Das Kreuz und der Halbmond
Papst Paul III. (regierte von 1534-1549)
Selten gab es einen Papst, der die Liebe und Verehrung der Römer in höherem Grad besessen hat. Mit der größten Umsicht wählte sich Papst Paul Männer, mit denen er die Regierungsgeschäfte teilen wollte; denn bei ihm entschied einzig das Verdienst. Daher wurden nicht selten solche zu Kardinälen ernannt, die der Papst gar nie persönlich gekannt hatte. So sah er bald einen Kreis der talentvollsten, freimütigsten und ausgezeichnetsten Männer um sich. Was Papst Paul als Kardinal versprochen, hat er nach Möglichkeit als Papst gehalten. Von so vielen großen Männern unterstützt, konnte der heilige Vater die Hand ans Werk legen, um die im Laufe der Zeit entstandenen Missbräuche aus der Kirche zu entfernen. Von ihm erhielten die Kardinäle den Auftrag, jederzeit freimütig und offen anzugeben, wo in der Kirche Missbräuche entfernt werden müssten. Ohne Rücksicht mussten diese unbestechlichen Ratgeber alles prüfen, und wo sie einen Mangel oder Missbrauch entdeckten, unbarmherzig eingreifen. (1)
Während an der Verbesserung der römischen Verhältnisse die allerstrengsten Kardinäle arbeiteten, gingen Gesandte nach Deutschland, um die Protestanten wieder mit der Kirche zu versöhnen. Um jeden Preis sollte eine vollständige Trennung verhütet werden. Um die Protestanten zu gewinnen, veranstaltete man auch mehrere Religions-Gespräche. Nun erklärten aber die Protestanten, eine vom Papst geleitete Versammlung sei keine freie, und verlangten, die Fürsten müssten Männer auswählen, die nach Gottes Wort entscheiden sollten. Der Papst schickte den nach Rom zurück gekehrten päpstlichen Gesandten wieder an den deutschen Kaiser, der im April des Jahres 1536 selbst nach Rom kam und sich lange mit dem Papst beriet.
Aber bei den Protestanten steigerte sich die Leidenschaft gegen den heiligen Vater immer mehr. Luther selbst rief: „Gott erfülle euch mit Hass gegen den Papst.“ Die katholischen Fürsten in Deutschland schlossen zum Schutz des katholischen Glaubens und ihrer Untertanen zu Nürnberg einen heiligen Bund. Auch berief der Papst eine Kirchenversammlung für das Jahr 1537 nach Mantua und verlegte sie für das folgende Jahr nach Vicenza. Doch diese Versammlung und auch die Zusammenkunft des heiligen Vaters mit dem Kaiser im Jahr 1543 vermochten den weiteren Kampf nicht mehr zu hindern; denn die Protestanten an ihrer Spitze Luther und Melanchthon, wollten keine Versöhnung. An der Seite dieser Anführer standen Geistliche und Ordensleute, die geheiratet hatten, Bürgermeister und Magistratsräte, welche die Klosterleute eigenmächtig aus ihren Städten vertrieben, um ihr Vermögen sich aneignen zu können, Fürsten, welche sich mit den Einkünften von ganzen Bistümern bereichert hatten. Alle diese waren gegen jede Aussöhnung mit dem Papst, weil sie fürchteten, das Gestohlene wieder heraus geben und ihren schlimmen Lebenswandel aufgeben zu müssen.
Luther und sein Anhang hatten laut eine Kirchenversammlung verlangt und zwar in Deutschland, damit sie auf derselben frei ihre Klagen vorbringen könnten. Papst Paul III. brachte nach unermüdlichen Arbeiten eine Versammlung zustande, die am 13. Dezember des Jahres 1545 zu Trient in Tirol eröffnet wurde. (2) Statt dort seine Klagen vorzubringen, predigte jetzt Luther gegen die Versammlung von Trient, als gegen ein „Teufelswerk des römischen Papstes“. (3)
König Heinrich VIII. von England hatte inzwischen ebenfalls vollständig mit Rom gebrochen, zog die Kirchengüter ein und hob die Klöster auf. Viele Geistliche, welche den königlichen Verordnungen in Kirchensachen nicht Folge leisteten, wurden hingerichtet, so der Bischof Johann Fisher von Rochester, den der Papst zum Kardinal erhoben hatte. Schließlich musste der heilige Vater den König feierlich von der Kirchengemeinschaft ausschließen.
