Das neue Judentum nach der Zerstreuung

Das neue (rabbinische) Judentum nach der Zerstreuung

Wetze und Welte`s Kirchenlexikon über das Judentum

Judentum, das neuere (das rabbinische oder orthodoxe) ist nach seinen Glaubens- und Sittenlehren und seinen Gebräuchen ein Zerrbild der im Alten Testament niedergelegten Offenbarung.

Die Glaubenslehre

Das Wesentliche der jüdischen Dogmatik ist für die Zeit vor dem 9. Jahrhundert im Talmud und in den midraschischen Schriften niedergelegt, nur darf hier von einem System keine Rede sein. Eine systematische Darstellung ihrer Glaubenslehre erhielten die Juden erst, als sie vom Einfluß der mohammedanischen Religionsspekulation berührt worden waren. Die älteste namhafte Dogmatik ist die von Saadia (gest. 942) in Bagdad verfaßte… Nach einem bedeutenden Stillstand führten spanische Rabbinen, ebenfalls unter mohammedanischem Einfluß, das von Saadia Begonnene fort… Die mit Recht berühmteste Darstellung des Judentums ist das in drei Abschnitte geteilte Werk von Maimonides… In der Art z.B., wie Maimonides die Lehre von der Einheit und Geistigkeit, Übernatürlichkeit und Überzeitlichkeit Gottes gibt, wird Gott zum puren Gedankending. Der wichtige neunte Artikel des jüdischen Glaubensbekenntnisses (*), geradezu dem Christentum entgegengesetzt, ist ein Ausfluss jener abstrakten Auffassung Gottes und steht im geraden Widerspruch mit der Idee von Gott, welche uns Isaias Kap. 40-66 mit Macht verkündet.

(*) Ich glaube mit vollkommenem Glauben, daß diese Thora nicht verändert werden wird, und daß keine andere Thora vom Schöpfer, dessen Name gepriesen sei, erscheinen wird.

Daher müssen die jüdischen Dogmatiker für die Schöpfung willkürlich ein Mittelwesen postulieren, wie Albo. „Es muss zuerst Eins von Gott ausgehen, von diesem Einen ein anderes, von diesem anderen ein drittes Geschöpf.“ So tritt aus Gott die erste bewegende Ursache und aus ihr die Reihe der Sphären hervor, welche sich vom Fixstern-Himmel bis zur Menschenwelt immer mehr verengen. Von dieser Auffassung war nur ein Schritt zur pantheistischen Emanation. Wie nahe der Pantheismus dem neujüdischen Bekenntnis liege, zeigt sich außer an den Dogmatikern unter anderem an einem Gesang, welcher, wenigstens in Deutschland und Polen, nahezu symbolisches Ansehen hat,… Es findet sich in den Gebetbüchern häufig… „Kein Wissen erkennt dich.“ „Kein Denken erreicht dich…“ „Kein Gedanke erfaßt dich.“ „Außer deinem Wissen gibt es kein Wissen.“ „Ehe das All war, warst du das All.“

Die Lebenswirklichkeit, welche der jüdische Geist dem Begriff Gottes entzogen hatte, wurde an Mittelwesen übertragen. Die jüdische Dogmatik kennt nicht bloß Engel, sondern auch belebte Sphären, Gestirne. Maimonides rechnet neun Sphären… In diese versetzt man die zwölf Zodiakalzeichen… Die Sterne sind beseelt. Maimonides sagt: „Alle Sterne und alle Himmelssphären sind beseelte Wesen; sie haben Erkenntniskraft und Verstand. Wie sie den Hochgebenedeiten erkennen, so erkennen sie auch sich selbst und erkennen die Engel, welche über ihnen sind. Ihre Erkenntnis ist geringer als die der Engel und höher als die der Menschen.“ Im More Nebuchim beweist Maimonides die Beseeltheit der Gestirne unter anderem aus Psalm 19: „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes.“ Ganz so Albo. Maimonides weiß recht gut, daß dieses die Lehre des Aristoteles ist. Dafür, daß sie den ewigen Logos verkennen, geraten die Juden auf heidnische Auswege.

