1172), der öffentlichen Bußübungen Heinrichs am Grab des Märtyrers erlangte er seine Volkstümlichkeit nicht wieder und sah seine Regierung unglücklich enden.
Ein tüchtiger Staatsmann und trefflicher Krieger, in seinen besten Jahren einer der Mächtigsten der Zeit, der sogar an die Erlangung der Kaiserwürde denken konnte, büßte er infolge Maßlosigkeit gegen Ende seines Lebens einen wesentlichen Teil des Erworbenen wieder ein.
Heinrich III., *1.10.1207, kam schon 1216 durch den Tod seines Vaters Johann Ohneland zur Regierung, zunächst unter Vormundschaft des Earl of Pembroke und des Bischofs v. Winchester. Von Anfang an stellte sich Heinrich auf Seiten des Papsttums in den heftigen kirchenpolitischen Kämpfen des 13. Jahrhunderts. Günstlingswirtschaft und Unordnung der Finanzen veranlassten 1234 das Eingreifen des Erzbischofs Edmund Rich v. Canterbury, das ohne nachhaltigen Erfolg blieb.
Der von Heinrich erbetene Kardinal-Legat Otto v. St. Nikolaus erließ auf Synoden zu London (1237 u. 1239) und Oxford (1241) Reformdekrete. Dagegen erweckten seine Besteuerungen und Geldforderungen, die er mit Zustimmung Heinrichs für den in heftigsten Kämpfe mit Kaiser Friedrich II. stehenden Papst Innozenz IV. in England eintrieb, Unzufriedenheit, was Bischöfe und Adel benutzten, um Heinrich neue Freiheiten und eine genauere Beobachtung der Magna Charta abzuringen.
Streit mit den Baronen, Fehlgriffe in der Außenpolitik und stete Nachgiebigkeit gegen die Kurie in Bezug auf Pfründen-Besetzung und Besteuerung machten Heinrich immer mehr unpopulär; 1264 nahm ihn sein Schwager Simon v. Montfort gefangen. Sein Sohn Eduard befreite ihn zwar 1265, aber Heinrich war nur mehr dem Namen nach König. Die Kette von Missgriffen und Fehlschlägen, besonders auch auf kirchenpolitischem Gebiet, die absolutistische Willkür und dann wieder hilfloseste Schwäche schädigten das Ansehen des Königtums wie des Papsttums.
Heinrich VI., * 6.12.1421, wurde König am 1.9.1422 und wenige Wochen später beim Tod seines Großvaters Karl VI. auch König v. Frankreich, 21.5.1471 wahrscheinlich von Richard v. Gloucester ermordet. In seiner langen Regierung häuften sich die Unglücksfälle. Heinrich war von besten Absichten beseelt, sehr fromm und von untadeligem Lebenswandel, mit großer Vorliebe und Sorge für das Erziehungswesen (King`s College in Cambridge und Eton College), aber zu gutmütig und vertrauensselig, Spielball der großen Barone, den stürmischen Bestrebungen seiner Zeit nicht gewachsen. In neuerer Zeit gehen Bestrebungen, Heinrich heilig zu sprechen (Kardinal Gasquet).
Die anglikanische Kirche hat Heinrich in ihren Kalender aufgenommen.
Heinrich VIII., * 28.6.1491 als 2. Sohn Heinrichs VII., † 28.1.1547. Mit reichen geistigen und körperlichen Gaben ausgestattet, nach dem Ideal der Renaissance gebildet und erzogen, noch in den ersten Jahren nach seiner Thronbesteigung (1509) wenig um Politik sich kümmernd, trat Heinrich erst nach Übernahme der Leitung der Staatsgeschäfte durch Wolsey allmählich in das politische Getriebe ein. Bald zeigten sich seine politischen Fähigkeiten, aber auch die despotischen Züge. 1541 trat er der Hl. Liga bei. Dem Auftreten Luthers stand er abwehrend gegenüber und drängte Karl V. zu tatkräftigerem Einschreiten.
