Gott allein ist der Urheber der Religion

Gott allein ist der Urheber der Religion – Woher die verschiedenen heidnischen Religionen, die falschen Religionen überhaupt?

Man könnte diese Frage kurz und scheinbar genügend beantworten, indem man sagt: Die wahre Religion ist das Werk, die Offenbarung Gottes; die falschen Religionen sind das Werk des Menschen, Erfindungen, Dichtungen von Menschen. Es wären also die falschen Religionen nichts anderes als eine große, Millionen von Menschen umstrickende Lüge. Aber das kann nicht sein, denn dann hätte die Lüge dieselbe Macht über die Geister wie die Wahrheit.

Gewiss, auch Irrtum und Lüge haben eine ungeheure Macht, aber aus und durch sich? Nein, sondern nur durch den Rest von Wahrheit, der in ihnen ist und den sie missbrauchen: gerade so wie der Betrüger nur dadurch betrügen kann, dass er eine echte Münze zeigt und damit hundert unechte einführt; wie der ungerechte Richter, welcher einen wahren Grundsatz des Rechtes ausspricht, aber eine Reihe falscher Konsequenzen daraus zieht. Und warum dies?

Der menschliche Geist ist für die Wahrheit geschaffen; darum könnte der Irrtum sich nie des Geistes bemächtigen, wenn nicht selbst im größten Irrtum gewisse Reste von Wahrheit lägen, wären sie auch vermischt und verloren wie wenige Tropfen in einem Strom von Irrtum. Aus jedem Irrtum klingen einige, wenn auch schwache Laute der Wahrheit an das innere Ohr des Menschen, diese finden Anklang im Geiste; aber in ihrem Gefolge schleicht sich dann auch der Irrtum in die Seele ein. Dies bedarf keiner weiteren Begründung.

Darum lassen sich auch in dem furchtbaren Gräuel der heidnischen Religionen immer noch die Spuren der ursprünglichen Wahrheit erkennen, gerade so, wie wir in der wilden Phantasie eines Dichters, Künstlers oder Philosophen, der wahnsinnig geworden ist, bei aller Verworrenheit doch immer noch die Trümmer eines vordem großen Geistes, einzelne schöne, erhabene Gedanken finden.

Der Mensch kann die Wahrheit entstellen

Der Naturforscher kann ein Naturgesetz entdecken, aber nicht machen. Das Licht kannst du schauen, aber nicht schaffen. So kann der Mensch die Wahrheit nicht schaffen, er kann sie nur erkennen; aber eines kann er, er kann die Wahrheit missbrauchen, entstellen, verzerren. Und das ist der Irrtum: die entstellte Wahrheit. Denn die Wahrheit ist das Frühere, der Irrtum das Spätere; das Ja ist früher als das nein, die Position eher als die Negation. „Weil das Falsche“, sagt Tertullian, „nur die Entstellung des Wahren ist, so muss die Wahrheit dem Irrtum vorausgehen.“

Darum kann der Mensch auch keine Religion machen, nicht einmal eine falsche; sagen: „die Priester – und seien hiermit nur die Götzenpriester gemeint – haben die Religion erfunden“, ist Unsinn. Was den Menschen in seiner Tiefe erfasst, das kann nur der schaffen, der den Menschen selbst geschaffen hat. Gott allein ist der Urheber der Religion, sagt die Kirche, indem er die menschliche Natur für sich und zu sich geschaffen und das Verlangen nach ihm dem Menschen ins Herz gelegt hat.

Aber das kann der Mensch, er kann, wie alle Wahrheit, so auch die religiöse Wahrheit entstellen; er kann sie umformen nach den Gelüsten seines Herzens, wie ein reiner Trank unrein wird in einem unreinen Gefäß, er kann eine Missgestalt aus ihr machen. Er kann die Religion ihrer himmlischen Schönheit und erhabenen Würde entkleiden, er kann sie beschmutzen und besudeln, die here Jungfrau, die Himmelstochter zum niedrigen Weib, die dem Bösen dient, entweihen; aber schaffen kann er die Religion nicht.

