Seliger Papst Benedikt XI (1303-1304)

Der Papst trägt das Kreuz Christi, von Christus glorreich empfangen; es zeigt das Leiden der Päpste und zugleich der Kirche

Die Auflehnung gegen die Statthalter Jesu Christi

Der selige Papst Benedikt IX. ist mit Waisenkindern in einem mit Bäumen bewachsenen Grundstück zusammen; er begrüßt liebevoll einen Jungen und ein Mädchen; im Hintergrund stehen drei Jungen, am Baum sitzt ein Mädchen

Der selige Papst Benedikt XI. (regierte von 1303-1304)

Am zehnten Tage nach dem Tode des ehrwürdigen Papstes Bonifaz VIII., am 22. Oktober des Jahres 1303, versammelten sich die Kardinäle und wählten den Kardinalbischof von Ostia, den frommen Nikolaus Boccasini, zum Papst. Er gehörte zu den zwei mutigen Männern, welche furchtlos und unerschrocken an der Seite des Papstes Bonifaz ausgehalten hatten, als er von der mit Geld gedungenen Rotte in Anagni mißhandelt und in den Kerker geworfen wurde.
Der neue Papst war als der Sohn eines Hirten zu Treviso im Jahre 1240 geboren. In seinem vierzehnten Jahr trat er in den Orden der Dominikaner, widmete sich dem heiligen Priesterstand und zeichnete sich bald durch große Frömmigkeit und tiefe Gelehrsamkeit aus. Dem scharfsichtigen Papst Bonifaz VIII. Konnte solche Tugend nicht lange verborgen bleiben. Dieser stellte auch bald das Licht auf den Leuchter, indem er Nikolaus im Jahre 1299 zum Kardinal ernannte.
Als nach dem Tode des Papstes Bonifaz die Wahl auf Kardinal Nikolaus gefallen war, nannte sich dieser aus Verehrung und Hochachtung für seinen Vorgänger Benedikt, weil Bonifaz als Kardinal Benedikt Cajetanus geheißen hatte. Bei seiner Krönung stand Benedikt XI. im dreiundsechzigsten Jahr.
Gleich in den ersten Tagen geschah ein Ereignis, das uns einen Blick in das herz diese heiligmäßigen Papstes tun läßt, und das uns zeigt, wie der ehemalige Ordensmann die Tugend der Bescheidenheit mit auf den höchsten Thron der Welt genommen hatte.
Die hoch betagte Mutter des Papstes lebte noch in Treviso. Auf einmal drang die Kunde in ihre stille Kammer: „Mutter, dein Sohn ist Papst geworden!“ Sogleich machte sich die Frau auf den Weg, um ihren Sohn zu besuchen. Aber sie wagte es nicht, in ihrem ärmlichen Anzug den päpstlichen Palast zu betreten. Eine vornehme Römerin lieh ihr seidene Kleider. Diese zog sie an und erschien vor ihrem Sohn. Aber wie staunte sie, als der Papst sie nicht weiter anhörte, sondern mit den Worten abwies: „Du bist nicht meine Mutter. Denn meine Mutter ist arm und trug nie ein seidenes Gewand!“ Betrübt verließ sie den Papst, legte am andern Tage ihre ärmlichen Kleider an und erschien wiederum vor dem Papst. Und nun umarmte sie der Papst mit kindlicher Liebe vor allen Anwesenden und rief aus: „Dies arme Frau ist meine Mutter, nicht aber jene vornehme Dame, die gestern in seidenen Kleidern hier stand!“
Demut und Bescheidenheit waren jedoch nicht die einzigen Zierden des Papstes Benedikt, er besaß auch große Festigkeit des Willens, gepaart mit ernster Milde. Dies beweisen seine Regierungs-Handlungen. Schwierig waren die Verhältnisse, welche ihn umgaben. Schwierig war die Zeit, in der er regierte. Allein die Vorsehung hatte der Kirche einen Papst gegeben, dessen Klugheit den verwickelten Zeitumständen gewachsen war. Benedikt beruhigte zuerst die Gemüter in Italien. Würdig und ernst suchte er den Frieden wieder herzustellen. Dann söhnte er in Deutschland den Kurfürsten von Mainz mit dem deutschen König Albrecht aus.
Der Papst räumte auch jeden Anhaltspunkt und jeden Vorwand hinweg, den der König Frankreichs benützen konnte, um gegen den Papst in der Weise feindselig vorzugehen, wie er es gegen Bonifaz getan hatte.
Vier Monate waren seit Benedikts Erhebung auf den päpstlichen Stuhl verflossen, da sandte König Philipp Boten mit einem Glückwunsch-Schreiben an den Papst, in welchem er ihm viele Hochachtung bezeigt, aber seinen Vorgänger als falschen Hirten erklärt. Der heilige Vater nahm die Gesandten und das Schreiben in gewohnter Freundlichkeit auf.
Der zur Milde geneigte oberste Hirt der christlichen Völker nahm dann jene kirchlichen Strafen zurück, welche der strenge Bonifaz auf den König und auf die ihm ergebenen Bischöfe gelegt hatte. Er ging in seiner Nachgiebigkeit so weit, als es ihm möglich war, ohne die Gerechtigkeit zu verletzen oder seinem seligen Vorgänger nahe zu treten. Der König Philipp wurde nicht bloß vom Bann losgesprochen, sondern erhielt auch das alte Vorrecht der französischen Könige wieder, die Bischöfe seines Reiches zu ernennen. Dies zeigte der Papst dem König in einem äußerst liebevollen Brief im April des Jahres 1304 an. Außerdem tat der heilige Vater noch einen Schritt, der seine Liebe zum Frieden in das glänzendste Licht stellt. Die zwei Kardinäle Jakob und Peter aus der angesehenen, aber herrschsüchtigen Familie der Colonna, die vertrauten Freunde des französischen Königs, hatten sich verleiten lassen, an den Misshandlungen des verstorbenen Papstes Bonifaz teilzunehmen. Dem französischen König zuliebe wurde jetzt auch diese Familie begnadigt. Ur die Kardinalswürde blieb den beiden Männern genommen, was geschehen musste, weil sie sich am obersten Hirten der Kirche vergriffen hatten. Weiter konnte ein Papst in seiner Friedensliebe wohl nicht mehr gehen. Natürlich riefen diese Zeichen von Milde, Nachgiebigkeit und Güte den größten Jubel hervor. Aber die Rücksicht auf die Gerechtigkeit forderte vom Papst doch die Bestrafung des Verbrechens in Anagni. Zu diesem Zweck reiste Benedikt nach Perugia, lud dort Nogaret mit seinen Helfershelfern im Jahre 1304 vor seinen Richterstuhl und schloß sie, da sie nicht erschienen waren, feierlich von der Gemeinschaft der katholischen Kirche aus.
So vereinigte der Nachfolger des ehrwürdigen Papstes Bonifaz Ernst und Milde in seiner Person. Es war daher die gegründete Hoffnung gegeben, daß er der heiligen Kirche Jesu Christi noch eine lange Reihe von Jahren Segen bringen werde. Es kam aber anders. Nur zu bald folgte der edle Papst seinem Freund am 7. Juli des Jahres 1304 zu Perugia in die Ewigkeit nach. Daß Benedikt infolge von Vergiftung auf Veranlassung des Königs Philipp von Frankreich oder seines Kanzlers Nogaret den Tod fand, läßt sich nicht erweisen, wurde aber vielfach geglaubt.
Benedikt wurde nach seinem Tode von Gott durch mehrere Wunder verherrlicht und wird seit dem Jahre 1733 als Seliger verehrt.