Was die Engel angeht, so halten sie zum Teil an der alt-testamentlichen Grundlage fest, zum Teil aber weichen sie davon ab, sind dabei auf sehr schiefe Ansichten gekommen und haben insbesondere eine Unzahl von Engelnamen. Maimonides teilt die Engel in zehn Klassen ein: 1. heilige Tierwesen, welche über Allem sind, 2. Räder, 3. Gotteslöwen, 4. Funken, 5. Seraphim, 6. Mal`achim, 7. Elohim, 8. Gottessöhne, 9. Cherubim, 10. Helden. Nach einigen gibt es sterbliche und unsterbliche Engel; über die Reiche, Elemente usw. sind Schutzengel gesetzt. Wenn sie sich zeigen, so bedürfen die Engel einer Hülle; verharren sie in ihr zu lange, so werden sie ganz sinnlich; so ist es Asai und Asael ergangen. Unter allen Engeln steht Metatron oben an, welcher hie und da mit Michael mit dem Engel des Angesichtes, des Bundes identifiziert wird. Den guten Engeln stehen die bösen gegenüber, welche aber zum Teil notwendige Organe der göttlichen Tätigkeit sind; so der Todesengel… Es wird ziemlich allgemein angenommen, die Dämonen seien teils von Gott geschaffen, teils aus guten Engeln böse geworden, teils von andern erzeugt, teils durch durch die Pollutionen von Menschen hervorgegangen, teils endlich aus den Seelen von Gottlosen entstanden…

Der Glaube an den Messias

Übrigens denkt sich der Jude den Messias noch immer als einen mit außerordentlichen Wunderkräften begabten Menschen, der eine großartige Juden-Emanzipation durchführe. Die Proklamation des letzten Pseudo-Messias Sabbathai Zewy, der vor 200 Jahren in Kleinasien auftrat und die Judenwelt weit und breit aufregte, kann das anschaulich machen:
„Brüder in Israel! Es wird euch hiermit kund gemacht, daß der Messias, der in Smyrna geboren ist und Sabbathai Zewy heißt, sein Reich bald offenbaren wird. Er wird dem Sultan die Krone vom Kopf nehmen und solche sich selbst aufsetzen. Dann wird er unsichtbar werden, über den Fluss Sambatjan gehen, daselbst eine Tochter Moses`, namens Rebecca, heiraten, und nachdem sich daselbst die zehn Stämme an ihn angeschlossen haben werden, wird er, auf einem Drachen reitend, dessen Zügel aus einer siebenköpfigen Schlange besteht, von Moses begleitet, in Jerusalem einziehen… Nach seiner Ankunft in Jerusalem wird Gott den im Himmel aus Gold und Edelsteinen erbauten Tempel zur Erde herab lassen, worin der Messias als Hoherpriester opfern wird.“ (Vgl. Petr Beer, Geschichte, Lehren und Meinungen aller bestandenen und noch bestehenden religiösen Sekten der Juden, Brünn 1823, II, 272f.) Das Wesentliche dieser Ideen kommt schon im Targum zum Hohenlied vor.

Die Menschenseele

Bezüglich der Menschenseele lassen die angesehenen Dogmatiker eine Behauptung unberührt, welche von fanatischen Eiferern älterer und späterer Zeit wiederholt aufgestellt wurde: daß die Seelen der Nichtjuden einen viel niedrigeren Ursprung hätten als die der Juden. Auch die Meinung, daß die Seele zu ihrer Läuterung und Vollendung eine Wanderung durchlaufen müsse, ist nicht allgemein angenommen; jedoch wird namentlich von den Kabbalisten die Seelenwanderung festgehalten. Schon Saadias hat sie auf`s Entschiedenste abgewiesen und auf eine der christlichen Lehre von der Seele mehr entsprechende Weise behandelt. Dagegen haben die Juden über die jenseitigen Strafen von einander abweichende Vorstellungen. Die Höllenstrafen werden wenigstens für Israeliten nicht leicht über elf Monate ausgedehnt gedacht; für einzelne frevelhafte Seelen gibt es die Vernichtung nach dem Tode (s. Bartolocci`s Abhandlung über die Hölle der Juden, Biblioth. rabbin. II, 128; III, 421), eine Meinung, welche schon Mohammed im Koran bekämpft.