Für die Missionen war der Papst ebenso besorgt, wie für die Erhaltung des wahren Glaubens und der guten Sitte in Europa. Er errichtete in Amerika mehrere Bistümer und verteidigte die Freiheit der Indianer. Der heilige Vater belegte alle mit dem Bann, welche die Indianer zu Sklaven machten. (4)
Bei so vielen und so anstrengenden Beschäftigungen fand Papst Paul immer noch Zeit, in Rom die Ruinen auszubessern, welche die Deutschen unter seinem Vorgänger zurück gelassen hatten. Von ihm stammen auch der berühmte Palast Farnese und die paulinische Kirche.
Auch dieser Papst war ein eifriger und bedeutender Gönner von Kunst und Wissenschaft. (5) Selbst ein Mann von durchdringendem Geist und großer Klugheit war er ebenso beliebt, wie seine durch ihn groß gewordenen Verwandten verhasst waren. (6) Freilich sorgte der Papst für diese vielleicht zu sehr, doch wo die Pflichten gegen die Kirche es verlangten, gab er auch seinen Verwandten nicht nach. Mitten in seinen apostolischen Arbeiten rief ihn der Herr über Leben und Tod am 10. November des Jahres 1549 im zweiundachtzigsten Lebensjahr von der Welt ab. Herrliche Tugenden hatten diesen Papst im Leben geschmückt; Gerechtigkeit und Mäßigung, Geistesgröße, Wissenschaft und eine tiefe Bildung können ihm selbst seine Feinde nicht absprechen. Sterbend sah er das Morgenrot einer besseren Zeit. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 619 – S. 621
(1) Paul III. legte den Grund zur wirklichen Erneuerung der Kirche Gottes. Gleich beim Beginn seiner Regierung ging er mit regem Eifer an das Werk, eine durchgreifende Besserung der Missstände in de rKirche und die Erneuerung der alten Kirchenzucht ins Leben zu rufen. „Was für ein Mann er ist“, schrieb Hosius über Paul III., „kann man am besten aus denjenigen ersehen, die er zu seinen Ratgebern ernannt hat.“ Die Orden der Heiligen Ignatius, Hieronymus Aemiliani, Angela Merici wurden von ihm bestätigt und gefördert.
(2) Leider traten fort und fort Hindernisse entgegen; solche waren die Kriege Karls V. mit Franz I., dann vereitelten es die Protestanten, die zuerst sich immer auf ein Konzil beriefen, dann konnte man sich nicht über einen geeigneten Ort einigen. Endlich wurde Trient bestimmt. Die Protestanten tobten nun entsetzlich gegen dasselbe. Das Konzil nahm einen vielversprechenden Fortgang. Wichtige Lehrentscheidungen waren bereits erflossen, durch welche die alte katholische Lehre den neuen Irrlehren gegenüber klar und genau festgestellt wurde, ebenso waren mehrere heilsame Reformdekrete erlassen, die das kirchliche Leben zu fördern überaus geeignet waren, als 1547 in Trient eine pestartige Krankheit ausbrach und einige Konzilsmitglieder dahin raffte. Da entschied sich die Mehrheit der Konzilsväter, zumal auch der Kriegswirren wegen, für eine Unterbrechung oder Verlegung des Konzils. Paul III. verlegte es infolge dessen nach Bologna. Jetzt aber entstand ein arges Zerwürfnis zwischen Kaiser und Papst. Der Kaiser war wegen der Verlegung des Konzils über den Papst sehr ungehalten, wie auch deshalb, daß beim Konzil Glaubensfragen entschieden wurden, die er zurück gestellt wissen wollte, endlich auch, weil der Papst nicht in eine zu übermäßige Besteuerung der Kirchengüter eingehen konnte.
Weit mehr Grund hatte aber der Papst, Klage zu führen. Vorerst mischte sich da der Kaiser in Angelegenheiten ein, die doch den Papst allein angingen. Ferner hatte Karl V. dem geschlossenen Vertrag entgegen einseitig ohne Vorwissen des Papstes mit den Protestanten Vereinbarungen getroffen zum Nachteil der katholischen Sache. Ein weiterer berechtigter Grund der Missstimmung war, daß Karl, obschon er in der Schlacht von Mühlberg 1547 den Protestanten eine schwere Niederlage beigebracht und die Hauptstützen und Förderer des Protestantismus in seine Gewalt bekommen hatte, doch den Sieg nicht ausnützte. Wie wenig Milde gegen die Rebellen am Platz war, hatte er bereits sattsam erfahren und sollte es noch weiter erfahren. Dieser Zwiespalt zwischen Papst und Kaiser diente der protestantischen Sache und nötigte Paul III., das Konzil (1549) zu suspendieren.
