Bar-Kochbas und der Rabbi Akiba

Silberne Tetradrachme der Bar-Kochbas Administration:

Verschiedene Phasen der messianischen Frage im Schoße des jüdischen Volkes seit der Zerstörung Jerusalems

Zweites Kapitel.

Der falsche Messias Bar-Kochbas und der Rabbi Akiba

IV.

Unter allen falschen Messiassen, die zu zahlreich sind, als dass wir ihre Geschichte erzählen könnten, ist jedoch einer, der fünfte, Bar-Kochbas, an dem wir nicht kalt vorübergehen dürfen, weil sein Name einen andern Namen zurückruft, das Gedächtnis eines Mannes, über den endlich Gericht gehalten werden muss; wir wollen vom Rabbi Akiba sprechen.

Wie groß ist sie, die Autorität dieses Rabbi! Auf seine Weisheit hat man das Sprichwort gemacht: „Was dem Moses nicht geoffenbart worden ist, das ist dem Akiba geoffenbart worden“; und ferner: „Wenn man sich von Akiba trennt, ist es, als ob man sich vom Leben trennen würde.“

Namentlich durch die Legende von seinem Tod aber ist er der erste Strebepfeiler für die zusammenstürzende Synagoge geworden. Weniger glücklich, als Bar-Kochbas, der durch die Legionen Hadrians bei der Belagerung von Bither getötet wurde, war Akiba, wie es heißt, zum Gefangenen gemacht, einer furchtbaren Strafe aufbewahrt worden; man habe ihn vermittelst Instrumenten mit eisernen Zähnen langsam zerrissen, und als während seiner Marter die Gebetsstunde des Schema herankam: „Höre Israel, der Ewige ist Einer“ sei er, indem er das Wort „ist Einer“ aussprach, verschieden. (1)

In der jüdischen Nachkommenschaft hat sich nun folgende Unterscheidung ergeben: während unsere Vorfahren mit Verwünschung gegen den falschen Messias, der ihren Untergang vollendet hatte (2), seinen Namen Bar-Kochbas: Sohn des Sternes, in den Namen Bar-Chosbas: Sohn der Lüge, umgeändert hatten, verehrten sie, und seitdem ganz Israel, Akiba als den größten Märtyrer der Ära der Zerstreuung.

Nun wohl, im Widerspruch zu den achtzehn Jahrhunderten der Huldigung wollen wir, dass künftighin die Strenge, wenn auch nicht der Fluch, welche sich an den Namen Bar-Chosbas heftete, sich gleichfalls an den Namen Akibas hefte!

Es ist nichts Geringes, ein Ehrenmausoleum umzustürzen; wenn aber dieses Mausoleum unser Volk hindert, in das gelobte Land einzutreten, so dürfen wir uns nicht scheuen, den Zauber zu brechen und darüber hinweg zu schreiten!

Folgendes ist unsere Anklage gegen diesen Toten:

Er ist es, es ist Akiba, welcher den Sohn der Lüge gesalbt hat, und seinem bedeutenden Einfluss ist es zuzuschreiben, dass er als Messias angenommen wurde.

Hört Eure Geschichtsschreiber:

„Akiba tat in Hinsicht auf Bar-Kochbas, wie Samuel einst in Hinsicht auf David. Er legte in seine Hände das Schwert Jehovas. Beim Klang der Trompeten ließ er ihn ausrufen und hielt ihm in eigener Person den Steigbügel, als sich dieser Häuptling auf das Schlachtross schwang.“ (3)

Vernehmt Maimonides: mitten unter seinen Lobsprüchen über Akiba ist ihm ein furchtbares Wort entschlüpft: “Rabbi Akiba ist der große Weise unter den Weisen der Mischna gewesen. Er war auch der Schildträger des Königs Bar-Kochbas. Er war es, der von diesem Häuptling gesagt hat, er sei der König Messias. Mit allen Weisen seiner Zeit hegte er diese Überzeugung bis zu dem Augenblick, da Bar-Kochbas wegen seiner Freveltaten getötet wurde. Nach seinem Tod wurde es klar, dass er nicht der Messias war; aber um ihn zu erkennen, hatten die Weisen weder Zeichen, noch Wunder gefordert.“ (4)

Hört Ihr, bemerkt Ihr diesen Schlusssatz, welcher dem Maimonides sicherlich entschlüpft ist: „um ihn zu erkennen, hatte er weder Zeichen noch Wunder gefordert“?

Dies ist das Verbrechen Akibas.

Wenn er zu dem Zweck, seinem Vaterland die Befreiung zu verschaffen, den Arm des Bar-Kochbas bewaffnet hätte, so würde er dadurch nur die Tat eines ganz lobenswerten Patriotismus vollzogen haben, vorausgesetzt jedoch, er hätte der misstrauischen Eifersucht Hadrians gegenüber seine Maßregeln der Art getroffen, dass er nicht das letzte Blut des jüdischen Volkes auf das Spiel gesetzt hätte.

Dass er aber Bar-Kochbas, ohne weder Zeichen noch Wunder von ihm zu fordern, als Messias annahm und vom Volk als Messias annehmen ließ, das, wir wiederholen es, ist sein Verbrechen.

