Der gescheiterte Wiederaufbau des jüdischen Tempels in Jerusalem unter dem Apostaten Julian
Um die Mitte des vierten Jahrhundert ließ Julian der Abtrünnige an die Juden die Einladung ergehen, den Tempel von Jerusalem wieder herzustellen. (siehe den Beitrag: Die Zerstörung Jerusalems durch Titus) (*) Den Juden, welche schon unter Hadrian und Konstantin den Wiederaufbau ihres Heiligtums vergeblich versucht hatten, war dieser ermunternde Wink sehr willkommen. Von allen Seiten, selbst aus den entferntesten Weltgegenden strömten sie deshalb nach Jerusalem. Julians gleich gesinnter Freund Alypius sollte das Unternehmen leiten, der Statthalter der Provinz ihm beistehen, und ungeheure Geldsummen wurden zur Verfügung gestellt. Mit erstaunlichem Eifer wurde das Werk in Angriff genommen, Baumaterial in großer Menge herbei geschafft, die Fundamente gegraben. Nach dem Zeugnis des hl. Gregor von Nazianz beteiligten sich selbst Frauen dabei. Nicht zufrieden, all ihr Geschmeide zur Förderung der Baues den Arbeitern einzuhändigen, legten sie selbst Hand an und trugen in ihren Schößen den Schutt heraus, der die Fundamente des früheren Tempels bedeckte. Nun aber streckte der Allmächtige seine Hand aus, um die frevelhafte Herausforderung zurück zu weisen und den Plan der Gottlosigkeit zu vereiteln. Heftige Windstöße zerstreuten die Baumaterialien, Blitze zerschmetterten die Werkzeuge und Maschinen, ein Erdbeben schleuderte die Steine, welche noch in dem alten Fundament geblieben waren, heraus und warf die nahe stehenden Gebäude zu Boden. An den Kleidern der Anwesenden zeigten sich Kreuze (1), und in der Nacht erschien auch am Himmel ein strahlendes, von einem Kranz umgebenes Kreuz. Den Ausschlag gaben Feuerflammen, welche wiederholt aus dem Boden hervor brachen, viele Arbeiter töteten und endlich Juden und Heiden zwangen, das begonnen Werk aufzugeben.
Diese wunderbare Vereitelung des Tempelbaues bezeugen sowohl die älteren Geschichtsschreiber Theodoret, Sokrates, Sozomenus, Rufinus und andere, als auch die gleichzeitigen Kirchenväter Ambrosius, Chrysostomus, Gregor von Nazianz. Letzterer fährt in seiner zweiten Rede gegen Julian nach lebhafter Darstellung dieser Begebenheit folgendemaßen fort: „Noch heutigen Tages können diejenigen, welche Zeugen dieses Wunders waren oder davon erzählen hörten, die Kleider vorweisen, denen sich das Kreuzzeichen eindrückte.“ Auch der Geschichtsschreiber Sozomenus (Kirchengeschichte Bch. 5, 22) schließt seine Erzählung dieses wunderbaren Ereignisses mit der Bemerkung: „Sollte dieses jemand unglaublich finden, so mag er sich an die wenden, welche die Kunde davon durch Augenzeugen erhalten haben und noch am Leben sind; er mag sich überführen lassen durch die Juden und Heiden, welche den Bau unvollendet gelassen haben oder vielmehr denselben gar nicht beginnen konnte.“ –
Selbst der einsichtsvolle und wahrheitsliebende Heide Ammianus Marcellinus, ein Zeitgenosse und Freund Julians, legt für diese Begebenheit ein voll gültiges Zeugnis ab. Derselbe schreibt (Bch. 23, K. 1): „Während Alypius, vom Statthalter unterstützt, die Arbeiten eifrigst betrieb, brachen wiederholt furchtbare Feuerkugeln schussweise aus den Fundamenten hervor, versengten etliche Male die Arbeiter und machten die Baustelle unzugängliche; infolge dieser immer wiederkehrenden Feuerausbrüche geriet das begonnene Werk ins Stocken.“
(1) Nach Theodoret (Hist. Eccles. III. c. 15) waren diese Kreuze schwärzlich, nach Sokrates (Hist. Eccles. III. III. c. 17) des Nachts flimmernd, wie eingewoben, unaustilgbar. –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 1, 1911, S. 664 – S. 665
(*) Die größte Schmach jedoch erlebte Julian, als er den gewaltigsten Streich gegen das Christentum zu führen vermeinte. Er wollte nämlich mit ungeheurem Kostenaufwand den jüdischen Tempel zu Jerusalem wieder aufbauen, um die ausdrückliche Weissagung Jesu Christi von dessen ewiger Verwüstung Lügen zu strafen. (Deharbe, Religionsgeschichte, 1907, S. 181)