Zum großen Teil aus Heinrichs Feder stammt das theologische Werk: Assertio Septem Sacramentorum (1521), das ihm das Lob Leos X. und den Titel Defensor fidei eintrug. Des Königs verschwenderische Lebensführung und Wolseys kostspielige Politik erheischten immer neue Geldquellen. Dabei fiel das Augenmerk auch auf die Kirche und ihren reichen Besitz.
Inzwischen hatte sich Heinrich von Katharina v. Aragonien, die er als Witwe seines älteren Bruders Artur geheiratet hatte, entfremdet; er erstrebte eine Trennung von ihr, um Anna Boleyn zu ehelichen. Da Kirche und Papst weder in der finanziellen noch in der Ehefrage ihm zu Willen waren, beschritt er den Weg der Gewalt, den ihm Wolsey, der allmächtige Minister und Legat, bereits geebnet: die Verbindung mit Rom war gelockert, in der Einziehung kleiner Klöster ein Anreiz für weitere ähnliche Maßnahmen und durch die Gesetze gegen die päpstlichen Pfründen-Besetzungen die nötige Handhabe geboten.
Die Weigerung des Papstes Klemens VII. (nach anfänglicher Unentschiedenheit), die Gültigkeit der Ehe mit Katharina auszusprechen, hatte schwerwiegende Folgen. Wolsey fiel in Ungnade und wurde aller Güter und Einkünfte beraubt. Sein Nachfolger Thomas Morus konnte das gewissenlose Treiben des Königs nicht lange mit seiner Verantwortung decken. Ihn ersetzte Thomas Cromwell, ein ganz willfähriges Werkzeug der königlichen Launen. Fast gleichzeitig hatte Heinrich den Stuhl v. Canterbury mit dem gefügigen Cranmer besetzt. Dieser erklärte 1532 Heinrich Ehe für ungültig und segnete 25.1.1533 die Verbindung Heinrichs mit Anna Boleyn ein.
Im selben Jahr zwang Heinrich den Klerus zur Anerkennung des königlichen Supremats auch in geistlichen Dingen, anfangs unbeschadet der Rechte der Kirche, dann unbedingt. Danach folgten Abschaffung der Annaten, Beschränkung der Appellationen nach Rom, 2 Parlamentsakte, die den König als einzig legitimes Haupt der Kirche erklärten und jeden, der diese Rechte bestritt, als Verräter brandmarkten. Durch die Hinrichtung der wenigen, die sich dem Suprematseid widersetzten, z. B. des Thomas Morus und des Kardinals Fisher, wurden die Katholiken eingeschüchtert.
1535 verhängte der Papst den Bann über Heinrich. Die Einziehung der kleineren Klöster (376 i. J. 1536) und schließlich auch der größeren (i. J. 1539), wobei man oft brutal vorging, beraubte die Kirche wichtigster Helfer und Stützpunkte. Auch die Neugläubigen ließ Heinrich verfolgen (1535 Verbrennung von 14 niederländischen Wiedertäufern und 1539 Einschärfung der Bloody Act), ohne das Eindringen des Protestantismus verhindern zu können.
Die Tyrannei Heinrichs wuchs mit den Jahren. 1536 wurde Anna Boleyn hingerichtet, 1540 Cromwell. Die Furcht vor der Macht und dem Glück des Königs hemmte alle ernstliche Versuche zur Umkehr der Verhältnisse. Die letzten Jahre Heinrichs waren erfüllt von dem Bestreben, die auf die katholische Lehre aufgepfropfte anglikanische Kirchenverfassung zu festigen, allerdings ohne Erfolg; denn nach Heinrichs Tode kam der Calvinismus zum Siege.
Gewiss erleichterten die kirchlichen und politischen Verhältnisse den manchen erwünschten Bruch Heinrichs mit Rom; tatsächlich erfolgte dieser jedoch aus rein egoistischen Gründen. Selbstsüchtig, dazu sinnlich und grausam, benützte Heinrich, ein „despot under the forms of Law“, überaus klug die vorhandenen Einrichtungen, besonders das Parlament, zur Förderung seiner ungezügelten Wünsche. In vielem legte er den Grund zu Englands späterer politischer Größe; seine kirchlichen Maßnahmen aber wirkten sich aufs Schlimmste aus. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IV, 1932, Sp. 917 – Sp. 921
Bildquellen
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