Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Cyrene
Cyrene I. Geschichte.
Cyrene war die wichtigste unter den 5 Hauptstädten der Cyrenaïka, einer ca. 631 von Thera aus gegründeten dorischen Kolonie im heutigen Tripolis. Die älteste Verfassung war das Königtum, seit dem 5. Jahrhundert die Demokratie. 322 wurde Ptolemäus Lagi Herr von Cyrene. Von 117 an bildete die Pentapolis ein eigenes Königreich unter einem jüngeren Zweig der Ptolemäer, dessen letzter Sproß, Ptoleäus Apion († wahrscheinlich 96 v. Chr.), es den Römern vermachte (Tacitus, Ann. XIV 28). Diese machten Cyrene zur civitas foederata und 88 v. Chr. durch Lukullus die Cyrenaïka zur römischen Provinz, die 27 v. Chr. mit Kreta unter einem Proprätor vereinigt wurde.
Unter den Einwohnern waren viele Juden; schon Ptolemäus I. soll sie hierher verpflanzt haben (Josephus Apion 2, 4; Antiqu. 14, 7, 2; 16 6, 5; Bell. Jud. 2, 14, 6; 1. Makk. 15, 23). Jason von Cyrene ist Verfasser der Vorlage des 2. Makk. (2. Makk. 2, 23). Wertvolle Aufschlüsse über die Gemeinde-Verfassung gibt eine Inschrift aus Berenike in der Cyrenaïka (CorpInscr Graec 5361; Schürer III 79f). Nach Strabo (bei Josephus, Antiqu. 14, 7, 2) bildeten die Juden die 4. Klasse der Bevölkerung. Heftige, von Juden angezettelte Unruhen fanden statt zur Zeit des Lukullus (88 v. Chr.), Vespasian (Nachspiel des Jüdischen Krieges) und Trajan ( Cyrenaïka war Hauptsitz der großen jüdischen Empörung; Dio Cass. 63, 32; Schürer I 662; III 52f u. 79f). –
Im Neuen Testament werden mehrere Personen aus Cyrene genannt: Simon, der Jesus das Kreuz trug (Mt. 27, 32 u. Parall.), Lucius in Antiochia (Apg. 13, 1). Cyrenäer waren beim 1. Pfingstfest (Apg. 2, 10) und bei der Gründung der christlichen Gemeinde zu Antiochien in Syrien beteiligt (Apg. 11, 20).
Über die Anfänge des Christentums in der Cyrenaïka ist nichts bekannt. Mitte des 3. Jahrhunderts gab es dort bereits ein geordnetes Kirchenwesen mit mehreren Bistümern. Der Häretiker Sabellius stammte aus der Pentapolis. Auch Märtyrer sind bezeugt (vgl. HarnackMiss II, 180f). Bei der Teilung des römischen Reiches kam Cyrene an Ostrom, 642 an die Araber. Infolge der Kreuzzüge wurde es wenigstens nominell als Bistum wieder hergestellt; heute ist es Titular-Erzbistum (Le Quien II 622; III 1151).
II. Archäologie.
Die Ausgrabungen der Italiener haben eine der wichtigsten griech.-röm. Ruinenstädte frei gelegt: an Kleinfunden ein ganzes Museum (jetzt in Bengasi). Die Stadt hatte eine berühmte Apolloquelle, eine Agora mit Kapitol, den bekannten Apollotempel des 6. Jahrhunderts v. Chr. Mit großem Freialtar, mehrmals umgebaut, in byzantinischer Zeit in eine Kirche umgewandelt, ferner ein Artemision, Plutontempel, ein Heraheiligtum, Zeustempel, große und kleine Thermen.
Im Judenaufstand 114 bis 16 n. Chr. großenteils zerstört, wurden die Denkmäler z. T. durch Hadrian wieder hergestellt. Aus byzantinischer Zeit stammt noch eine Basilika. –
In der Umgebung der Stadt sind einstweilen nur mehrere ganz unzureichend erforschte Coemeterien bekannt geworden, in Anlage und Ausstattung jüdisch wie alexandrinisch beeinflusst. Eine dieser Grabkammern hat in die Wände eingelassene Arkosolgräber, die von z. T. bildgeschmückten Muschelknochen überdeckt sind; eine weitere zeigt eine Darstellung des Guten Hirten inmitten der Schafe und von Fischen umgeben; ein anderes ausgedehntes Coemeterium (Kenniseh) hat ganz unregelmäßige Kammern- und Grotten-Anlage. Bei Aphrodisias befindet sich eine Grabkammer, in deren Hintergrund 2 kurze Säulen mit Kapitellen unterhalb der Decke einen Relief-Fries mit Wein- und Akanthus-Ranken, Kreuzen und Fischen tragen. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. III, 1931, Sp. 102 – Sp. 103