Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Giordano Bruno
Bruno, Giordano (Ordensname, früher Filippo), italienischer Philosoph, * 1548 in Cicala bei Nola, † 17.2.1600 zu Rom; 1562 OP in Neapel, 1572 nur mehr Priester. Aus Hinneigung zu lasziver Poesie und wegen zweifelhafter Äußerungen über die christlichen Grunddogmen in Gegensatz zu Orden und Kirche geraten, floh er 1576. Ein unstetes Wanderleben führte den krankhaft Streitsüchtigen und Gehässigen nach Genf, Toulouse, Paris, London, Oxford, Wittenberg, Prag, Helmstedt, Frankfurt (Aschaffenburg), Zürich, wobei er Konfessionswechsel und ewige Händel nicht scheute.
Der junge Venezianer Mocenigo lud ihn nach Venedig ein, zeigte ihn aber 1592 bei der Inquisition wegen Häresie an. 1593 nach Rom gebracht, wurde Bruno nach langem Prozess auf Verweigerung des Widerrufs hin nach damaligem Gesetz verbrannt.
Bruno wollte den ihm verhassten scholastischen Aristotelismus durch ein neues System schlagen. Grundlage des Universums, das aus unendlich vielen Welten besteht, ist die passive Materie, mit der die aktive Form, Weltseele, Gott, identisch ist. Bruno machte widersprechendste Anleihen, bei Heraklit und Stoa, Anaxagoras und Neuplatonikern ebenso wie bei Epikur (Lukrez).
Selbst Aristotelisches findet sich genug. Wenn seine Lehre trotzdem die innere Einheit der Welt wirkungsvoll darstellt, so liegt das Verdienst bei der Scholastik und bei dem von ihm hoch bewunderten Nikolaus von Kues, dem er u. a. auch das Prinzip der coincidentia oppositorum und die Auffassung der Welt als Spiegel Gottes verdankt. Nur als Mosaik ist sein System ein Meisterwerk, das zudem von einem wesentlich ästhetischen Enthusiasmus getragen ist.
Unterschied zu Nikolaus Kues
Von Nikolaus unterscheidet er sich durch einen gewollten naturalistischen Pantheismus, der als Explikations-Pantheismus auch zum plotinischen Dekreszenz-Pantheismus in scharfem Gegensatz steht; Nikolaus stellt Gott eben unendlich hoch über die Welt.
Außerdem verwirft Bruno die Menschwerdung Christi, die bei Nikolaus einen Hauptpunkt der Spekulation bildet, und zugleich alles spezifisch Christliche, um die volle Unabhängigkeit der Philosophie von jeder kirchlichen Autorität zu proklamieren. Damit wird er Vorläufer Spinozas, aber auch Schellings (Dialog „Bruno“, 1802). Descartes und Leibniz („monas monadum“) sind von ihm nur in untergeordneten Dingen beeinflusst. –
Der neuere kirchenfeindliche Zeitgeist sieht in Bruno seinen Haupthelden und setzte ihm in Neapel und Rom Denkmäler.
Von seinen Schriften betreffen die lateinischen größtenteils die ars magna des Raimundus Lullus, die italienischen geben außer den schamlosen Lustspielen seine Weltanschauung. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. II, 1931, Sp. 596 – Sp. 597
Bruno, Giordano, gehört zu den Philosophen des 16. Jahrhunderts, welche die dem Christentum feindliche Richtung der neueren Philosophie einleiteten … Die ersten Studien machte er in Nola, dann in Neapel. Schon mit 14 oder 15 Jahren trat er daselbst in den Orden der Dominikaner, und hier wurde ihm der Name Giordano beigelegt. Vor dem Prior der Predigerbrüder zu Neapel, Ambrosio Pasqua, legte er sein Ordensgelübde ab und empfing wahrscheinlich im Jahre 1572 die Priesterweihe. Die Bemühung Echard`s (Script. O. Pr. II), den Orden von der „Ehre“ der Mitgliedschaft Brunos freizusprechen ist vergeblich gewesen.
Zweifel Brunos an der christlichen Glaubenslehre
Außer der ihm durch die Ordensregel vorgeschriebenen Berufstätigkeit konnte Bruno so viel Muße finden, dass er sich in der Dichtkunst übte, vorwiegend in Versuchen einer kynischen Komik. Für diese frühzeitige Verirrung des Geschmacks und der Phantasie gibt das Lustspiel Il Candelajo den sprechendsten Beweis …
Dass Bruno schon vor seinem 18. Lebensjahr an der christlichen Glaubenslehre, z. B. der Dreieinigkeit Gottes, gezweifelt, behauptet er selber (Doc. XI, 28). Ebenso klagt er, dass er zu elender Heuchelei durch seine Oberen gezwungen worden sei (Opp. Ital. ed. Wagner II, 314). Dass er jedoch dabei aus der Rolle fiel, beweisen mehrfache Aussagen sowohl Brunos selber als auch seiner Vorgesetzten, sogar des Ordensprovinzials Domenico Vito.