Das Leben und Tun der Seele nach dem Tode (und im Schlafe) ist durch die mannigfachsten Vorstellungen ausgemalt; überhaupt fällt jedem ruhigen Beobachter der Abstand der abstrakten Auffassung der Idee Gottes von der phantasiereichen Gestaltung des Gebietes der Engel- und Seelenwelt auf. Was die Abstraktion Gott dem Herrn genommen hat, das hat sie den Engeln und Seelen gegeben. Nachdem Gott zum Gedankending geworden ist, kann der Menschengeist zum voraus bestimmen, was Gott tun werde und tun könne. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 6, 1889, Sp. 1963 – Sp. 1968

Wetze und Welte`s Kirchenlexikon über den Talmud

Wenn man jedoch auch mit Rücksicht auf das vorher Gesagte über manches im Talmud hinwegsehen will, so bleibt doch der Geist, der dessen ethischen Inhalt beherrscht, ein im Ganzen verwerflicher. Es ist der Geist der Knechtschaft, der an der buchstäblichen Erfüllung des Gesetzes haftet und sich dieser als als einer Vollkommenheit rühmt, aber auch nach Sklavenart sich der Erfüllung des Gesetzes entziehen will, wo sich dasselbe umgehen läßt. Denn die Rabbinen sind wahre Meister in der Kasuistik, die gegebenenfalls mit allerlei Distinktionen die nötigen „Gesetzes-Erleichterungen“ herauszubringen verstehen, so daß sich auch hier Distinktionskunst und Laxismus miteinander paaren. Daß hierbei ein großer Unterschied ist zwischen den einzelnen Lehrern je nach deren Charakter usw., ist selbstverständlich; es hat bei den Juden eben so gut wie bei den Christen Rigoristen und Laxisten gegeben…

Zugegeben ist, daß der Talmud bezüglich Gottes, seines Wesens und Wirkens usw. Ausführungen enthält, welche man blasphemisch nennen müsste, falls man darin mehr als phantastische Allegorien erblicken will. Betreffs der talmudischen Moral kann man das Zugeständnis Wieners akzeptieren, daß sich auch „Einiges“ findet, „das sich leider… mit unserer heutigen fortgeschrittenen Gesittung und Moral durchaus nicht vereinigen läßt“, womit man unter letzterer einfach die christliche Moral versteht. Jedenfalls geht die Behauptung nicht zu weit, daß der Talmud trotz einzelner anders klingenden Stellen im allgemeinen nicht das Evangelium der Liebe predigt. Auch was er speziell über die Person des Erlösers enthält, ist derart, daß ein christlicher Staat die Weiterverbreitung desselben auch unter Juden nicht dulden sollte. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 11, 1899, Sp. 1180 – Sp. 1181

Beispiele aus dem Talmud

„Die Seelen der Juden haben das Privileg, ein Teil Gottes zu sein. Die Seelen der anderen Völker der Erde kommen vom Teufel und sind ähnlich denen von Tieren. Die Christen, die nicht an dieser Gnade teilhaben, werden vollständig vernichtet werden, weil sie zum Teufel absteigen. Die anderen Völker sind nicht mehr als Arten von Tieren. Der Hund ist mehr wert als die Nicht-Juden. Die Nicht-Juden sind nicht nur Hunde, sondern Esel. Die Seelen der Nicht-Juden stammen aus dem unreinen Geist und die Seelen von Israel kommen aus dem Geist Gottes. Die Nicht-Juden wurden nur geschaffen, um den Juden Tag und Nacht zu dienen, ohne ihren Dienst zu verlassen. Im Gegenteil ist es für Juden erlaubt, Böses zu Nicht-Juden zu tun. Sie können einen Außenseiter täuschen und Wucher gegen ihn üben. Vernichte das Beste aus den Nicht-Juden. Diejenigen, die die Lehre von Israel leugnen, vor allem die Anhänger des Nazareners, sollten getötet werden; und es ist immer eine gute Arbeit, sie auszuführen.“ (nach: H. Delassus, La conjuration antichrétienne, Mit Imprimatur, 1910, Bd. 3, S. 692) –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 6,1889  & Bd. 11, 1899

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