(3) Seine Gehässigkeit gegen die katholische Kirche nahm bis zum Ende seines Lebens zu. Seine letzten Lebensjahre waren sehr verdüstert trotz der äußeren Erfolge. Er sah die schrecklichen Folgen seiner Lehre und musste offen gestehen, daß die religiös sittlichen Zustände schlechter geworden. Am allerschlimmsten sah es in Wittenberg, dem Ort seiner persönlichen Tätigkeit aus. Mehrmals machte er Versuche, aus diesem „Sodoma“ zu fliehen. Die Gewissensbisse, die er Todesängste nannte, folterten ihn; um sie zu betäuben, suchte er seinen Trost in der Kanne und im Schelten und Lästern.
1540 hatte er sich einen Schandfleck angehängt, indem er dem Landgrafen Philipp von Hessen, einen der ersten und vorzüglichsten Förderer der Reformation, zum Frommen „des Evangeliums“ eine Doppelehe gestattete. Um das öffentliche Ärgernis, das eine derartige Schandtat hervor rufen musste, zu heben und sich aus der Schlinge zu ziehen, war der fromme Gottesmann bereit, durch „eine gute, starke Lüge“ die Erlaubnis-Erteilung abzuleugnen. Während die Päpste lieber ein ganzes Königreich (England) preisgeben wollten, als daß sie einem wollüstigen Tyrannen zuliebe die Heiligkeit der Ehe antasten ließen, trat der neue Evangelist und Reformator Luther sie mit Füßen zum Hohn des Christentums und des Evangeliums.
Noch bitterer und gehässiger wurde Luther, als er nun bei dem Niedergang der Religion, der Zuchtlosigkeit und Verwirrung unter seinen Glaubens-Genossen den Aufschwung in der katholischen Kirche wahrnehmen musste. Als er aber gar sah, wie das Konzilium eröffnet wurde und seine ersprießliche Tätigkeit begann, überschritt sein Hass alles Maß. Er befürchtete jetzt, es könne eine Einigung stattfinden; um eine solche unmöglich zu machen, gab er jetzt die furchtbarste Schmähschrift gegen den Statthalter Christi heraus unter dem Titel: „Das Papsttum vom Teufel gestiftet“. Mit dem Hass, den er zum Abschied von Schmalkalden 1537 den Seinen mit den Worten empfahl: „Gott erfülle euch mit dem Hass gegen das Papsttum“, schied er am 17. Februar 1546 von hinnen und diesen Hass hinterließ er als Erbe seinen Anhängern.
(4) Das Missionswesen nach dem Orient förderte er in nachdrücklicher Weise. Unter ihm hatte der Apostel Indiens, der hl. Franz Xaver, seine großartige Tätigkeit entfaltet.
(5) Gegen die Überflutung schlechter Schriften führte Paul eine scharfe Bücherzensur ein und ließ ein Verzeichnis verbotener Bücher anfertigen. Wissenschaft und Kunst wurden werktätig unterstützt. Michelangelo malte unter anderem in der Sixtina das weltberühmte Gemälde „Das Jüngste Gericht“, welches den Moment darstellt, wie der Heiland den Urteilsspruch über die Verworfenen ausspricht.
Gleich seinen Vorgängern bemühte er sich eifrig, die Türken zurück zu drängen, doch seine Anstrengungen hatten nur vorübergehende Erfolge. Er unterstützte den Kaiser bei seinem Kriegszug nach Tunis (1535), der mir einem herrlichen Sieg Karls und mit der Befreiung von 30000 Christensklaven endete.
In Deutschland erstarkte der Protestantismus und breitete sich immer weiter aus infolge der Schwäche und Uneinigkeit der Katholiken und der rücksichtslosen Gewalttätigkeit der Neuerer, infolge der Kriege, die Karl mit dem heimtückischen Franzosen, König Franz I., zu bestehen hatte, der im eigenen Land die Protestanten verfolgte, in Deutschland aber unterstützte und infolge der Türkenkriege, die den Bruder Karls, Ferdinand, in seinen Unternehmungen lähmten und zu unbilligen Konzessionen an die Protestanten bestimmten. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste III. Band, 1907, S. 543 – S. 548