Viele mehr oder minder gravierende Äußerungen werden ihm schon um das Jahr 1576 zur Last gelegt. Mag auch den Denunziationen des in seinen Erwartungen enttäuschten Schülers Giovanni Mocenigo vom Jahr 1592 nur eine gehässige Absicht zu Grunde liegen; darin stimmt Mocenigo mit Domenico Vito und Caspar Schopp (Schoppius) überein, dass sich Bruno gegen fundamentale Dogmen der Kirche absprechend, gehässig und leichtfertig geäußert hatte und einer Libertinismus verfallen war.
Es gelang ihm durch hartnäckiges Leugnen, dass eine erste Anklage keine weiteren Folgen hatten. In einem späteren Verhör gab er zu, den Arianismus verteidigt zu haben (Domenico Berti, Vita di Giordano B., Firenze 1868, p. 356; Doc. XI, 28; XIII, 45). Nach der Darstellung des Prokurators Contarini wurde Bruno zuerst in Neapel, dann in Rom prozessiert und eingesperrt und entsprang beide Male seinem Gefängnis (Berti, Documenti intorno a Giordano Bruno, Roma 1880, XXIV, 59).
Nach seiner eigenen Aussage (Docum. XIII, 45) verließ Bruno Neapel und begab sich um das Jahr 1576 nach Rom in das Kloster della Minerva. Er selber erzählt, dass er dann seinen Ordensnamen Giordano abgelegt und den Taufnamen Filippo wieder angenommen habe. Hiermit begann ein unstetes Wanderleben Brunos von einem Land zum andern, und da wieder von Ort zu Ort …
Brunos erbittertster Hass gegen die katholische Kirche
Schon gegen Ende 1583 ging er jedoch nach London und gewann dort so einflussreiche Männer, wie den französischen Gesandten Michel de Castelnau, den Ritter Philipp Sidney u. A., zu Gönnern und Freunden. Schon hier ist wohl die ohne Druckort und Jahreszahl gedruckte Schrift: Explicato triginta sigillorum ad omnium scientiarum et artium inventionem, … entstanden. In der Atmosphäre des damaligen Hoflebens unter Elisabeth von England erschien auch eine andere Schrift, welche ihre Tendenz schon in dem Titel trägt: „Abfertigung des triumphierenden Ungetüms“, …
Es ist der bitterste Hass gegen die katholische Kirche, die positiv christliche Religion und die frühere christliche Wissenschaft, welche sich in die leicht durchsichtigen Formen eines gegenwärtig auch für rohe Naturen ungenießbaren Spottes kleidet. Obwohl ohne wissenschaftlichen Wert, scheint das Buch später doch von Spöttern, wie Swift u. a., als Fundgrube der Blasphemie benutzt worden zu sein. Eine Fühlung mit der Lehre des Lucretius von der Unendlichkeit der Welten und mit dem Kopernikanischen System tritt in seinen „Tischgesprächen am Aschermittwoch“, La Cena delle Ceneri etc., Lond. 1584, hervor.
Der Grundgedanke seiner Lehre
In den hierauf folgenden Schriften: Della causa, principio et uno, Venez. 1584; De l`Infinito, Universo e Mondi, Venez. 1584 wird eine merkwürdige Verbindung der materialistischen Theorien eines Lukrez mit pantheistischer Aftermystik eingeleitet, welche sich dann später weiter ausspinnt, wie z. B. in Cabala del Cavello Pegaseo in tre dialoghi; L`asino Cillenico, Parig. 1585; Degli heroici furori, Parig. 1585. Der Grundgedanke derselben ist:
Die Materie und das göttliche Wesen sind eines und dasselbe. Der zweite Gedanke ist aber, dass das schöpferische göttliche Wesen, das was die alte Philosophie seit Anaxagoras „Geist“ nannte, ein Unding sei, da ja die Materie allein die Ursache und das Prinzip alles Seins, aller Formen sei. Bruno hat, wie schon Brucker bemerkt, es dahin gebracht, die fundamentalsten Begriffe der früheren, namentlich aristotelischen Logik in ihr Gegenteil zu verkehren…
Bruno schreitet (…) über die Gesetze der Hermeneutik und Logik, über den aristotelisch-scholastischen Sprachgebrauch hinweg und nennt die Materie den Mutterschoß der „Formen“ im Sinne eines Demokrit, Epikur und Lukrez. Dabei versäumt er es nicht, für seine drastisch geschilderte Kosmogonie Bibelstellen zu verwerten. Mit roh materialistischen Gedankenreihen wechseln dann wieder kabbalistischer Spiritismus, Aftermystik und eine phantastische Evolutionstheorie ab.
