Ein unheilvolles Jahrhundert durch die Völkerwanderung
Es war ein unheilvolles Jahrhundert. Der höchste Grad der Verwüstung herrschte auf der ganzen damals bekannten Welt. Kultur und Christentum drohten zu gleicher Zeit zu Grunde zu gehen: es ist das Jahrhundert der Völkerwanderung. Rohe Naturvölker überschwemmten, einem verheerenden Strom gleich, das Römische Reich und bezeichneten ihren Weg mit Verwüstung und Ruinen. Das Römerreich, durch Verweichlichung und Sittenlosigkeit, durch Thronstreitigkeiten und Kriege nach außen, wie durch die blutigen Christen-Verfolgungen entvölkert und an den Rand des Abgrunds gebracht, wurde durch die Teilung in das Ost- und West-Römische Reich nach dem Tod des edlen, großen Kaisers Theodosius noch mehr geschwächt. England, Gallien, Spanien und Nordafrika wurden von noch wilden Völkern überflutet und teilweise in Besitz genommen, ein großer Teil des Ostreiches teilweise verwüstet. Schrecklich hausten die Hunnen in den römischen Provinzen Mitteleuropas. Am härtesten aber wurde Italien mitgenommen, das von mehreren Völkern nacheinander die schrecklichsten Heimsuchungen erfuhr. Rom hatte eine zweimalige fürchterliche Plünderung zu bestehen. Endlich wurde den weströmischen Schattenkaisern von deutschen Kriegern ein Ende gemacht und im Jahr 476 Odoaker zum König von Italien gewählt. Bald danach zog Theoderich der Große erobernd heran und gründete auf den Ruinen des Römischen Reiches das Reich der Ostgoten in Italien. Die rohen Völker waren teils Heiden, teils Arianer, immer Gegner, oft blutige Verfolger der Christen. Zu diesen Übeln kamen neue Irrlehrer, die sich im gegenwärtigen Jahrhunderte erhoben, die Einheit der Kirche gefährdeten, Unheil und Verwirrung anrichteten. Kein Wunder, daß man den Untergang der Welt nahe bevorstehend glaubte. Die Welt erschien wie ein sturmgepeitschtes Meer, allenthalben mit Trümmern und Leichen bedeckt. In diesem allgemeinen Schiffbruch stand nur das Papsttum aufrecht und unerschüttert gleich einem Felsen in den hoch gehenden Wogen da. Die Päpste bewiesen sich als Herolde der Wahrheit, als Schützer und Tröster der verfolgten Bischöfe, der nieder getretenen Völker. Was der hl. Basilius im abgelaufenen Jahrhundert an Papst Damasus geschrieben, das war der Ruhmesglanz der Päpste auch dieses Jahrhunderts. „Die Fürsorge, die uns durch eure Liebe zu Teil wird, sehen wir als unsere einzige Rettung an. Auch in vergangenen Zeiten hat uns ja immerhin eure außerordentliche Teilnahme aufrecht erhalten und getröstet.“ –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste 1907, S. 154