Heiligenkalender
9. Mai
Der heilige Gregor von Nazianz Kirchenlehrer
Der heilige Gregor wurde zu Nazianz um das Jahr 323 geboren, daher sein Beiname. Sein Vater hieß ebenfalls Gregorius, und seine Mutter Nonna; beide werden als Heilige verehrt. Zu Athen widmete sich der heilige Gregor den Studien und lernte dort den heiligen Basilius kennen, der ebenso wegen der Studien dahin gekommen war. Mit diesem lebte er in vertrautester Freundschaft, weil beide durch die Liebe zu Jesus gleiche Gesinnung hatten. Sie sonderten sich von allen ungesitteten Jünglingen ab, mieden das Spielen, den Müßiggang und andere bei der Jugend gewöhnliche Vergnügungen, und widmeten sich nur der Frömmigkeit und den Wissenschaften. Zwei Wege nur waren ihnen bekannt, der eine zur Schule, der andere zur Kirche. Nach Vollendung seiner Studien kehrte Basilius in sein Vaterland zurück; Gregor aber blieb zu Athen und lehrte die Rhetorik (Redekunst). Nach einigen Jahren verließ auch Gregor die Stadt Athen und kam wieder in sein Vaterland. Als er einst im Studieren begriffen war, überfiel ihn der Schlaf, und es dünkte ihm, als sähe er zwei schöne Jungfrauen zu ihm kommen und mit ihm reden. Er fragte sie, wer sie seien und was sie verlangten? „Eine aus uns“, antworteten sie, „ist die Keuschheit, und die andere die Weisheit. Gott hat uns geschickt, Freundschaft mit dir zu machen und beständig bei dir zu bleiben.“ Der Ausgang zeigte, daß diese Erscheinung kein leerer Traum gewesen. Gregor bewahrte seine Reinigkeit unverletzt und wurde mit solcher Weisheit von Gott begabt, daß er deswegen in der ganzen Welt berühmt wurde.
Gregor empfing nun die Priesterweihe; da entfloh er heimlich, und begab sich 362 zu dem heiligen Basilius, der ein einsames Leben in Pontus führte. Da lebten beide in größter Eintracht, zugleich aber auch in wunderbarer Strenge und beschäftigten sich einzig mit dem Lobe Gottes und mit Lesung der heiligen Schrift. Nach einigen Jahren ward Basilius zum Bischof von Cäsarea ernannt. Den heiligen Gregor wollte man später zwingen, das Bistum von Nazianz anzunehmen; er leitete aber die Wahl auf einen andern. Nicht also gelang es ihm zu Konstantinopel. Er war dahin gereist, um den Arianern und Mazedonianern, welche die ganze Stadt mit ihren giftigen Lehren angesteckt hatten, sich zu widersetzen und den katholischen Glauben teils zu beschützen, teils wieder vollkommen herzustellen. Die Arianer leugneten die Gottheit Jesu Christi, und die Mazedonianer die Gottheit des heiligen Geistes. Nachdem er solches mit gutem Erfolg einige Zeit getan hatte, ernannte ihn Petrus, der Patriarch zu Alexandria, zum Patriarchen von Konstantinopel, und Gregor musste diese schwere Last auf sich nehmen. Die Katholiken hatten damals nicht mehr als ein einziges Kirchlein, wo sie zusammen kamen; alle übrigen waren im Besitz der Irrgläubigen.
Da ließ der heilige Gregor mit Vorstellungen und Bitten nicht nach, bis der neu erwählte Kaiser Theodosius I. selbst nach Konstantinopel kam und den Katholiken die Domkirche wieder einräumte. Dadurch wurden die Irrgläubigen so erbittert, daß sie einen Meuchelmörder bestellten. Als dieser den heiligen Gregor ermorden wollte, änderte Gott seinen Sinn; er fiel dem Heiligen zu Füßen und bat ihn um Verzeihung wegen seines bösen Vorhabens. Der heilige Patriarch Gregor sprach zu ihm: „Verzeihe es dir Gott, der mich beschützt hat; ich verlange von dir nur, daß du die Irrlehre verläßt.“ Er ertrug noch viele Bedrängnisse mit größter Geduld. Als aber nach einiger Zeit selbst einige katholische Bischöfe in einer Versammlung Uneinigkeit stifteten durch die Behauptung, daß Gregor sich in das bischöfliche Amt eingedrängt habe, verließ er es freiwillig, schenkte sein ganzes Vermögen den Armen und kehrte nach Nazianz zurück. Dort hielt er sich auf seinem väterlichen Landgut Arianz auf mit dem Entschluss, künftig nur für Gott und sein Seelenheil allein zu leben. Über diesen Aufenthalt schrieb er nachher an einen Freund also: „Ich kann die Vorteile, die mir meine Feinde durch ihre Missgunst brachten, nicht genug schätzen. Sie haben mich durch die Befreiung von den Gefahren des Bistums aus den Flammen von Sodoma (=Konstantinopel) errettet.“
Auf dem väterlichen Landgut lebte Gregor noch sieben Jahre. Das hohe Alter, die vielen ihm zustoßenden Krankheiten, die durch beständige Arbeit und Kämpfe für den heiligen Glauben geschwächten Kräfte hielten ihn meistenteils zu Bett. Seinen größten Trost fand er im Gebet und in der Betrachtung ewiger Wahrheiten. Doch ergriff er noch bisweilen die Feder und schrieb verschiedene Bücher zur Widerlegung der ketzerischen Lehren und zur Aufmunterung und Bekehrung der Katholiken. Gott ließ zu, daß dieser heilige Mann, der bis dahin die Keuschheit unversehrt erhalten hatte, mit den abscheulichsten Versuchungen von dem bösen Geist Tag und Nacht geplagt wurde. Sein unablässiges Rufen zu Gott und um die Fürbitte der unbefleckten Jungfrau Maria, das strenge Fasten, das Gebet und die geistliche Lesung, das beständig fortgesetzte Studieren gebrauchte er als Waffen wider den bösen Geist und dadurch siegte er über ihn. Es geschah ebenfalls aus Zulassung Gottes, daß einige gewissenlose Männer aus Neid den heiligen heftig schmähten, lästerten, verleumdeten und sogar bei dem Bischof zu Tyanea wegen schwerer Vergehen falsch anklagten. Der Heilige erzürnte sich deswegen nicht, verteidigte seine Ehre und bat Gott inständig um Gnade und Verzeihung für seine Feinde. Und er war doch so sorgfältig, selbst die geringsten Fehler zu meiden und abzubüßen. Einst glaubte er, in einer Sache mehr, als notwendig war, geredet zu haben. Da legte er sich selbst zur Buße ein strenges Stillschweigen von vierzig Tagen auf, ohne mit jemand ein Wort zu reden, und hielt dasselbe aufs genaueste. Endlich verschied er Heilige den 9. Mai um das Jahr 389.
Der heilige Gregor gehört zu den griechischen Kirchenlehrern und hat auch den Ehrentitel „der Theologe“. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 341 – S. 343