So sehen wir in den heidnischen Religionen das göttliche Urbild hindurch strahlen, aber vermenschlicht, mehr oder minder entstellt … Und diese Reste der Wahrheit, wenn auch noch so schwach und verkümmert, sind es, auf denen die Macht der falschen Religionen über des Menschen Herz ruht. Es ist im Grunde immer doch nur die Macht der Wahrheit …

Woher die falschen Religionen?

Was entstellt ist, muss vorher unentstellt gewesen sein; die wahre Religion war in der Welt die erste, die ursprüngliche Religion war rein und wahr. Der Wilde ist nicht der ursprüngliche Mensch, wie die gedankenlose Sentimentalität Rousseaus behauptet hat, der Wilde ist der Mensch in seiner Entartung. Und die Religionen der Wilden sind nicht die ursprünglichen Religionen, die ersten Anfänge, gleichsam Versuche des religiösen Lebens, wie eine falsche Philosophie behauptet hat, sondern die entarteten Religionen, die Religion in ihrer Verwilderung …

So führt uns denn die Frage: woher die falschen Religionen? – hin zu einem großen Geheimnis, dem Geheimnis der Sünde, „dem Geheimnis der Bosheit“. Die Abgötterei, belehrt uns die Schrift, war nicht von Anfang an, noch wird sie immer sein. (Weish. 14, 13) Sie war nicht, wie die Spaltung der Menschheit in die verschiedenen Rassen, die Scheidung der Ur- und Muttersprache der Menschheit in die verschiedenen Sprachen von Anfang an nicht war. Sprachen-, Rassen- und Religions-Trennung weisen hin auf ein vorhistorisches, geheimnisvolles Ereignis, einen großen Bruch, der durch das innerste Leben der Menschheit ging, deren Trümmer in den Sprachen, Mythologien und Völkern der Erde erscheinen.

So fällt die Entstehung des Heidentums mit der intellektuell-ethischen Verwirrung der Menschheit, welche zugleich physische Veränderungen zur Folge hatte, zusammen. Die Katastrophe zu Babel, welche uns das älteste Buch der Welt schildert (Gn. 11, 9), enthält die Geschichte der dreifachen Spaltung der Menschheit in Religionen, Sprachen und Rassen. Die sprachlichen Unterschiede fallen mit den Unterschieden des Volksgeistes zusammen, sind dessen adäquater, notwendiger Ausdruck. Die Völkerentstehung, welche eine Sprachen-Trennung zur notwendigen Voraussetzung hatte, musste deswegen von einer die Menschheit in ihrer Tiefe erfassenden und auseinander sprengenden geistigen Krisis ausgehen, einer religiösen Spaltung.

Polytheismus führte zur Völkertrennung

Wie die eine Menschheit von dem Bewusstsein des einen Gottes zusammen gehalten wurde, so hatte die Göttervielheit eine Zerteilung in eine Vielheit von Sprachen, Völkern und Religionen zur Folge. Das die Menschheit einende, gemeinsame Bewusstsein des einen Gottes, die eine Religion löste sich in eine Vielheit von Religionen mit ihren Göttern auf – mit dem Bruch der Einheit des Geistes musste die Einheit der Sprache und der Menschheit selbst in eine Vielheit sich zersplittern. Keine mächtigere und tiefere Erschütterung lässt sich denken als jene, die erfolgen musste, sobald andere Götter im Bewusstsein sich einfanden.

Dieser wie immer eintretende Polytheismus machte eine fortdauernde Einheit des Menschengeschlechtes unmöglich. Polytheismus also war das Scheidungsmittel, das in die vordem homogene Menschheit hinein geworfen wurde; verschiedene, voneinander abweichende, im weiteren Fortgang sich sogar ausschließende Götterlehren sind das unfehlbare Werkzeug der Völkertrennung. Mögen sich andere Ursachen ersinnen lassen (woran wir indessen allen Grund haben zu zweifeln), welche ein Auseinandergehen der Menschheit bewirken konnten: was die Scheidung und endlich die vollkommene Trennung der Völker unaufhaltsam und unwiderstehlich bewirken musste, war der entschiedene Polytheismus und die von ihm unzertrennliche Verschiedenheit miteinander nicht mehr verträglicher Gotteslehren. Was der Mensch gewollt, lässt ihm Gott widerfahren. –
aus: Franz Hettinger, Apologie des Christentums, Fünfter Band, 1908, S. 466 – S. 474

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