Wie, Gott hätte sich die Mühe gegeben, während der Jahrhunderte der Prophetie im voraus und mit feurigen Zügen die Kennzeichen Seines Gesalbten zu zeichnen!

Um dem Volk die Zeichen einzuprägen, welche dasselbe eines Tages das Recht haben sollte, den Dem, der sich ihm als Messias vorstellen würde, zu fordern, hätte Gott ausdrücklich Zeichenträger geschaffen:

Isaias mit dem Zeichen der Wunder (Is. 35, 5-6),
Jeremias mit dem Zeichen der Gerechtigkeit (Jer. 23, 6),
David mit dem Zeichen der Macht (Ps. 71),
Michäas mit dem Zeichen des Friedens (Mich. 4),
Daniel mit dem Zeichen der Heiligkeit (Dan. 9, 24),
Malachias mit dem Zeichen des Priestertums (Mal. 1, 11),
Aggäus mit dem Zeichen der Volkstümlichkeit (Agg. 2, 8)!

Wie, die ganze Tradition, Abarbanel an der Spitze, hätte sich auf die unverletzliche Notwendigkeit dieser Zeichen gestützt. (5)

Und du, Akiba, als Du diesen „Sohn des Sternes“ vorstelltest, fordertest Du weder Zeichen, noch Wunder von ihm? Und doch warst du Lehrer?
Und man nennt Dich den Weisen unter den Weisen der Mischna!
Nein, Du bist nicht der Weise, Du bist der Verwegene, Du bist der Tor!

Und man werfe nicht ein: um seine Schuld zu sühnen, ist Akiba, als Märtyrer, mit dem Gebet „der Ewige ist Einer“ auf den Lippen, verschieden.

Welches auch die Leiden seien, wie groß auch der Mut, mit welchem Gebet man auch verscheiden möge – wenn man im Dienst des „Sohnes der Lüge“ stirbt, wenn das Blut für eine Lüge vergossen wurde, stirbt man nicht den Tod eines Märtyrers; nur die Wahrheit kann das für sie vergossene Blut adeln.

Und übrigens darf Akiba nicht gerade nach der Seite seines Todes hin gerichtet werden; sein Tod ist nur ein Nebenumstand in der Geschichte des jüdischen Volkes, während sein Ausspruch in der Stelle über Bar-Kochbas mit einem Gewicht, das nicht aufhört, darauf lastet; und wenn sich seine Lippen zu seinem Glück mit dem Gebet: „der Ewige ist Einer“ geschlossen haben, so war doch das Kissen seines Hauptes die Asche des zum letzten Mal durch seine Schuld verwüsteten Jerusalem.

Deshalb verlangen wir: Israel solle sein erstes Urteil über diesen Mann zurücknehmen; wir verlangen, man solle alle Tatsachen, welche wir soeben enthüllten, genau prüfen und ebenso, wie man Bar-Kochbas, welcher der Betrüger ist, von seinem Piedestal herabgestürzt hat, ebenso solle man Akiba, welcher der Betrogene ist, herabstürzen.

Dies war die lange Periode der Unruhe. Wenn man sie an sich in einem kurzen und ergreifenden Bild gedrängt zusammen fassen will, so braucht man sich nur jener berühmter Münze zu erinnern, welche die Kaiser prägen ließen: man sah darauf eine in einen Mantel gehüllte Frau, unter einem Baum sitzend, das Haupt in die Hände gestützt, mit der Inschrift: „Das gefangene Judäa.“

Dies ist ein passendes Emblem für das, was unser Volk in einer andern Ordnung der Ideen während dieser bis in das Mittelalter sich erstreckenden Periode gelitten hat.

Judäa, in seinen Berechnungen gefangen, ist erschöpft zusammen gesunken, weil seine Füße, müde geworden sind, falschen Messiassen nachzujagen; und nun legt es traurig sein Haupt in seine Hände. Es ist wirklich so, wie Bossuet sagt: in Israel wohnte nur noch eine ewige Trauer und eine Klage ohne Grenzen.

Anmerkungen:

(1) Nach gewissen Schriftstellern wäre dies alles nur Legende. (S. Champagny, les Antonins, II. 88)

(2) Die Juden haben dieses Missgeschick als das größte, das ihnen je zugestoßen war, betrachtet, größer noch als das, welches ihnen unter Titus zugestoßen war. „Nabuchodonosor und Titus“, sagen die Rabbi, „haben Israel weniger weh getan als Hadrian.“

(3) Salvador, Histoire de la domination romaine en Judée. p. 568.

(4) Maimonides, De Regibus, c. II. med.

(5) Abarbanel, der berühmte portugiesische Rabbi, drückt sich folgendermaßen aus: „Diese Zeichen werden die notwendige Bedingung sein, um seinem Königtum Anerkennung zu verschaffen, und das Werk der Erlösung zu bewirken, so dass es ohne sie weder einen Messias, noch einen wahren Erlöser geben kann.“ (Kommentar über das XI. Kapitel des Is. s. XXVII col. 1 sqq.) –
aus: Gebr. Lémann, Die Messiasfrage und das vatikanische Konzil, 1870, S. 20 – S. 24

Fortsetzung Kapitel 3 Teil 1: Die Macht der Rabbiner im Mittelalter

Zu Akiba siehe auch den Beitrag bei Wikipedia: Rabbi Akiba

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Tags: Judentum

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