Mit dem Tode des heiligen Benedikt beginnt jene traurige Zeit, in welcher der Mittelpunkt der Christenheit auf einige Jahre von seiner gewöhnlichen Stelle verrückt wird. Die Päpste wohnen nicht mehr inmitten der Millionen von Märtyrern, welche Rom für sie durch ihr Blut eingeweiht haben; sie leben nicht mehr innerhalb jener Mauern, die durch ihr Alter und die Heiligkeit ihrer früheren Bewohner so ehrwürdig sind.. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 532 – S. 536

Hier endet die Glanzperiode der Kirche und des Papsttums. Durchwegs begegneten wir während dieses Zeitraumes würdigen Männern auf dem Stuhl des hl. Petrus. Getragen von dem Bewusstsein ihrer Würde und der Erhabenheit ihres Amtes, griffen sie mächtig in ihre Zeit ein und leisteten wahrhaft Großes. Sie haben die höchste Macht in der Gesellschaft errungen, und ferne lag es ihnen, sie zu egoistischen Zwecken zu mißbrauchen. Weder einem Gregor VIII. noch einem Alexander III., noch einem Innozenz III. oder IV., noch einem Bonifaz VIII. kann mit Recht dieser Vorwurf gemacht werden. Ihr Ringen und Streben ging einzig dahin, die Fürsten und Völker dem Gesetz Christi zu unterwerfen, die Freiheit der Völker gegen die Willkür der Fürsten und die Autorität der Fürsten gegen die Anmaßungen der Vasallen und die Empörungsgelüste der Untertanen zu schützen. Um dieses erhabene Ziel zu erreichen, war der Kirche die Freiheit nötig. Eine geknechtete Kirche wäre unfähig gewesen, eine solche Aufgabe zu lösen. Daher der entschiedene, beharrliche Kampf der Päpste um die kirchliche Freiheit und Unabhängigkeit. Wahrhaft großartig war ferner ihr Bemühen, um die Christenheit gegen den Anprall der Ungläubigen zu schützen, die christliche Wahrheit zu verbreiten, ferneren Völkern die Segnungen des Christentums zu vermitteln. Ebenso groß war ihr Bemühen für die Reinheit des Glaubens, die Heiligkeit der Ehe, die Pflege der Wissenschaften.
Wider die wüsten Ausschreitungen und Gewalttaten erhoben sich immer die Päpste als Schützer und Verteidiger des nieder getretenen Rechtes und als unbestechliche Richter. Übrigens war trotz allen Ausbrüchen der Wildheit doch das öffentliche wie das private, d as staatliche wie das bürgerliche Leben, waren Künste und Wissenschaften vom Geist des Christentums durchdrungen und wurde alles in diesem Licht betrachtet. Nach diesem Maßstab bemessen, gibt es keine so glänzende Periode in der Geschichte der Menschheit, weder vorher noch nachher. Es war eine wahrhaft große Zeit und die Träger derselben waren die Päpste. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste II. Band, 1907, S.462 – S. 463

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