In andern Schriften findet sich eine mehr poetische als streng abstrakte pantheistische Weltanschauung. Seltener sind wirklich nüchterne wissenschaftliche Erörterungen. Bruno ist Eklektiker und Poet; eher als systematischer Denker ist er Nachbeter des materialistischen Monismus eines Demokrit, Lukrez sowohl als des mehr spiritualistischen Pantheismus der Eleaten, eines Amalrich, Balduin usw.; ebenso aber Vorläufer verwandter Systeme eines Spinoza u. A. ..
Allerwärts suchte Bruno Anknüpfung, wo er Opposition gegen die katholische Kirche vorfand. So ging er 1586 nach Wittenberg. Dort hielt er jedoch schon den 8. März 1588 eine öffentliche Abschiedsrede, bei welcher er sich in bitteren Schimpfworten gegen den Papst und die Hierarchie erging …
Die Vorwürfe der Häresie und Brunos Widerruf
Bruno ward von Mocenigo zahlreicher Häresien beschuldigt; er habe die Trinität geleugnet, eine ewige, unendliche, vom Fatum regierte Welt gelehrt; eine Entstehung der Menschen aus Schlamm behauptet, das Geschaffensein der menschlichen Seelen negiert usw. Gegen diese Vorwürfe verteidigte sich Bruno durch eine im Sinne des Pomponatius verstandene Unterscheidung von Philosophie und Theologie (Doc. XII., 30). Was er gelehrt, habe er als Philosoph nach dem natürlichen Licht gelehrt. Er verwerfe diejenigen seiner Schriften, in denen er „zu sehr philosophisch, unehrerbietig und nicht als guter Christ“ geschrieben und gesprochen habe (Berti, Docum. IX, 22). Direkt habe er nichts gegen die katholische Religion gelehrt (XI, 25).
Hierauf folgte sein feierlicher Widerruf „Aller Irrtümer, Ketzereien und Zweifel etc. (Doc. XIII, 45) gegen den katholischen Glauben“ (3. Juni 1592). Dann gelobte Bruno, sich zu bessern und das Ärgernis wieder gut zu machen. Nach hartem Weigern der venetianischen Inquisition wurde Bruno endlich am 7. Januar 1593 mit Rücksicht darauf, dass zwei frühere Prozesse in Rom und Neapel anhängig seien, nach Rom ausgeliefert, daselbst am 27. Januar 1593 eingekerkert und sechs Jahre gefangen gehalten. Über diesen Abschnitt seines Lebens ist nichts bekannt geworden. Am 14. Januar 1599 ward ihm dann eine Anzahl häretischer Sätze zur Abschwörung vorgelegt, und hierzu erhielt er einen weiteren Termin von 40 Tagen.
Brunos widersprüchliche Haltung gegenüber der Inquisition
Innerhalb derselben suchten die Oberen des Ordens ihn zur Abschwörung zu bewegen, allein, wie es scheint, ohne Erfolg. Nach Verlauf der 40 Tage hat Bruno, wie Schoppius berichtet, nichts Weiteres getan, als den Papst und die Inquisition verspottet. Am 20. Januar 1600 fand eine neue Sitzung des Offiziums statt, und hiermit begann eine ganz neue Wendung der Dinge. Bruno behauptete jetzt, im klaren Widerspruch mit sich selbst, nie häretische Sätze gesprochen zu haben; die Beamten des Offiziums hätten seine Aussagen missdeutet. Am 8.-9. Februar 1600 wurde endlich Bruno als Apostat und hartnäckiger Ketzer verurteilt und der weltlichen Gewalt übergeben. Am 17. Februar wurde das Urteil vollzogen.
Bruno als hartnäckiger Ketzer verurteilt
Die Erwägungsgründe des Urteils bezeichneten Bruno als einen der hartnäckigsten Ketzer, der in seinem Wahn eine Reihe verschiedener verwerflicher Dogmen gegen den christlichen Glauben, insbesondere gegen die heilige Jungfrau und die Heiligen, gelehrt habe, dabei hartnäckig geblieben sei und behauptet habe, er sterbe freiwillig als Märtyrer. Acht häretische Sätze wurden durch die Kongregation des 14. Januar 1599 aus den Schriften Brunos gezogen. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 2, 1883, Sp. 1364 – Sp. 1369
Bildquellen
- 263px-Giordano_Bruno_Campo_dei_Fiori: wikimedia